Anfang Juni hat die QS-Qualität und Sicherheit GmbH die ersten Daten aus dem Antibiotika-Monitoring veröffentlicht. Inzwischen melden mehr als 1 000 Tierarztpraxen regelmäßig die Antibiotika-Verschreibungen. Es konnten rund 24 000 in die Datenbank eingepflegte Behandlungsbelege ausgewertet werden. Das, was QS im letzten Jahr auf freiwilliger Basis eingeführt hat, wird der Gesetzgeber künftig fordern. Denn Bund und Länder haben grünes Licht für die Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG) gegeben. Diese beinhaltet unter anderem eine allgemeine Meldepflicht für Antibiotika-Anwendungen. Auch soll für die Betriebe die durchschnittliche Anwendungshäufigkeit für Antibiotika ermittelt werden, woran sich jeder einzelne Schweinehalter messen lassen muss. Dreh- und Angelpunkt ist der sogenannte Therapie-Index, der die Intensität der Antibiotika-Anwendungen beschreiben soll. Die regelmäßigen Auswertungen sollen auf Betrieben mit sehr hohem Antibiotika-Einsatz eine Beratung auslösen. Werden die Empfehlungen der Fachleute nicht umgesetzt, drohen dem Betrieb Sanktionen. Mit der Novelle des AMG will der Gesetzgeber einerseits Impulse für eine weiter verbesserte Tiergesundheit geben. Andererseits sollen, wann immer vertretbar, insbesondere die oralen Bestandsbehandlungen zurückgefahren werden. Die meisten Antibiotika werden über das Futter oder Trinkwasser an abgesetzte Ferkel oder zu Mastbeginn verabreicht. -ni- Interview SUS: Nach ersten Auswertungen der Zahlen zum QS-Antibiotika-Monitoring hat jeder vierte Mastbetrieb überhaupt keine Antibiotika eingesetzt. Ist das ein guter Wert? Blaha: Die jetzt veröffentlichten Zahlen liefern erste Orientierungs-werte, nicht mehr und nicht weniger! Sie sind weder geeignet, Missbräuche beim Antibiotika-Einsatz abzu-leiten, noch die Situation zu verharmlosen. Es ist eine Momentaufnahme, die sich auf die Mast bezieht. Die Auswertungen sollten auf die Ferkelaufzucht ausgedehnt und vervollständigt werden. Wir stehen erst am Anfang! SUS: Ein Ziel ist, dass jeder Teilnehmer weiß, wo er steht. Wird dies erreicht? Blaha: Ja! QS schickt künftig in einem bestimmten Rhythmus jedem teilnehmenden Mäster den betrieblichen Wert im Vergleich zu den anderen. Es handelt sich um rollende Mittelwerte. Diese Infos sollten Passwort-geschützt online einsehbar sein. Darüber hinaus werden Vergleiche von Betrieben, Produktionsverfahren oder Regionen bzw. Tierarztpraxen möglich, die wichtige Erkenntnisse für die Beratung bringen. SUS: Die wesentliche Kennzahl beim Antibiotika-Monitoring ist der Therapie-Index, der aus den gemeldeten Behandlungsbelegen abgeleitet wird. Wie wird dieser genau errechnet? Blaha: Die Anzahl behandelter Tiere mal Anzahl der Behandlungstage mal die Anzahl Wirkstoffe wird durch die Gesamtzahl der gehaltenen Tiere dividiert. So wird dargestellt, an wie vielen Tagen, statistisch ausgedrückt, alle Tiere im Bestand mit einem Wirkstoff behandelt wurden. Bei Schweinen wird der Therapie-Index je Tierplatz und Jahr berechnet, bei Hähnchen z. B. je Tier. Somit eignen sich diese Kennzahlen nicht für einen Vergleich zwischen zwei Tierarten. SUS: Wie groß ist die Bandbreite? Blaha: Nach den ersten QS-Auswertungen geht diese von null bis 60 Behandlungstagen. Der Schnitt liegt bei 6,2 Behandlungstagen. Bei 20 % der Betriebe übersteigt der Therapie-Index die Marke von zehn Tagen. SUS: Die Zahl sagt nichts über Klinik und Krankheitsverlauf aus. Blaha: Das braucht diese Kennzahl auch nicht. Der Therapie-Index soll lediglich ein Maß für die Intensität des Antibiotika-Einsatzes im Betrieb sein. Bei extrem hohen Werten müssen selbstverständlich die Hintergründe erfragt bzw. schlüssige Begründungen gegeben werden können. SUS: Ist eine Einstufung der Betriebe geplant? Blaha: Das sieht das neue Arzneimittelgesetz vor. Es geht um die gezielten Beratungen zum Tiergesundheitsmanagement auf Betrieben mit hohem Antibiotika-Einsatz. Eine Einstufung ist hierfür die Grundlage. SUS: Womit muss der Betrieb konkret rechnen, wenn über längere Zeit ein hoher Antibiotika-Einsatz dokumentiert wird? Blaha: Ausführungshinweise hierzu gibt es noch nicht. Die Herangehensweise könnte ähnlich sein wie die beim Salmonellen-Monitoring. Vermutlich wird der erste Schritt sein, die Betriebe mit hohem Antibiotika-Index anzuschreiben und zu informieren, dass sie diesbezüglich auffällig sind. Gleichzeitig werden sie aufgefordert, ein Konzept vorzulegen, wie man den hohen Einsatz reduzieren kann. Dieses sollte der Tierhalter mit seinem Hoftierarzt ausarbeiten. Sollte sich das Konzept nicht positiv auswirken, wird dem Schweinehalter in einem zweiten Schritt fachliche Hilfe „verordnet“. Werden die Empfehlungen nicht umgesetzt, drohen dem Schweinehalter Sanktionen. SUS: Genau dieser Punkt wird von den Praktikern scharf kritisiert. Blaha: Ich finde, die Diskussionen mit dem Hinweis auf Sanktionen zu be-ginnen, ist der falsche Weg. Wenn ein Betrieb mit fortwährendem Antibiotika-Einsatz Mängel im Tiergesundheitsmanagement nicht abstellt, muss eine Besserung der Situation im Interesse aller auch über Auflagen schrittweise erwirkt werden. SUS: Besteht nicht die Gefahr, dass bei einer Verwarnung notwendige Therapien ausbleiben oder die Therapiedauer verkürzt wird? Blaha: Klar ist, dass kranke Tiere behandelt werden müssen. Dabei müssen die Grundsätze der sorgfältigen Anwendung von Antibiotika eingehalten werden. Ich bin aber auch dafür, dass die Betriebe nicht nur nach Antibiotika-Index eingestuft werden. Zusätzlich könnten Gesundheitsparameter wie die Verlustrate in der Aufzucht und der Mast sowie Organbefundungen am Schlachtband einbezogen werden. SUS: Gibt es Präparate, die sich weniger negativ auf die Vergleichszahl auswirken? Könnte das künftig bei der Verschreibung von Antibiotika eine Rolle spielen? Blaha: Hochwirksame Antibiotika sind eventuell im Vorteil. Doch es werden nicht Antibiotikamengen sondern Behandlungstage erfasst. Selbst wenn ein Langzeit-Anti-biotikum einmalig per Spritze verabreicht wird, rechnet das System exakt so viele Behandlungstage an, wie Tage mit hohem Wirkstoffspiegel zu erwarten sind. Diese Information ist für jedes Präparat hinterlegt. Da-durch, dass in jedem Fall die gleichen Behandlungstage angerechnet werden, ist die Vergleichbarkeit zwischen den Betrieben gegeben. SUS: Erklären Sie, warum „plötzlich“ ein so starker Fokus auf die Antibiotika-Anwendung beim Nutztier gelegt wird. Blaha: In der Nutztierhaltung haben wir bis vor kurzem nur die Resistenzen der Zielbakterien im Blickwinkel gehabt. Das sind die krankmachenden Keime, wegen der wir Antibiotika beim Tier einsetzen. Gleichzeitig erzeugt aber der Antibiotika-Einsatz beim Nutztier auch bei den Nicht-Zielbakterien Resistenzen. Das sind die Milliarden im Darm und auf der Haut vorkommenden primär harmlosen Bakterien. Resistente Keime vermehren sich nun aber im Darm und auf der Haut explosionsartig, wenn unter Antibiotika-Einfluss die nicht resistenten Erreger dezimiert werden. Unter den resistenten Nicht-Zielbakterien können sich Keime befinden, die in der Humanmedizin gefährlich werden können. Die beim Tier vorkommenden MRSA mit den Übertragungswegen zwischen Mensch und Tier sind ein Beispiel für diese Zusammenhänge. SUS: Die Begünstigung resistenter Keime durch die routinemäßige Verabreichung von Antibiotika an ganze Tiergruppen oder -bestände ist also aus Ihrer Sicht das eigentliche Problem? Blaha: Ja! Es geht nicht um die erforderlichen Behandlungen von unvermeidlich auftretenden bakteriellen Infektionen bei Tieren. Die sind weiterhin aus Tierschutzgründen erforderlich und akzeptiert. Es geht ausschließlich um die Reduzierung bzw. Abschaffung der Antibiotikagaben, die zum Ausgleich eines mangelhaften Tiergesundheitsmanagements nötig sind. SUS: Was raten Sie den Schweinehaltern? Blaha: Alle müssen für einen noch zielgerichteteren Antibiotika-Einsatz sensibilisiert werden. Schweinehalter sollten also die Hinweise aus dem QS-Monitoring ernst nehmen und schon heute mit ihrem Hoftierarzt besprechen, ob und wann Bestandsbehandlungen ohne Tiergesundheitsrisiken weggelassen werden können. Es geht auch um die Frage, was getan werden muss, um nicht gleich den kompletten Bestand oder das Abteil behandeln zu müssen. Da wird es individuelle Lösungen geben da bin ich mir sicher. SUS: Wird der Antibiotika-Index die Produktionsweise ändern? Blaha: Nein, nicht grundsätzlich. Antibiotika-Anwendungen haben ja nicht direkt etwas mit der Bestandsgröße oder dergleichen zu tun. Es ist hauptsächlich eine Frage der Betreuung und der betrieblichen Abläufe. Vielleicht wird an der einen oder anderen Stelle eine intensivere Tierbeobachtung vonnöten sein. Andere Mäster werden die Arbeitsabläufe optimieren, Mankos im Hygienebereich ab- oder den Ferkelbezug umstellen. Bestandsbetreuende Tierärzte und versierte Berater werden hier die entsprechenden Hinweise geben können. SUS: Wir danken für das Gespräch! Reduzierung als Ziel -Interview: Heinrich Niggemeyer, SUS- Seit kurzem weist QS einen Therapie-Index für die Mast aus. SUS sprach mit Prof. Thomas Blaha von der TiHo Hannover über diese neue Kennzahl und Wege, Antibiotika einzusparen.