Die betäubungslose Kastration ist ab 2019 verboten. Welche Wege zur Schmerzausschaltung gibt es? Die Klinik für Schweine in München hat neue Ergebnisse.
Beim Thema Ferkelkastration stehen die Schweinehalter in Deutschland zunehmend mit dem Rücken zur Wand. Denn ab Ende 2018 greift das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration. Dies ist im Tierschutzgesetz verankert.
Auch der deutsche Lebensmitteleinzelhandel macht Druck. So hat nach Aldi Süd kürzlich auch Rewe mitgeteilt, dass man ab 2017 kein Fleisch von betäubungslos kastrierten Schweinen mehr vermarkten wird. Vermutlich ziehen weitere LEH-Ketten nach.
Schmerzmittel nur Zwischenlösung
Derzeit ist die Kastration in Deutschland nach Einsatz eines Schmerzmittels erlaubt. Diesen Weg haben die Fachverbände mit der Politik und der QS-GmbH abgestimmt. Jedoch ist die Kastration unter Schmerzmittel nur als Übergangslösung definiert. Es sollen bessere Methoden entwickelt werden.
Als vielversprechende Alternative galt lange Zeit die Ebermast. Doch zeichnet sich immer mehr ab, dass bei einem Ebermastanteil von knapp 10 % in Deutschland bereits eine Marktsättigung erreicht ist. So lehnen große Teile unseres Lebensmittelhandels Fleisch von Jungebern nach wie vor ab. Marktkenner berichten in den letzten Monaten sogar von einer weiter sinkenden Akzeptanz von Eberfleisch im LEH.
Auch die Kastration per Spritze konnte sich bislang in Deutschland nicht durchsetzen. Zwar gibt es in Brasilien und Australien gute Erfahrungen mit dem Präparat Improvac, das eine Rückbildung der Hoden herbeiführt. Doch bei uns findet Fleisch von entsprechend behandelten Schweinen derzeit keine Akzeptanz beim Lebensmittelhandel.
Wie Schmerzen ausschalten?
Große Hoffnungen ruhen daher auf neuen Lösungen zur Kastration unter Schmerzausschaltung. Bereits im Jahr 2013 hat die Tierärztliche Hochschule Hannover Untersuchungen mit dem Narkosegas Isofluran gemacht. Dieses setzen Schweizer Landwirte seit einigen Jahren zur Kastration ein.
Auch in Deutschland haben Praxisstudien die Machbarkeit der Kastration mithilfe von Isofluran bestätigt. Allerdings konnte bislang keine Freigabe des Narkosegases zur Anwendung durch die Landwirte erwirkt werden. So fällt Isofluran in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz und darf nur vom Tierarzt verabreicht werden. Auch in puncto Anwenderschutz ist Isofluran aufgrund seiner gesundheitlichen Risiken kritisch zu sehen.
Die Klinik für Schweine an der Universität München hat daher im letzten Jahr weitere Untersuchungen zur Ferkelkastration unter Schmerzausschaltung gestartet. Auftraggeber war das Landwirtschaftsministerium in Bayern. Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen einer Promotionsarbeit von Caroline Amirtahmaseb.
Für die Studie mussten die Tierärzte zunächst einen Wirkstoff auswählen, der für die Frühkastration von Ferkeln geeignet ist. Hierbei standen vier Zielvorgaben im Fokus:
- Gute Schmerzreduzierung bzw. Ausschaltung bei chirurgischen Eingriffen.
- Die Ferkel sollen nach dem Eingriff sofort wieder mobil sein.
- Das Präparat soll künftig durch den Landwirt einsetzbar sein.
- Die Kosten der Kastration sollen nicht zu stark steigen.
Diese teils gegensätzlichen Ziele machten die Auswahl eines Schmerzmittels sehr schwierig. Die Wahl fiel dann auf den Wirkstoff Butorphanol.
Versuche mit Butorphanol
Das Schmerzmittel Butorphanol gehört zur Gruppe der Opioide. Es hat in Deutschland u. a. eine Zulassung für Kleintiere und Pferde. Letztere gehören zu den Lebensmittel-liefernden Tieren, was Vorteile für die Zulassung beim Schwein verspricht.
Zudem ist von anderen Tierarten bekannt, dass Butorphanol eine starke Schmerzlinderung ermöglicht. Dabei schaltet das Mittel das Bewusstsein nicht aus. Das heißt: Die Ferkel sind nach dem Eingriff beweglich, können Milch aufnehmen und unterliegen keiner erhöhten Erdrückungsgefahr.
Mit Hinblick auf den Einsatz durch den Landwirt bietet Butorphanol den Vorteil, dass es kein Suchtpotenzial hat. Eine Zulassung für den Einsatz durch den Landwirt wäre damit möglich.
Aufgrund der guten Rahmenbedingungen hat die Universität München beschlossen, einen Praxisversuch zum Einsatz von Butorphanol zur Kastration bei Saugferkeln durchzuführen. Die Erhebung der Cortisolwerte erfolgte in einem 130er-Sauenbestand, der als Versuchsbetrieb zur TU München gehört.
Für die Untersuchungen wurden die Mastferkel einer klassischen bayerischen Herkunft in vier gleich große Gruppen aufgeteilt:
- In Gruppe eins wurde 35 Minuten vor dem Eingriff Butorphanol injiziert. Es folgte keine Kastration, sondern nur das Einspannen in das Kastrationsgerät.
- Gruppe zwei erhielt 35 Minuten vor der Kastration eine Kochsalzlösung, um die Injektion nachzuahmen.
- In Gruppe drei wurde Butorphanol 35 Minuten vor Kastration verabreicht.
- Gruppe vier erhielt neben Butorphanol das Schmerzmittel Meloxicam.
Zu Bewertung der Schmerzausschaltung wurde den Tieren an fünf Zeitpunkten kurz vor bis 24 Stunden nach dem Eingriff Blut abgenommen und der Gehalt an Cortisol bestimmt. Das Stresshormon dient als indirekter Indikator für Schmerzen.
Ergebnisse sind ernüchternd
Die vorläufigen Ergebnisse sind ernüchternd. So konnte Butorphanol keine nennenswerte Senkung des Stresshormons Cortisol im Blut der Ferkel erwirken. Die mit Kochsalzlösung als Placebo behandelten Tiere zeigten ähnlich hohe Gehalte an Cortisol wie die mit Butorphanol behandelten Tiere (siehe Übersicht).
Auch der zusätzliche Einsatz des Schmerzmittels Meloxicam konnte die Cortisolwerte nicht nennenswert senken. Relevant sind vor allem die Messungen 30 und 60 Minuten nach der Kastration.
Aus den Cortisolwerten lässt sich ableiten, dass Butorphanol keine ausreichende Schmerzlinderung bei der chirurgischen Kastration erzielte.
Um das Ergebnis zu überprüfen, wurden im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp zudem sogenannte Laut-Messungen durchgeführt. Hierzu wurden die Ferkel vorab in das Kastrationsgerät eingespannt und das Schallmuster ihrer Laute digital aufgezeichnet. Anschließend wurde das Schallmuster während der Kastration aufgezeichnet. Hierbei erhielten die Ferkel entweder Kochsalzlösung, Butorphanol oder Butorphanol plus Schmerzmittel verabreicht.
Die Laut-Analyse bestätigte die Ergebnisse der Cortisol-Messungen. So konnte auch aus der Laut-Messung keine nennenswerte Senkung des Schmerzempfindens durch Butorphanol abgeleitet werden.
Die Versuchsleiter kommen damit zu einem klaren Ergebnis: Butorphanol ist nicht geeignet, um die Schmerzen bei der chirurgischen Kastration beim Saugferkel adäquat zu lindern.
Eine mögliche Erklärung ist, dass das Medikament nicht an den idealen Rezeptoren für die Anwendung bei der Ferkelkastration ansetzt. So ist bekannt, dass Butorphanol in seiner schmerzlindernden Funktion je nach Tierart sehr unterschiedlich wirkt. Bei Saugferkeln wurde Butorphanol erstmals getestet.
Gibt es Alternativen?
Abschließend bleibt die Frage, ob alternative Präparate für die Schmerzausschaltung bei der Kastration infrage kommen. Die Münchner Wissenschaftler prüfen derzeit mögliche Wege. Doch insbesondere die Zielvorgabe nach der Einsetzbarkeit durch den Landwirt schränkt die Auswahl der Präparate stark ein. Einen konkreten Ansatz gibt es momentan noch nicht.
Auch die in Holland praktizierte CO2-Narkose ist aus Sicht der Münchner Tierärzte nicht zielführend. Denn die mit der CO2-Narkose verbundenen Erstickungsängste der Ferkel sind mit dem Tierschutz nicht vereinbar.
Jetzt bleibt abzuwarten, wie die Politik die Erkenntnisse zur Schmerzausschaltung bei der Ferkelkastration bewertet. Der Bundesrat hat für 2016 einen Zwischenbericht angefordert. Je nach Einschätzung der Politiker wäre das für Ende 2018 festgesetzte Verbot der betäubungslosen Kastration dann noch verschiebbar. Ob der politische Wille hierfür besteht, ist aber fraglich.
Fazit
Die Klinik für Schweine in München hat umfangreiche Untersuchungen zur Ferkelkastration mit Schmerzausschaltung gemacht. Der geprüfte Wirkstoff Butorphanol konnte jedoch keine ausreichende Schmerzlinderung erzielen.
Derzeit wird geprüft, ob es alternative Präparate zur Schmerzausschaltung gibt. Allerdings wird die Mittelauswahl insbesondere dadurch erschwert, dass auch die Verabreichung durch den Landwirt möglich sein soll.