Etliche Zuchtunternehmen werben mit hochgesunden Jungsauen. Für wen diese Sauen interessant sein können, erläutert Dr. Hendrik Nienhoff vom Schweinegesundheitsdienst Hannover. SUS: Die großen Zuchtunternehmen bieten heute Jungsauen aus Hochgesundheitsherden an. Für welche Erkrankungen wird eine Freiheit zugesichert? Nienhoff: Typische Erkrankungen, für die eine Freiheit zugesichert wird, sind R. a. (Schnüffelkrankheit), Dysenterie, Mykoplasmen, APP und PRRS. Lassen wir einmal Dysenterie und R.a. außen vor, so drehen sich die meisten Verkaufsgespräche um die Zusicherung einer Freiheit von Mykoplasmen, APP und PRRS. SUS: Für welche Erkrankung gibt es in der Regel keine Zusicherungen dieser Art? Nienhoff: Für viele bakterielle Erkrankungen wie z. B. Streptokokken-Hirnhautentzündung oder Glässersche Krankheit (Hämophilus parasuis) und PIA (Lawsonien). Aber auch für einige Viren wie z. B. das Circovirus (PCV2) gibt es solche Zusagen in der Regel nicht. SUS: Für wen sind hochgesunde Jungsauen interessant? Nienhoff: Für Betriebe, die beispielsweise eine Herde in einer isolierten Lage neu aufbauen wollen. In solchen Fälle macht der Zukauf hochgesunder Sauen Sinn. SUS: Und für welche Betriebe nicht? Nienhoff: Für Betriebe, bei denen kein Herdenneuaufbau ansteht und die keine größeren Probleme in puncto Tiergesundheit beobachten. Die meisten konventionell geführten Herden sind zumindest nach Ergebnissen von Blutuntersuchungen positiv in Bezug auf Mykoplasmen, PRRS & Co. Das heißt, die Sauenhalter impfen in der Regel ihre Ferkel gegen Mykoplasmen. Häufig werden auch die Sauen gegen PRRS vakziniert. SUS: Welche Vorkehrungen müssen getroffen werden, wenn dennoch hochgesunde Jungsauen eingegliedert werden sollen? Nienhoff: Die hochgesunden Zuchttiere müssen sich erst einmal mit den Keimen im Bestand auseinandersetzen. Geschieht dies nicht, können die Jungsauen so schwer erkranken, dass sie z. B. nicht rauschen, Ausfluss oder Husten bekommen und letztendlich nicht tragend werden oder sogar verenden. Um dies zu verhindern, ist die in vielen Fachartikeln beschriebene Eingliederungsphase von mindestens sechs Wochen einzuhalten. In dieser Zeit werden die Jungsauen dann auf den Betriebsstatus „aufgeimpft“. In wenigen Einzelfällen kann auch eine zusätzliche antibiotische Behandlung der Jungsauen von Nöten sein. SUS: Ein Landwirt plant einen Herdenneuaufbau mit PRRS-negativen Jungsauen. Der Vermehrungsbetrieb wirbt mit PRRS-Unverdächtigkeit. Müsste der Lieferbetrieb nicht „PRRS-frei“ sein? Nienhoff: Der Ausdruck „frei“ sollte nicht verwendet werden, da dies bedeuten würde, dass alle Tiere einer Herde zu einem Zeitpunkt untersucht wurden und sowohl in der Antikörperuntersuchung als auch im Direktnachweis des Erregers negativ sind. Bei den Zuchtunternehmen wird natürlich mit Stichproben gearbeitet, so dass eine fachlich korrekte Aussage zum Status der Herde eigentlich nur heißen kann: Wiederholt negativ beprobt oder unverdächtig. Damit ist dann aber das gemeint, was man landläufig unter „frei“ versteht. Es konnten weder Virus noch Antikörper nachgewiesen werden. SUS: Treten hier nicht Missverständnisse auf? Nienhoff: Leider ja! Aussagen wie „Unverdächtig heißt doch nur, dass kein Virus nachgewiesen wurde, wohl aber Antikörper“ sind nicht haltbar und diskreditieren meines Erachtens Zuchtunternehmen, die mit den Zusagen bezüglich des Gesundheitsstatus ihrer Betriebe seriös umgehen. Im Zweifelsfalle lässt man sich die Untersuchungsergebnisse der letzten Jahre oder ein unabhängiges Zertifikat zeigen. SUS: Ein anderer Sauenhalter hat seine PRRS-positive Herde unter Impfschutz gestellt. Wäre es hier nicht sinnvoll, Jungsauen einzustallen, die bereits eine PRRS-Infektion hinter sich haben? Nienhoff: Gerade bei PRRS steckt der Teufel im Detail. PRRS gehört zu den Viren mit enormer genetischer Variabilität. Man muss sich das infizierte Schwein als einen Organismus vorstellen, der von einer Vielzahl geringfügig verschiedener PRRS-Viren besiedelt ist. Meistens setzt sich mit der Zeit in einem Betrieb ein „Stamm“ durch, den man dann durchaus als betriebsspezifisch bezeichnen kann. Kommt über den Zukauf PRRS-infizierter Jungsauen ein anderer „Stamm“ in den Betrieb, kann es zu Problemen kommen. Zum Beispiel könnte ein bestehendes, bis dato funktionierendes, Impfprogramm nicht mehr den gewünschten Erfolg bringen. Hohe Umrauscherraten und klassische klinische Erscheinungen wie lebensschwach geborene Ferkel könnten die Folge sein. Somit gilt: Besser ist der Zukauf von Tieren aus PRRS-unverdächtigen Herden. SUS: Welche Empfehlungen geben Sie hinsichtlich des Spermabezugs? Worauf ist in puncto PRRS-Status zu achten? Nienhoff: Auch mit dem Sperma sind viele Krankheiten, so auch PRRS, übertragbar. Befindet sich ein Eber während der Besamung in einer so genannten Virämiephase, d.h. der Erreger ist zu diesem Zeitpunkt im Blut vorhanden, kann das Virus mit dem Sperma ausgeschieden werden. Dementsprechend versuchen viele Besamungsstationen einen PRRS-unverdächtigen Status zu erlangen und diesen auch z. B. über den SGD zertifizieren zu lassen. SUS: Stichwort Atemwegserkrankungen: Gibt es bezüglich APP Empfehlungen, worauf der Jungsauenkäufer achten sollte? Nienhoff: Probleme gibt es insbesondere bei Aussagen zum APP-Status von Vermehrungsbetrieben. In der serologischen Blutuntersuchung werden selbst Betriebe, die nie ein klinisches Problem mit APP gehabt haben und bei Schlachthofchecks stets gesunde Lungen gesichtet wurden, zum Teil positiv befundet. Versucht man dann den Serotyp zu ermitteln, gelingt dies oft nicht. Aufgrund dieser Problematik haben einige Unternehmen die serologische Untersuchung zum APP-Status mittlerweile aus der Routineuntersuchung genommen und arbeiten mit Schlachthofchecks und bei Husten im Bestand mit Sektionen und kultureller Anzüchtung. Auch bei Untersuchungsergebnissen aus Dänemark gibt es Interpretationsprobleme. Denn der dort verwendete ELISA zur Blutprobenuntersuchung wird nicht in Deutschland eingesetzt. Ein Vergleich zwischen den hier verwendeten Tests und dem dänischen ist schwierig und die Ergebnisse stimmen nicht immer überein. SUS: Wie sieht es in puncto Mykoplasmen aus? Nienhoff: Bei Mykoplasmen gibt es diese tiefgreifende Pro-blematik nicht. Allerdings werden auch hier verschiedene Testsysteme eingesetzt, die untereinander nur schwer vergleichbar sind. Sind die Betriebe aber über längere Zeit, d. h. ein bis zwei Jahre, regelmäßig negativ beprobt und wird keine Impfung durchgeführt, kann man davon ausgehen, dass diese Betriebe unverdächtig sind. Unabhängige Zertifikate gibt es bislang sowohl in puncto APP als auch bezüglich Mykoplasmen nicht. SUS: Bei Dysenterie- und PIA-Problemen gibt es immer wieder heftige Diskussionen zwischen Ferkelerzeugern und Mästern. Kann man sich z. B. bei einem Neuaufbau einer Sauenherde auch in dieser Hinsicht absichern? Nienhoff: Dysenterie wird in der Zuchtstufe eigentlich von allen größeren Unternehmen mittels Kotproben untersucht. Unterschiede bestehen lediglich bei den angewendeten Verfahren. Der sicherste Nachweis ist sicherlich die PCR-Untersuchung nach einer kulturellen Anreicherung. Eine PIA-Unverdächtigkeit wird meist nicht zugesagt. Jedoch liegen den Unternehmen in der Regel Untersuchungsergebnisse vor, die auch dem Tierarzt des Kunden zur Verfügung gestellt werden können. Es sollte zusätzlich nachgefragt werden, ob im Lieferbetrieb regelmäßig gegen PIA behandelt werden muss oder ob ggf. geimpft wird. Entscheidend ist hier, wie hoch der Erregerdruck bei den ausgelieferten Jungsauen ist. SUS: Sollte der aufnehmende Betrieb bei den Zukauftieren stichprobenweise untersuchen lassen, ob sich der zugesicherte Gesundheitsstatus auch tatsächlich wiederfindet? Wer trägt die Untersuchungskosten? Nienhoff: Da die Unternehmen in aller Regel die Gesundheitsdaten ihrer Vermehrungsbetriebe zur Verfügung stellen, trägt grundsätzlich der zukaufende Betrieb die Kosten solcher zusätzlichen Untersuchungen. Solche Untersuchungen können, insbesondere wenn es Probleme mit den angelieferten Sauen gibt, sinnvoll sein. Es gilt aber zu bedenken, dass es „falsch positive“ Ergebnisse geben kann und die Testverfahren zum Teil nicht wirklich vergleichbar sind. Steht ein solcher Befund erst einmal im Raum, ist es schwer, hier eine saubere Klärung herbeizuführen. Somit empfehle ich zusätzliche Untersuchungen „auf der Klappe“ nur bei begründetem Verdacht, da die Kosten für alle Beteiligten schnell in die Tausende gehen können. SUS: Viele Ferkelerzeugerbetriebe haben in letzter Zeit die Genetik und damit den Vermehrungsbetrieb gewechselt. Wie können bei einer Umstellung Risiken vermieden werden? Nienhoff: Bei einem Vermehrerwechsel ist es wichtig, zunächst einmal den Status der eigenen Herde zu kennen. In den meisten Fällen wird der Hoftierarzt hierzu Blut untersuchen. Der Probenumfang sollte entsprechend groß gewählt werden, um auch niedrige Prävalenzen zu erfassen. Ist z. B. nur jedes zehnte Tier Erregerträger, werden mindestens 30 Blutproben benötigt. Für die Ermittlung einer 20 %igen Prävalenz sollten noch 14 Blutproben untersucht werden. Erst wenn der Herdenstatus ermittelt ist, sollte man sich Gedanken zum Gesundheitsstatus der Zukaufsauen und deren Eingliederung machen. SUS: Wer berät in diesen Fragen? Nienhoff: Bei Neuaufbauten oder Genetikwechsel in größeren Anlagen ist dies im Vorfeld mit dem Hoftierarzt sowie dem Tierarzt des Zuchtunternehmens und des Vermehrungsbetriebes abzustimmen. Zusätzlich können neutrale Tierärzte, z. B. vom Schweinegesundheitsdienst, mit zu Rate gezogen werden. Oft ist es nach Einhaltung entsprechender Quarantäne-Vorschriften möglich, den neuen Vermehrungsbetrieb vor der ersten Belieferung zu besuchen. SUS: Was ist, wenn es in einem Vermehrungsbetrieb mit hohem Gesundheitsstatus zu einer Re-Infektion kommt? Nienhoff: Neben dem Problem, dass es in dem einen oder anderen Betrieb doch wieder zu Infektionen kommt, tritt zur Zeit eine andere Problematik in den Vordergrund. Da die serologischen Testverfahren äußerst „sensibel“ eingestellt sind, können immer wieder einzelne Proben „falsch positiv“ sein. Es ist zu wünschen, dass solche Untersuchungsergebnisse offen zwischen dem Hoftierarzt und dem Tierarzt des Zuchtunternehmens diskutiert werden und eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens entsteht. Kein Zuchtunternehmen kann es sich heutzutage noch leisten, Unwahrheiten über den Status seiner Betriebe zu verbreiten. Auf der anderen Seite sind die Unternehmen auch gefordert, solche positiven Einzelbefunde nicht spontan als „falsch positiv“ abzutun, sondern diese sorgfältig abzuklären und das Ergebnis der Zweituntersuchung anschließend zeitnah intern zu kommunizieren. SUS: Wir danken für das Gespräch!