Dr. Theodor Schulze-Horsel, LWK Nordrhein-Westfalen Dysenteriesanierung bei laufender Produktion Dysenterieprobleme im Sauenstall führen in der Regel zur Keulung der Herde. Mit einem ausgefeilten Sanierungsplan geht es auch anders. D ie Schweinedysenterie ist nach wie vor weltweit ein Problem und vor allem in Ferkelerzeugerbetrieben bzw. geschlossenen Systemen ist die Bekämpfung mit hohen Kosten verbunden. Gerade in diesem Winter sehen wir auffallend viele Erkrankungen. In betroffenen Betrieben kommt es immer wieder zu klinischen Ausbrüchen mit Durchfall. Der Kot weist eine zementgraue bis bräunliche Farbe auf und die Konsistenz reicht von wässrig dünn über pastös bis zu schleimig blutig. Brenzlig wird die Situation, wenn die Farbe kakaobraun oder blutig rot erreicht. Dann muss schnellstens eine Behandlung per Injektion und über das Futter erfolgen, andernfalls drohen Totalverluste. Erreger bleiben lange unerkannt Während Rein-Raus-Mäster über eine gründliche Reinigung und Desinfektion relativ schnell wieder von Dysenterieproblemen im Schweinestall loskommen können, ist ein Krankheitseinbruch im Ferkelerzeugerbetrieb oder in einem geschlossenen System oft der Beginn einer langen Leidensphase. Das Problem: Im reinen Ferkelerzeugerbetrieb können sich Dysenteriereger unter Umständen sehr lange unerkannt halten, weil latent infizierte Sauen den Erreger in sich tragen und diesen an ihre Ferkel weitergeben, ohne dass sie selbst erkranken. Solche Betriebe werden oft erst mit dem Problem konfrontiert, wenn sich der Mäster beschwert. Im geschlossenen System findet man häufig Erkrankungen in einzelnen Mastabteilen. Problematisch ist in diesen Betrieben, dass die Schweine in der Regel alle über eine Futterleitung versorgt werden. In diesem Fall werden die kranken Tiere oft zu kurz behandelt, weil das Medikament zu früh abgesetzt wird. Das wiederum liegt daran, dass bei den älteren Schweinen die Wartzeit vor dem Verkauf eingehalten werden muss. Letztlich verzögert sich so die Räumung einzelner Abteile und es kommt zu einer Überbelegung. So entwickelt sich sehr schnell ein Teufelskreis, der kaum mehr zu durchbrechen ist. Herrschen besonders ungünstige Bedingungen, erkranken neben den Ferkeln auch die Zuchtsauen mit der typischen Durchfallsymptomatik. Da die Tiere hierdurch teilweise extrem stark abmagern, kommt es schnell zu erhöhten Sauenabgängen. Für Ferkelerzeuger spitzt sich die Situation noch weiter zu, weil sich Dysenteriefälle auf der Vermarkterseite sehr schnell herumsprechen und die Ferkel nur noch mit Abschlägen oder gar nicht mehr zu vermarkten sind. Erst das Umfeld optimieren Ob es bei einer Infektion tatsächlich zu sichtbaren Krankheitsanzeichen kommt und wie heftig diese ausfallen, wird wesentlich bestimmt durch die Haltungsbedingungen, die Fütterung, die Hygiene und andere Erkrankungen im Bestand. Neben der antibiotischen Behandlung müssen Schweinehalter in erster Linie eklatante Mängel in der Stallklimatisierung und in der Futterhygiene beheben. Wer darauf verzichtet, muss Rückfälle und weitere Nachbehandlungen einkalkulieren. Das Problem dabei ist, dass für die Bekämpfung der Dysenterie in Deutschland mit Valnemulin, Tiamulin, Lincomycin und Tylosin nur noch vier bewährte Wirkstoffe zur Verfügung stehen. Außerdem haben die Wirkstoffe Tiamulin und Valnemulin den gleichen Wirkmechanismus. Das hat zur Folge, dass etliche Brachyspirenstämme oft gegen beide Wirkstoffe resistent sind. Und gegen Tylosin zeigten sich im Resistenztest in Studien aus Deutschland mehr als 90 % der Dysenteriereger resistent! Auch wenn in der Praxis die Wirksamkeit teilweise besser ist als die Resistenztests vermuten lassen, heißt das letztlich doch, dass Tylosin in der Dysenteriebekämpfung nicht mehr das Mittel der ersten Wahl ist. Seit wenigen Wochen steht mit Aivlosin ein neuer Wirkstoff in der Dysenteriebekämpfung zur Verfügung. Dieser soll sich besonders in den Zellen der Darmschleimheit anreichern. Wie sich dieser neue Wirkstoff bewährt, muss sich aber erst noch in der breiten Praxis zeigen. Alle müssen mitspielen Trotz der Schwierigkeiten bei der Krankheitsbekämpfung im Ferkelerzeugerbetrieb sollten Sauenhalter vor dem Schritt zu einer Totalsanierung zunächst andere Bekämpfungswege in Betracht ziehen. Das Entscheidende dabei ist, dass ein detaillierter Bekämpfungsplan aufgestellt wird, an den sich alle Beteiligten strikt zu halten haben! Ein interessanter Vorschlag wurde auf dem letzten IPVS-Treffen, dem Weltkongress der Schweinetierärzte in Kopenhagen, vorgestellt. Der Plan hatte das Ziel, zwei Sauenherden im geschlossenen System mit Eigenremontierung und insgesamt 8 000 Sauenplätzen zu sanieren. Die Anlagen mit einer Größe von 2 000 und 6 000 produktiven Sauen waren seit längerem Dysenteriepositiv. Um die Gesundheitsprobleme in den Griff zu bekommen, wurde ein mehrstufiges Sanierungsverfahren gewählt, das sich in der Schweiz bei der Sanierung von verschiedenen Erregern in Kleinbetrieben bereits bewährt hat. Nun sollte gezeigt werden, dass dieses Verfahren auch in Großbetrieben anwendbar ist. Stufe 1: Vor dem Beginn der Sanierung wurden detaillierte Ablauf- und Arbeitspläne für alle Einrichtungen der Anlagen aufgestellt und mit den Mitarbeitern ausführlich besprochen. Von den in den Sauenanlagen isolierten Brachyspiren wurden Resistenztests angelegt. Stufe 2: Anschließend wurde die Zahl der Schweine in den Ställen drastisch reduziert. Es blieben 580 bzw. 3 800 Sauen übrig, tragend und nicht tragend, jedoch mindestens zehn Monate alt. Tiere, die die geringsten Anzeichen von Durchfall zeigten, schieden aus. Die verbliebenen Sauen wurden in beiden Fällen in einem Teilbereich der Betriebe aufgestallt. Diese Teilbereiche konnten separat ver- und entsorgt werden. Ihnen wurden festes Betreuungspersonal und eigene Gerätschaften zugeteilt. Stufe 3: Nun folgte eine vierwöchige Belegpause, um ein ausreichend langes jungtierfreies Intervall zu realisieren. Die übrig gebliebenen Sauen und Eber wurden während dieser Zeit hochdosiert mit einer Kombination aus zwei Antibiotika behandelt und strohlos aufgestallt. In der Zwischenzeit wurden die nicht belegten Stallungen einschließlich der Güllekanäle sowie alle Einrichtungen und Geräte, die mit Kot in Kontakt gekommen sein könnten, von einer separaten Reinigungsmannschaft gründlich gesäubert und desinfiziert. Erforderliche Reparaturen und eine gründliche Schadnagerbekämpfung wurden ebenfalls durchgeführt. Auch die Kadaverentsorgung sowie das Güllesystem wurden getrennt. Nach drei Wochen konnte für die gesamte Anlage so ein High-Health Status deklariert werden. Stufe 4: Alle Mitarbeiter mussten vor dem Betreten der gesäuberten Anlage in der Hygieneschleuse duschen, sie bekamen frische Kleidung und durften die Grenzen zwischen den gereinigten und ungereinigten Bereichen nicht mehr überschreiten. Stufe 5: Im fünften Schritt wurden die eigenen, klinisch sauberen Sauen zusammen mit dysenteriefreien Jungsauen in die gereinigten Stalltrakte gebracht. Dazu wurden die Tiere gewaschen und sie bekamen eine antibiotische Injektion. Nach der Einstallung in den sauberen Stall wurde die Medikation noch weitere drei Wochen in voller Dosis und danach weitere drei Wochen in reduzierter Dosierung weitergeführt. Der zuerst belegte Bereich wurde nach der Räumung ebenfalls von einem externen Reinigungsteam gründlich gereinigt und desinfiziert. Stufe 6: In den folgenden Monaten ist die Sauenzahl in den Anlagen überwiegend aus eigener Nachzucht wieder hochgefahren worden. Schneller wieder am Markt Dass dieser Weg der Sanierung Erfolg hatte, zeigten die Leistungszahlen in den betroffenen Betrieben. Die Abferkelrate stieg in den sechs Monaten nach der Sanierung um 3 % gegenüber dem langjährigen Schnitt, die Zahl der aufgezogenen Ferkel um 0,9 bis 1,5. Auch die täglichen Zunahmen in der Ferkelaufzucht und Mast nahmen zu. Kotuntersuchungen von Sauen und Ferkeln sowie Gülleuntersuchungen auf Brachyspiren blieben über sechs Monate negativ. Für die Betriebsleiter brachte dieses Sanierungsverfahren viele Vorteile. Gegenüber der Totalsanierung sind die wesentlich schnellere Rückkehr in die Produktion sowie die Tatsache, dass fast keine Jungsauen zugekauft werden mussten, entscheidende Pluspunkte. Ein positiver Nebeneffekt war in den betroffenen Anlagen auch, dass es mit der Medikation ebenfalls gelang, Mykoplasma hyopneumoniae zu eliminieren. Fazit Ein Dysenteriausbruch im Sauenstall hat schwerwiegende fi nanzielle Folgen. Je nachdem, wie hoch das Ziel ist, kann man gegen die Erkrankung unterschiedlich vorgehen. Bisher galt die Totalsanierung mit Räumung des Bestandes, gründlicher Reinigung und Desinfektion und anschließendem Neuaufbau der Herde mit dysenterieunverdächtigen Jungsauen als der einzig sichere Weg einer Sanierung. Ein anderer Weg kann die Sanierung über das gezielte Aussortieren infi zierter Tiere, die Optimierung der Hygiene und den Einsatz von Antibiotika sein. Dabei müssen alle Beteiligten an einem Strang ziehen und die Sanierungspläne konsequent einhalten. In großen Betrieben muss zudem genügend gewissenhaftes Personal und ausreichend brauchbares technisches Gerät für die gründliche Reinigung und Desinfektion im Großmaßstab vorhanden sein. Bei letzterer Vorgehensweise bleibt ein Restrisiko immer bestehen. Da man aber mit einer solchen Maßnahme die Herde für längere Zeit frei von Krankheitsanzeichen bekommt, lohnt sich der Aufwand. Der fi - nanzielle Schaden jedenfall ist weitaus geringer als bei einer Totalsanierung. - Schulze-Horsel,Theodor -