Die Kombination aus Stresnil und CO2-Betäubung kann ein gangbarer Weg zur Euthanasie nicht lebensfähiger Ferkel sein. Dies zeigt eine Praxisstudie aus Thüringen.
Bei jeder Form der Ferkelproduktion treten sogenannte „lebensschwache Ferkel“ auf. Hierbei handelt es sich zumeist um Tiere, die bereits deutlich kleiner und schwächer als ihre Wurfgeschwister zur Welt kommen.
Diese Ferkel sind nicht in der Lage, genügend Kolostrum aufzunehmen und sterben in der Regel nach wenigen Stunden. Geübtes Stallpersonal erkennt diese Tiere zuverlässig und selektiert sie.
Dies ist − sofern es tatsächlich aussichtslos ist, diese Tiere zu „retten“ – durchaus im Sinne des Tierschutzes. Denn es wird erkennbares Leiden vermieden. Letztlich handelt es sich dabei immer um Einzelentscheidungen.
Wird alles getan?
Aus Gründen des Tierschutzes und der Wirtschaftlichkeit muss stets alles unternommen werden, auch schwächeren Ferkeln einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Es verstößt gegen das Tierschutzgesetz, gesunde, „überzählige“ Ferkel zu töten.
Trotz aller Anstrengungen lässt es sich jedoch nicht vermeiden, dass stets eine gewisse Zahl nicht lebensfähiger Ferkel auftreten wird. Übertragen auf die gesamte Branche ergibt sich eine größere Zahl von Tieren, die selektiert werden müssen. Das Thema, wie man mit diesen Ferkeln umgeht, hat deshalb eine hohe ethische und moralische Bedeutung.
In vielen Betrieben wird die Tötung dergestalt durchgeführt, dass die Tiere mit dem Kopf auf eine Kante oder auf den Boden geschlagen werden. Trotz massiver Verletzungen sind die Tiere bei diesem Vorgehen zunächst nur betäubt und nicht tot. Die Ferkel müssen also zusätzlich entblutet werden. Dazu kommt die mangelnde Treffsicherheit, sodass es in einigen Bundesländern nur erlaubt ist, einen schweren Gegenstand zum Tier hinzuführen, z. B. Hammerschlag, und daraufhin zu entbluten. Eine weitere Alternative stellt das Betäuben mit einem Bolzenschussapparat und das anschließende Töten mit einem Rückenmarkzerstörer dar.
Bei all diesen Möglichkeiten erscheint jedoch die Treffsicherheit und damit die Wirksamkeit der Betäubung zweifelhaft. Weiterhin ist zu bedenken, dass die Verletzungsgefahr für das Stallpersonal hoch ist. Hin-zu kommt eine nicht zu unterschätzende psychische Belastung.
CO2-Betäubung weiterentwickeln
Als Alternative bietet sich die Betäubung bzw. Tötung per CO2 an. Dabei handelt es sich um ein zugelassenes und zuverlässiges Verfahren. CO2 wirkt jedoch nicht sedierend, sodass die Ferkel nach Einbringen in eine 80-prozentige CO2-Umgebung zunächst Atemnot und Erstickungsanfälle erleiden.
Diese sogenannten aversiven Reaktionen (Lautäußerungen, Drängen nach oben, Fluchtversuche) dauern tierindividuell unterschiedlich lange zwischen 10 und 90 Sekunden. Solche Eindrücke laufen nach unserer Ansicht dem Tierschutzgedanken zuwider, stellen eine Belastung für die Mitarbeiter dar und sind letztendlich auch öffentlich kaum vermittelbar. Deshalb ist die alleinige CO2-Betäubung nach Meinung des Autors abzulehnen.
Ziel einer Studie war es, dieses Verfahren zu verbessern. Dabei wurden zwei Ansätze verfolgt: Zum einen wurde untersucht, inwieweit Helium als Gas zur Betäubung bzw. Tötung geeignet ist. Helium soll deutlich besser verträglich als CO2 sein und die Schleimhäute nicht reizen.
Zum anderen wurden die Ferkel vor einer CO2-Begasung sediert. Dies geschah mittels Injektion von Azaperon (Stresnil). Dieses Präparat ist zur „Behandlung von Stresszuständen bzw. zur Stressprophylaxe“ beim Schwein zugelassen. Azaperon erhöht zudem die Atemtiefe, sodass mehr Luft bzw. Gas pro Zeit aufgenommen werden kann.
Apparatur selbst konstruiert
In Kooperation des Fachdienstes Veterinär- und Lebensmittelüberwachung des Landkreises Schmalkalden-Meiningen (Thüringen) mit einer 4 000er-Sauenzuchtanlage wurden von September bis Dezember 2014 sechs Untersuchungstermine wahrgenommen. Die Besuche fanden jeweils freitags statt. Dabei wurden stets vier bis zehn zu tötende Ferkel für die Studie genutzt.
Für die erste Versuchsvariante wurde Helium aus einer 10 Liter-Druckflasche über einen Schlauch in eine selbst konstruierte Box aus einem stabilen Rahmen (L = 60 cm, B = 30 cm, H = 60 cm) und Plexiglas geleitet. Der untere Bereich war mit einer Klappe ausgestattet, durch die die Ferkel in die Box eingebracht wurden. Im Inneren befand sich ein Korb, der die Ferkel aufnahm und der über einen Flaschenzug in die Höhe gezogen werden konnte. Im oberen Bereich wurde ein Sauerstoffmessgerät installiert.
Die Kammer wurde zunächst mit Helium geflutet, das leichter als Luft ist und somit nach oben steigt. Es wurde so viel Gas eingebracht, bis der Sauerstoffrestgehalt weniger als 2 % betrug. Daraufhin wurden die Ferkel in den Korb gesetzt und in die Höhe gezogen, sodass die Tiere in eine annähernd 98-prozentige Helium-Atmosphäre verbracht wurden. Dort wurden sie zehn Minuten belassen.
In der zweiten Versuchsvariante wurden die Tiere mittels CO2 betäubt. Dies geschah entweder in einer handelsüblichen Box oder in einer Fixiervorrichtung, in der das Gas per Maske zugeführt wurde. Mindestens 15 Minuten bevor die Tiere in die CO2-Atmosphäre verbracht wurden, wurde den Ferkeln je 0,5 ml Stresnil intramuskulär appliziert.
Filmsequenzen ausgewertet
Die Ferkel wurden gefilmt und die Reaktionen ausgewertet: Wurden die nicht lebensfähigen Ferkel mit Helium betäubt, zeigten sie ähnlich deutlich aversive Reaktionen wie nach dem Verbringen in eine CO2-Atmosphäre. Diese schienen tendenziell etwas schwächer ausgeprägt als bei der Verwendung von CO2, dauerten dafür aber grundsätzlich länger (bis zu 120 Sekunden).
Wurden die Tiere durch CO2 betäubt und vorher mittels Azaperon (Stresnil) sediert, waren hingegen kaum aversive Reaktionen zu beobachten. Die meisten Tiere verhielten sich vollkommen ruhig, wenn sie dem Gas ausgesetzt wurden. Die Tiere äußerten keine Laute und es waren keine Bewegungen auszumachen. Nach drei Minuten waren in der Regel keine Reflexe mehr zu beobachten, nach zehn Minuten stand das Herz irreversibel still.
Diese Form der Ferkeltötung wird in der beschriebenen Sauenzuchtanlage seit Anfang 2015 routinemäßig praktiziert (Arbeitsanweisung an die Mitarbeiter) und bewährt sich seitdem in der praktischen Erfahrung.
Fazit
Das Töten nicht lebensfähiger Ferkel ist als ein Konfliktfeld in der Sauenhaltung anzusehen, insbesondere in Zeiten einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit. Als Alternative zu herkömmlichen Praktiken bietet sich das Betäuben und Töten in Gasboxen an.
Es konnte festgestellt werden, dass Helium statt CO2 als Betäubungsgas keine Verbesserung hinsichtlich der Abwehrreaktionen bringt. Hingegen lässt eine vorgelagerte Sedierung mittels Azaperon (Stresnil) die Tiere bei einer CO2-Betäubung deutlich ruhiger werden. Unerwünschte aversive Reaktionen bleiben fast vollständig aus. Die Tiere „schlafen ruhig ein“.
Eine solche Sedierung ist einfach durchführbar und kostengünstig (ca. 15 ct/Tier). Die Kombination stellt nach unserer Einschätzung eine deutliche Verbesserung des Tierschutzes dar.