Die Niederländer im SchweineInnovationsCentrum (VIC) Sterksel gehen noch einen Schritt weiter. Mit ihrem sogenannten Starplus-Stall wollen sie ganz neue Maßstäbe setzen in puncto Tierwohl und Nachhaltigkeit. Der innovative Maststall mit 12 Buchten für je 18 Schweine wurde von der Uni Wageningen gemeinsam mit drei Stallbaufirmen geplant, mit Forschungsgeldern bezuschusst und im Juni 2012 in Betrieb genommen. Er erfüllt formal die Anforderungen eines Drei-Sterne-Stalles des Labels „Beter Leven“, welches der niederländische Tierschutzverband ins Leben gerufen hat. Zu den wichtigsten Kriterien zählt das großzügige Raumangebot. Mit 1,2 m2 pro Tier haben die Schweine im Stall 1½-mal so viel Platz wie gesetzlich vorgesehen. Hinzu kommt ein eigener überdachter Auslauf für jede Bucht, der an den Innenraum angeschließt (siehe Übersicht 2). Die Ferkel werden nicht kastriert, behalten in einzelnen Buchten versuchsweise ihre Schwänze und sollen zu jeder Zeit Zugang zu besonders abwechslungsreichem Spielmaterial haben. Hier werden unter anderem Jutesäcke und Sisalseile eingesetzt. Zusätzlich erhalten die Schweine zweimal täglich eine geringe Menge Maissilage oder Stroh. Der Großteil der Bucht ist planbefestigt ausgeführt. Nur im hinteren Teil der Bucht sowie im anschließenden Außenbereich sind Spalten verlegt. Damit Spielwasser von den Tränken oder fälschlicherweise im vorderen Teil der Bucht abgesetzter Urin gut ablaufen, gibt es ein Gefälle von 4 %. So läuft Urin in die Spalten. Auch kleine Mengen von den Tieren in der Bucht verteiltes Stroh können dort durchgetreten werden. Durch den Auslauf stehen den Schweinen je nach Belieben verschiedene Lebensbereiche zur Verfügung. Über eine kleine Tür gelangen die Schweine jeweils nach draußen. Die Türchen sind gefedert und können von den Schweinen von innen einfach aufgeschoben werden. Um in den Stall zurückzukehren, müssen die Schweine mit der Schnauze einen Riegel betätigen. Nach Aussage der Stallmitarbeiter lernen die Tiere schnell, wie es funktioniert. In einzelnen Buchten sind Innen- und Außenbereich nur mit Plastikvorhängen getrennt. Der Klimareiz soll sich positiv auf das Wohlbefinden der Tiere auswirken. „Dadurch nehmen die Schweine den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus viel intensiver wahr“, beschreibt Patrick Classens vom VIC Sterksel. Nach außen sind Stall und Auslauf durch ein Nylonnetz vor Vögeln geschützt. Besucher behalten gute Sicht auf die Tiere, ohne den Stall betreten zu müssen, und die Schweine können nach draußen gucken. Allerdings verursacht ein Auslauf natürlich immense Extra-Kosten. Zudem kann er nicht das ganze Jahr über genutzt werden. Bei sehr hohen Temperaturen im Sommer meiden die Schweine den Freigang. Nicht nur der Auslauf ist hell, auch in den Innenraum des Starplus-Stalles gelangt viel mehr Licht als bei konventionellen Ställen. Dafür sorgen ein Lichtfirst und große Fensterflächen an den Längsseiten des Gebäudes. Für nicht ganz so helle Tage sind unter der Decke drei Induktionslampen angebracht, die leistungsstark, aber besonders Strom sparend sind. Sie sollen ein sehr natürliches Licht liefern. Vermehrtes Schwanzbeißen aufgrund des Sonnenlichts wurde bislang nicht registriert. Neben der Helligkeit im Stall, die Schwein und Mensch zu Gute kommt, ist auch die Luftqualität ein großes Thema. Der Starplus-Stall basiert auf dem System der natürlichen Lüftung. Voraussetzung dafür ist der große Luftraum über den Buchten. Dabei entspricht die Abteildecke dem Stalldach. Pro Schwein stehen ungefähr 5 m3 Luftraum zur Verfügung. Aufgrund der natürlichen Lüftung sind keine Ventilatoren notwendig. Das senkt den Stromverbrauch. Stattdessen sind die Längsseiten des Stalles mit lichtdurchlässigen Stellklappen ausgerüstet. Diese werden je nach Temperatur und Luftbewegung im Stall automatisch per Stellmotoren weiter geöffnet oder geschlossen. Erfasst werden die aktuelle Temperatur und Windgeschwindigkeit mittels Sensoren, die von der Decke etwa 2 m über dem Buchtenboden hängen. Trotz seines offenen Charakters und obwohl er über keinen Luftwäscher verfügt, ist der Stall besonders emissionsarm. Denn die Gülle wird mehrmals täglich aus dem Stall entfernt. Dies geschieht über Kotbänder, die unter den Spalten verlaufen. Durch die V-Form dieser Förderbänder aus Polypropylen wird der Urin direkt von der festen Fraktion getrennt. „Dies sorgt für eine Ammoniakreduktion von 70 %, eine Geruchsreduktion von 75 % und eine Methanverminderung um 80 %. Letzteres können Luftwäscher nicht“, erklärt Martien van Kempen, der die Idee mit den Kotbändern mitentwickelte und bereits seit Jahren Erfahrungen damit im eigenen Stall sammelt. Der Urin läuft in der Mitte des Bandes zusammen, wird in einem Becken gesammelt und gefiltert. Das Filterprodukt wird als Mineralkonzentrat in der Grünlanddüngung eingesetzt. Der Rest ist vorfluterfähiges Wasser. Der Kot mit 35 % TS, der auf der ganzen Breite des Bandes verteilt liegenbleibt, wird mindestens zweimal täglich automatisch aus dem Stall transportiert. Durch die schnelle Gülle-Abfuhr stinkt der Stall weniger und die Tiere haben bessere Luft. Je frischer die Gülle, desto höher ist auch die Ausbeute an Methan. Das ist ein weiterer Vorteil, denn der Kot wird einem Mikrofermenter für die Vergärung von 100 % Schweinegülle zugeführt. Natürlich ist die Vergärung reiner Schweinegülle aufgrund der hohen Investitionskosten der Anlage bei der geringen Tierzahl nicht rentabel. Zu klären ist, ob sie sich bei größerem Maßstab nicht doch lohnen kann. Der Auslauf fördert das Wohlbefinden, sofern das Wetter eine Nutzung zulässt. Er erfordert jedoch unverhältnismäßig hohe Investitionskosten. Auch das Konzept „Luft und Licht“ scheint sich positiv auf das Wohlbefinden auszuwirken, wie Videoanalysen beweisen. Es wird in Zukunft sicher noch an Bedeutung gewinnen. Die Kotbänder sorgen für eine Trennung von fester und flüssiger Phase und den direkten Abtransport der Exkremente aus dem Stall. Dadurch kann eine Abluftreinigungsanlage entfallen. Doch die technischen Verfahren zur weiteren Nutzung sind noch nicht ausgereift, gerade bei den geringen Güllemengen. -msch- Auslauf bringt Klimareiz Viel Luft und Licht Kotbänder führen Gülle ab Bewertung Klimareiz und Emissionsreduktion stehen im Mittelpunkt des Starplus-Stalles aus Holland.