Trotz Impfschutz kommt es gelegentlich zu PRRS-Durchbrüchen. Hilft in einem solchen Fall, den Impfstoff zu wechseln? Woran ist zu denken?
Dr. Hendrik Nienhoff, Schweinegesundheitsdienst Hannover
Seit der Entdeckung von PRRS im Jahr 1990 und den ersten großen Seuchenzügen hat sich viel getan. Umfangreiche diagnostische Möglichkeiten wurden aufgebaut und die Virusstämme charakterisiert. Auch wurden die „Zielzellen“ ermittelt, Impfstoffe entwickelt und Sanierungskonzepte erarbeitet.
Trotz alledem hat man es bisher nicht geschafft, das Virus aus den schweinedichten Regionen zu verdrängen. Insbesondere bei hohem Druck durch andere Krankheitserreger scheinen die PRRS-Probleme trotz Impfung nur schwer beherrschbar zu sein.
Hartnäckige PRRS-Viren
Es gibt viele Gründe, warum PRRS so schwer in den Griff zu bekommen ist:
Verschiedene Typen: Eine Herde kann von verschiedenen PRRS-Stämmen bzw. Subtypen besiedelt sein, die unterschiedliche Kliniken hervorrufen können. Man unterscheidet zwischen dem Genotyp aus Europa (EU-Typ) und Nordamerika (US-Typ) sowie ihren Subtypen. In Osteuropa findet man inzwischen mehrere Subtypen des EU-Stammes, während in Westeuropa bislang nur der EU-Subtyp 1 auftritt.
Wandlungsfähigkeit: Das in den Körper eingedrungene Virus verändert sich ständig. So ist ein infiziertes Schwein von einer Vielzahl geringfügig verschiedener PRRS-Viren besiedelt. Die Variabilität der Viren gegenüber dem Ausgangszustand nimmt mit jeder Tierpassage zu.
Erregerpersistenz: Nach der Infektion „versteckt“ sich das Virus in der Zielzelle, den Lungenmakrophagen. Zum einen präsentiert sich das Virus kaum auf der Oberfläche, sodass die Immunabwehr mitunter nicht stimuliert wird. Zum anderen kann es auf diese Weise in den Schweinen überleben. Dies erklärt die sog. Erregerpersistenz, das Überdauern des Krankheitserregers im Tier.
Übertragungsweg Luft: Neben der Ansteckung über Tierkontakt und Vektoren können PRRS-Viren nachweislich auch über die Luft übertragen werden. Allerdings wird auch beobachtet, dass positive und negative Herden direkt nebeneinander liegen, ohne dass es zum Virusübertritt kommt. Möglicherweise ist dies auch eine Frage, zu welchem Stamm der Erreger gehört.
Schwieriges Feld Diagnostik
Da es sich bei der PRRS-Infektion um ein durchaus kompliziertes Geschehen handelt, ist auch die Diagnostik nicht gerade einfach. Hier unterscheidet man zwischen dem Nachweis von Antikörpern per ELISA, dem Erreger-Nachweis per PCR und der Sequenzierung von Stämmen. Als Material für die PCR eignen sich Blut, Speichel aus Kaustricken sowie bei der Sektion gewonnenes Organmaterial. Die Anzahl Proben ist abhängig von der Fragestellung sowie der Bestandsgröße und -struktur.
Der ELISA ist im Rahmen der Routinediagnostik zwar noch immer das Verfahren der Wahl. Die Aussagekraft der Ergebnisse sind aber begrenzt. So ist eine Unterscheidung zwischen US- und EU-Genotyp ebenso wenig möglich wie zwischen Impf- und Feldvirus. Auch kann aus Höhe und Verlauf der Antikörpertiter nicht sicher auf einen zurückliegenden Infektionszeitpunkt oder auf die Qualität der durch Impfung hervorgerufenen Immunantwort geschlossen werden.
Beim direkten Erregernachweis per PCR ist eine Unterscheidung zwischen US- und EU-Genotyp möglich. Zudem gelingt über die Gensequenzierung oder mittels DV-PCR die Differenzierung von Feld- und Impfvirus. Doch auch hier können Probleme beim Interpretieren der Ergebnisse auftreten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Laborprotokolle teils unterschiedlich sind. Zudem besteht die Gefahr falsch negativer Ergebnisse, da aufgrund der erheblichen genetischen Variabilität des Erregers die spezifischen Startsequenzen für den Test unterschiedlich sein können.
Impfstoffe und -konzepte
Auf vielen Zuchtbetrieben gehört die PRRS-Impfung zum Standard. Zumeist werden Lebendimpfstoffe eingesetzt. In Übersicht 1 (Seite 32) werden die aktuell verfügbaren Vakzinen aufgeführt. Sie unterscheiden sich u.a. hinsichtlich der verwendeten Impfstämme. Der Verwandschaftsgrad zwischen Impfstamm und Virus im Betrieb lässt allerdings keine direkten Rückschlüsse auf die Wirksamkeit des Impfstoffs zu.
Auch unterscheiden sich die Impfkonzepte, insbesondere bei den Sauen. Die Palette reicht von viermonatiger Blockimpfung über das 6/60-Schema, bei dem am 6. Tag nach der Geburt sowie am 60. Trächtigkeitstag geimpft wird, bis hin zu reproduktionsbezogenen Impfungen.
Auch die Impfung bietet keine 100%ige Sicherheit. Selbst in geimpften Beständen können einzelne Infektionen stattfinden. Oft laufen diese im Verborgenen ab, ohne dass klinische Erscheinungen sichtbar werden. Treten größere Probleme zu Tage, sind diese zeitnah und mit der notwendigen Sorgfalt und Ausdauer zu analysieren.
- Zunächst ist zu klären, ob das Problem durch weitere Erreger mitverursacht bzw. verschärft wird.
- Im nächsten Schritt wird geprüft, ob der Betrieb PRRS-stabil oder -instabil ist. Zu diesem Zweck werden zehn Proben von Sauen, abgesetzten Ferkeln und Masttieren per PCR auf Feldvirus untersucht (siehe Übersicht 2).
- Liegt bereits eine Sequenzierung von im Betrieb vorhandenen Stämmen vor, ist über eine aktuelle Untersuchung festzustellen, ob es zu einer Einschleppung eines „neuen“ PRRS-Stammes gekommen ist.
Maßnahmen-Katalog
Andere Erreger kontrollieren: Stellt sich geraus, dass das Krankheitsgeschehen nicht ausschließlich durch PRRS verursacht ist, sollten Sie versuchen, den zweiten Erreger ebenfalls unter Kontrolle zu bringen. Wie dies im Einzelfall zu erreichen ist, hängt vom jeweiligen Erreger ab. Zur lückenlosen Bekämpfung sollte der Hoftierarzt einen Plan zur Kontrolle des Krankheitserregers aufstellen. Dies kann z.B. über Impfmaßnahmen sichergestellt werden.
Herde über Biosicherheit stabilisieren: Steht aufgrund der Untersuchungen fest, dass die Herde PRRS-instabil ist, ist die Stabilisierung des Betriebes durch Managementmaßnahmen ein weiterer wichtiger Baustein bei der Beherrschung der Erkrankung. Hier gibt es verschiedenste Protokolle, z.B. das amerikanische McREBEL-Programm oder der von der Fa. Boehringer vorgestellte 5-Punkte-Plan.
Hilfreich ist auch der von der Universität in Gent entwickelte Biosecuritycheck. Dieser ist kostenfrei auf der Internetseite biocheck.ugent.be durchzuführen. Häufige Probleme liegen in der Jungsaueneingliederung, dem Pig-Flow und Eintragsquellen wie z.B. der Verladerampe.
Eventuell Impfstoffwechsel: In Einzelfällen, z.B. wenn ein „neuer“ Stamm im Betrieb Probleme macht, kann es sinnvoll sein, den PRRS-Impfstoff zu wechseln. Hierbei gibt es allerdings Folgendes zu bedenken. Bei 90 bis 95% der Stämme „funktionieren“ alle im Markt verfügbaren Lebendimpfstoffe.
Da über Diagnostik nicht direkt die Wirksamkeit spezieller Impfstoffe überprüft werden kann, ist ein Wechsel immer Versuch und Irrtum. Aufgrund dieser Unsicherheit sollten erst alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft werden, bevor über einen Impfstoffwechsel nachgedacht wird.
Fazit
Insbesondere in viehdichten Regionen gibt es auch in geimpften Herden immer wieder PRRS-Probleme. Diese sind genauestens zu analysieren und unter Kontrolle zu bringen.
Es gibt verschiedene PRRS-Impfstoffe am Markt. Die Hoffnung, bei Problemen schnell durch einen Impfstoffwechsel zum Erfolg zu kommen, erweist sich in vielen Fällen als trügerisch.
Aber auch bei einem Impfstoffwechsel sollten die „Hausaufgaben“ hinsichtlich anderer Erreger und interner sowie externer Biosecurity nicht vergessen werden.