Die Versorgung kranker Tiere stellt höchste Ansprüche. Worauf es besonders ankommt, haben uns zwei Amtstierärzte erklärt.
Michael Werning, SUS
Wer Tiere betreut, kommt unvermeidlich mit Krankheiten und Verletzungen in Kontakt. Zu den moralischen und ethischen Verpflichtungen, als verantwortliche Person schnell und angemessen zu reagieren, kommt in der Nutztierhaltung der Aspekt der Lebensmittelsicherheit hinzu.
Dies ist eine große Verantwortung, derer sich die Betriebe bewusst sind. Als gesetzliche Maßstäbe dienen in der Praxis das Tierschutzgesetz sowie die Tierschutztransport- bzw. die Tierschutz-Nutztierhaltungs-Verordnung.
Um deren Einhaltung und darüber hinaus die Qualität des eigenen Krankheitsmanagements abzusichern bzw. auszubauen, sollten Sie Ihr eigenes Handeln regelmäßig auf Herz und Nieren prüfen. Das verleiht Sicherheit im Ernstfall, und man ist jederzeit für unangemeldete Kontrollen gewappnet.
Kontrollblätter mit Bildern
Der Grundstein eines erfolgreichen Krankheitsmanagements wird durch die tägliche Bestandskontrolle gelegt. Viele Schweinehalter gehen hier über den gesetzlichen Standard, der mindestens einen Kontrollgang pro Tag vorschreibt, hinaus und nehmen jedes Tier während der klassischen Fütterungszeiten am Morgen und am Abend in Augenschein. Während der gesundheitlich kritischen Phasen, wie beispielsweise der ersten Tage der jungen Absetzferkel in der Aufzucht, wird die Frequenz häufig erhöht.
Besonders in der Großgruppenhaltung und bei einem Fressplatzverhältnis jenseits der 1:1 ist beim Betreuer Sorgfalt und Erfahrung gefragt. Um die Qualität der Tierkontrolle zu sichern, bietet es sich an, auf tierbasierte Indikatoren und Kennzahlen zurückzugreifen. Diese sollten objektiv, mit geringem Aufwand, erfassbar und umsetzbar sowie möglichst aussagekräftig sein (siehe Übersicht 1).
Im Rahmen der direkten Tierkontrolle zählen dazu beispielsweise das Liegeverhalten oder die Kotkonsistenz. Zu den Leistungsdaten, die Rückschlüsse auf die Gesundheit des Bestandes zulassen, gehören unter anderem die Tierverluste oder die Umrauschquote. Sind betriebsindividuelle Problembereiche bekannt, ist die Kontrollliste entsprechend zu ergänzen.
Bei der täglichen Begutachtung der Tiere die einzelnen Prüfpunkte abzuhaken, sorgt für Kontinuität und Sicherheit. Des Weiteren werden inzwischen viele Schweinebetriebe durch mehr oder weniger erfahrene Fremdarbeitskräfte oder Auszubildende unterstützt. In diesem Fall bietet es sich an, die Kontrollblätter zusätzlich mit beispielhaften Fotografien der gängigsten Krankheiten zu versehen. Darüber hinaus obliegt es der Verantwortung des Tierhalters, dass das Betreuungspersonal regelmäßig und im ausreichenden Maße geschult wird.
Eindeutige Diagnose wichtig
Ist ein erkranktes Schwein ausgemacht, gewährt die eigene Fachkenntnis und Erfahrung dem Betreuer einen gewissen Handlungsspielraum. In Abhängigkeit davon, ob über die Art der Erkrankung absolute Klarheit herrscht und die Mittel für eine Therapie zur Verfügung stehen, kann eine telefonische Konsultation des Bestands-tierarztes ausreichen, um mit der Behandlung beginnen zu können.
Gegebenenfalls kann es hilfreich, diesen via Smartphone mit Fotos vom erkrankten Schwein bzw. dessen gezeigten Symptomen ins Bild zu setzen. Kommen bei einer Ferndiagnose nur die geringsten Zweifel auf, ist ein zeitnaher Betriebsbesuch unumgänglich.
Indes ohne gültige Verschreibung des Tierarztes Arzneimittel bei Tieren einzusetzen, die für die Lebensmittelerzeugung bestimmt sind, ist nicht erlaubt. Das gilt auch in Notfällen, wie beispielsweise dem Auftreten einer akuten Schwanzbeißverletzung. Hier ist zwar zum Wohle des Tieres schnelles Handeln geboten. Dies bezieht sich aber auf eine frühzeitige Separation, nicht auf die gesetzeswidrige Anwendung von Medikamenten.
Sorgfältige Dokumentation
In jedem Fall ist darauf zu achten, dass die therapeutischen Maßnahmen genauestens dokumentiert werden. Wechseln die Betreuer und es wird aus Unwissenheit eine notwendige Anschlussbehandlung nicht durchgeführt, kann dies den Therapieerfolg bzw. die Gesundheit des Tieres massiv gefährden. Nicht zu vergessen das Risiko, versehentlich ein medikamentiertes Tier innerhalb der Wartezeit zur Schlachtung zu geben.
Ein auffälliges oder bereits behandeltes Tier ist aus diesem Grund auch optisch klar zu kennzeichnen. Gerade wenn mehrere Tiere in einer Bucht gleichzeitig behandelt werden, ist ein einheitlicher Markierungs-Code anzuwenden. So kann beispielsweise ein Querstrich ein auffälliges Tier signalisieren, während ein Längsstrich bereits eine erfolgte Behandlung bedeutet. Zusätzlich kann mit verschiedenen Farben gearbeitet werden. Auch hier fördert eine bebilderte Erklärung das Verständnis und die Routine bei unerfahrenen Arbeitskräften.
Verbleib oder Separation?
Die Entscheidung, ob das kranke, verletzte oder kümmernde Tier aus der Gruppe genommen werden muss, ist innerhalb der Reaktionskette (siehe Übersicht 2) sehr sensibel auszuloten. Nicht zu unterschätzen ist dabei das Risiko, dass bereits nach wenigen Tagen vollständiger Trennung von der Gruppe eine Re-Integration scheitern könnte.
Allen voran ist die Frage zu klären, ob ein Verbleib in der Gruppe dem Tier zusätzliche Schmerzen und Leiden zufügen würde. Darauf folgen weitere Entscheidungskriterien:
- Kann sich das Schwein ausreichend bewegen und in der Gruppe behaupten?
- Kann es unter diesen Umständen Futter und Wasser aufnehmen?
- Besteht die Gefahr der Krankheitsübertragung auf andere Tiere der Gruppe?
- Ist bei Separation und Umstallung ins Krankenabteil mit einer schnelleren Genesung zu rechnen?
Entscheiden Sie sich für eine Separation von der Gruppe, ist die Umstallung in eine Krankenbucht unverzüglich vorzunehmen. Wo diese liegt, kann betriebsindividuell bestimmt werden. Sie kann sowohl in einem Krankenabteil, als auch im Herkunftsabteil des Tieres liegen. Bei Letzterem ist zu bedenken, dass dies eine reibungslose Rein-Raus-Belegung des Abteils behindern könnte.
Um im Ernstfall die Verfügbarkeit zu gewährleisten, sind Krankenbuchten bzw. -abteile im Normalbetrieb nicht zu belegen. Zwar gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für die Anzahl der Krankenbuchten. Dennoch sollten Sie gemessen am Gesamtbestand Platz für mindestens 1% der Tiere bereithalten.
Krankenbucht ausgestalten
Bei der Unterbringung von Schweinen im Krankenstall sind neben den gesetzlichen Haltungsanforderungen weitere Auflagen zu erfüllen. So sollte in den Krankenabteilen die Möglichkeit bestehen, ausgesonderte Tiere in Einzelhaltung aufstallen zu können. Den Sichtkontakt zu anderen Schweinen müssen Sie allerdings auch dabei gewährleisten.
Genauso ist der Boden mit einer weichen Einstreu oder Unterlage zu versehen und sehr jungen Tieren ist eine Wärmequelle bereitzustellen. Bei der Versorgungstechnik müssen Sie darauf achten, dass die benachteiligten Tiere auch wirklich Futter und Wasser aufnehmen können. Eine Bodenfütterung oder höhenverstellbare Tränken stellen hier praktikable Lösungen dar.
Um den Problemen bei der Wiedereingliederung zu entgehen, können auch mobile Krankenbuchten zum Einsatz kommen. Dabei wird das auffällige Tier durch extra einsetzbare Abtrennungen innerhalb der Gruppenbucht separiert. Weil es sich weiterhin mit den anderen Tieren einen Trog teilt, reißt der soziale Kontakt nicht ab.
Allerdings ist sicherzustellen, dass durch die Abtrennung eines Teilbereiches inklusive Tränknippels, kein Ungleichgewicht in der restlichen Bucht entsteht. Außerdem ist auch in einer mobilen Krankenbucht ein weicher Boden Pflicht.
Der Versorgungsgang im Herkunftsabteil ist dagegen kein geeigneter Ort für ein krankes oder verletztes Tier. Hier werden die Anforderungen an die Futter- und Wasserversorgung, die Bodengestaltung und das Klima nicht erfüllt. Zudem behindert eine solche Zweck-entfremdung des Ganges die Kontrolle der anderen Tiere.
Intensive Betreuung
Aufgrund ihrer labilen Gesundheit sind Schweine im Krankenabteil häufiger zu kontrollieren. Im Rahmen der üblichen Rundgänge ist darauf zu achten, dass die Kontrolle der kranken Tiere erst zum Schluss erfolgt. Das reduziert die Übertragungsgefahr für den gesunden Restbestand.
Unabhängig davon, ob das behandelte Tier sich noch in der Gruppe oder im Krankenabteil befindet, ist dessen Allgemeinzustand sorgfältig zu prüfen. Tiere, die unter Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates leiden, müssen Sie unter Umständen auftreiben. Nur so lässt sich eine fundierte Einschätzung zum Genesungsverlauf anfertigen.
Stellt sich nach Behandlungsbeginn nicht in absehbarer Zeit ein Therapieerfolg ein, ist erneut der Tierarzt einzuschalten. Dieser kann gegebenenfalls die Diagnostik verfeinern und einen Behandlungsplan ausarbeiten. Liegt dazu eine detaillierte Dokumentation zu den bereits erfolgten Maßnahmen vor, spart dies Zeit und Geld.
Ist eine merkliche Verbesserung des Allgemeinbefindens festzustellen, sollte der Betreuer mit der Re-Integration des Tieres nicht lange warten. Je kürzer die Isolationsdauer ausfällt, desto geringer ist die Gefahr von Rangordnungskämpfen. So oder so ist die Wiedereingliederung in den ersten Stunden sorgsam zu überwachen.
Transportfähigkeit gegeben?
Setzt kein Genesungsprozess ein und die Behandlungsmöglichkeiten sind ausgeschöpft oder waren aufgrund der Schwere der Erkrankung nie gegeben, ist zeitnah über eine Schlachtung oder Tötung des Tieres zu entscheiden.
Für Ersteres kommen nur Schweine mit leichten Erkrankungen oder Verletzungen sowie ohne Rückstandsbelastungen infrage. Außerdem müssen Sie sorgsam beurteilen, ob eine Transportfähigkeit gegeben ist. Tritt das Tier nur noch mit drei Läufen auf oder ist es sogar nicht mehr in der Lage dazu, alleine aufzustehen, kann davon keine Rede mehr sein. Bei größeren Mastdarmvorfällen, schweren Bissverletzungen oder umfangreichen Nabelbrüchen verhält es sich genauso.
Sind Sie sich in schwierigen Fällen unsicher, sollten Sie zur Beurteilung Ihren Bestandstierarzt hinzuziehen. Sind die Bedingungen für einen Transport gegeben, ist der Schweinehalter dazu verpflichtet, den nächstgelegenen Schlachthof anzufahren. Alternativ können in einigen Regionen mobile Schlachteinrichtungen auf den Hof bestellt werden. Dafür muss aber bei der Tötung ein Tierarzt anwesend sein.
Tötung als letzte Konsequenz
Kommt eine Schlachtung nicht infrage, ist eine Nottötung unverzüglich und tierschutzgerecht durchzuführen. Derjenige, der die Betäubung und Tötung des Tieres durchführen soll, muss über die erforderliche Sachkunde verfügen. Außerdem muss eine physische und psychische Eignung vorliegen. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, ist diese Aufgabe dem Tierarzt zu übertragen.
Als Ort der Nottötung kann die Krankenbucht genutzt werden. Nach der Durchführung sollte man noch 10 bis 30 Minuten verstreichen lassen, bevor der sichere Tod des Tieres festgestellt und der Kadaver unverzüglich aus dem Stall entfernt wird.
Fazit
- Das Krankheitsmanagement ist ein empfindlicher Aspekt der Schweinehaltung. Verschiedene Verordnungen stellen dafür den gesetzlichen Rahmen dar.
- Tierbeobachtungen und Behandlungen sind sorgsam zu dokumentieren. Individuell ausgearbeitete Checklisten leisten dabei Hilfestellung.
- Kranke und verletzte Tiere sind zu separieren und in speziell ausgestalteten Krankenbuchten unterzubringen.
- Setzt kein Genesungsprozess ein, ist über eine Schlachtung oder Tötung zu entscheiden.
- Das Krankheitsmanagement ist regelmäßig zu hinterfragen und abzustimmen. Nur so blickt man Kontrollen entspannt entgegen.