Wer die Absetzferkel optimal betreuen will, braucht Zeit und solides Wissen über verschiedene Krankheiten. Eine Checkliste hilft, die tägliche Gesundheitskontrolle zu optimieren.
Dirk Oldenhage, Praxis an der Maiburg, Bippen
Der Einsatz von Antibiotika bei Schweinen steht zunehmend im Fokus der öffentlichen Diskussionen. Vor allem in der Ferkelaufzucht sollen die antibiotischen Behandlungen weiter zurückgefahren werden.
Diese Forderung ist nur dann zu erfüllen, wenn die Ferkel gesund eingestallt werden sowie die Haltung und Fütterung optimiert sind. Doch selbst dann kann es zu Erkrankungen kommen. In diesem Falle gilt es, die betroffenen Ferkel sicher zu erkennen und entsprechend zu therapieren. Hierbei spielt die Qualität der täglichen Tierkontrolle die entscheidende Rolle.
Absetzen gut vorbereiten
Die Gesundheitsvorsorge beginnt bereits beim Saugferkel. Das Ziel ist, gesunde und gleichmäßig entwickelte Ferkel abzusetzen. Nicht aufzuchtwürdige Tiere sind noch vor dem Umstallen in die Aufzucht zu merzen. Um Anhaltspunkte für die Ferkelqualität zu erhalten, sollten die Absetzgewichte regelmäßig erfasst werden.
Auch das Absetzalter spielt eine Rolle. Je älter die Ferkel sind, desto weniger problematisch gestaltet sich in der Regel das Absetzen. Denn sowohl die Entwicklung des Verdauungssystems als auch die Reifung des Immunsystems sind stark vom Alter der Ferkel abhängig. Im Alter von 21 bis 35 Tagen hat die Menge der maternalen Antikörper bereits abgenommen. Gleichzeitig ist die eigene Immunität des Ferkels noch nicht voll ausgebildet. In dieser Phase sind die Ferkel besonders gefährdet, zu erkanken (siehe Übersicht).
Einige Betriebe kombinieren z.B. das Ohrmarken einziehen mit dem Absetzen. Diese Arbeiten sind einige Tage vorher abzuschließen. Auch etwaige Ferkelimpfungen sollten fünf, besser sieben Tage vor dem Absetztermin durchgeführt werden.
Das Absetzen selbst ist ebenfalls möglichst ohne Stress durchzuführen. Dabei wird zunächst die Sau aus dem Abteil ausgestallt. Die Ferkel sollten dann mit Ruhe aus den Buchten getrieben werden, wobei die Treibgänge sauber, rutschfest und ohne Hindernisse sein sollten. Laufen die Ferkel z.B. über Betonspalten und erleiden Verletzungen, sind diese in der Regel sehr schmerzhaft, neigen zur Entzündung und schwächen das Ferkel. Sind die Wege zu lang oder zum Treiben ungeeignet, sollten die Ferkel besser gefahren werden.
Hygiene optimieren
Neben der Vermeidung von Stress am Absetztag ist auf optimale Hygiene zu achten. Grundsätzlich ist eine räumliche Trennung des Abferkel- vom Aufzuchtbereich zu empfehlen. In diesem Falle erfolgt der Zugang zum Flatdeck über eine separate Hygieneschleuse. Hier finden Mitarbeiter und Besucher für die Ferkelaufzucht eigene Stiefel und Overalls, welche sich im Idealfall farblich von denen im Sauenbereich unterscheiden.
Auch der Vorgang des Absetzens sollte nach dem Prinzip der Infektkettenunterbrechung gestaltet werden. So muss eine Person die Ferkel zum Aufzuchtstall bringen, wo sie an einer definierten Übergabestelle von einer zweiten Person angenommen werden. Ein Zurücklaufen der Ferkel ist hier zu verhindern. Tiere oder Gegenstände dürfen nicht zurück in den Sauenbestand!
Im Sinne der Infektketten-Unterbrechung darf es auch keine Vermischung von Altersgruppen geben. Zum einen werden alle Ferkel einer Sauengruppe abgesetzt. Zum anderen sollten die frisch abgesetzten Ferkel ohne Kontakt zu älteren Tieren in separate Abteile aufgestallt werden.
Im Idealfall werden die Ferkel dort wurfweise verteilt. Sind die Buchten im Flatdeck größer, sollten Ferkel aus möglichst wenigen Würfen gemischt werden. Eine andere Strategie ist, annähernd gleich schwere Ferkel aus möglichst wenigen Würfen zusammen-zubringen. Aus Gründen der Übersichtlichkeit haben sich Buchtengrößen von 25 bis max. 30 Tieren bewährt.
Es versteht sich von selbst, dass die Abteile erst nach gründlicher Reinigung und Desinfektion zu belegen sind. Auch hier sind die Gänge und Treibwege einzubeziehen. Ein Becken zum Waschen der Hände und der Gebrauchsmaterialien wie Injektionsspritzen muss vorhanden sein. Aus hygienischer Sicht sind Einmalhandschuhe unbedingt zu empfehlen.
Werden Transportfahrzeuge eingesetzt, sind diese sofort nach Gebrauch zu säubern und zu desinfizieren. Ebenso sollten diese vor dem Einsatz nochmals desinfiziert werden. Denn wenn das Fahrzeug über Wochen gestanden hat, ist es bereits wieder kontaminiert.
Kontroll-Abläufe festlegen
Neben der Stressvermeidung und den hygienischen Bedingungen spielen auch die Fütterung und Haltung eine wesentliche Rolle, ob die Ferkel die erste Phase der Aufzucht gesund überstehen. Ganz entscheidend dabei ist die Gesundheitskontrolle, die täglich, morgens und abends, stattfinden sollte. Die wichtigsten Punkte sind in der untenstehenden Check-Liste aufgeführt.
Zuständigkeit: Optimal ist, wenn ein Hauptbetreuer Tag für Tag die Entwicklung der Tiere einschätzt. Dieser sollte ein Auge für das Tier haben, also Veränderungen erkennen und bewerten können. Zudem ist eine weitere Person für die Vertretungsfälle zu benennen und kontinuierlich über wesentliche Dinge in Kenntnis zu setzen.
Zeit: Die Kontrolle sollte mit ausreichender Ruhe durchgeführt werden. Nur so werden Krankheiten frühzeitig erkannt und können ggf. behandelt werden. Wichtig ist, dass der Check von Routinearbeiten wie Füttern entkoppelt wird und nach festgelegtem Schema abläuft. Dabei fängt man bei der jüngsten Gruppe an. Die Kontrolle der älteren Ferkel und der Tiere im Resteabteil erfolgt immer zum Schluss. Je 1000 Plätze sind eine halbe Stunde einzuplanen.
Liegeverhalten: Schon vor dem bzw. beim Betreten des Abteils ist auf das Liegeverhalten der Ferkel zu achten. Liegen die Ferkel übereinander, so ist es zu kalt. Fühlen sich die Ferkel wohl, so liegen sie in Bauch-Brustlage nebeneinander oder ausgestreckt in Seitenlage. Hier haben sich Sichtfenster im Zentralgang bewährt.
Alle Ferkel auftreiben
Auftreiben: Nachdem das Liegeverhalten der Ferkel beurteilt wurde, werden die Ferkel aufgetrieben. Jedes Ferkel, welches jetzt nicht augenscheinlich munter, aufmerksam und neugierig durch die Bucht läuft, wird gesondert untersucht. Um einen guten Überblick zu erhalten, sollte man insbesondere bei Großgruppen in die Buchten steigen. Ferkel, welche nicht von alleine aufstehen, bzw. sich nur kurz erheben und wieder hinlegen, sind verletzt oder haben Fieber.
Kot: Jeder Ferkelaufzüchter sollte auch die Kotkonsistenz und -farbe im Blick haben. Denn bei Problemen verändern sich diese sofort. Neben der wichtigsten Aufgabe des Darms, der Nährstoffaufnahme, stellt er das größte Immunorgan des Körpers dar. Auch die Verdreckung der Tiere und Buchten sollte in Augenschein genommen werden.
Husten/Schniefen: Wird die Tiergruppe aufgetrieben, kommt es nach kurzer Zeit zur Beruhigung. Sofern es nicht schon vorher zu hören war, ist dies der Moment, in dem Husten und Schniefen als Indikator für Atemwegsinfektionen am besten wahrgenommen werden können. Hier istder zeitlichen Verlauf zu sehen. Ist der Husten stärker ausgeprägt und bei mehr Tieren vorhanden als am Tag zuvor?
Hautverletzungen: Ein weiteres Kriterium ist die Hautfarbe und das Borstenkleid. In diesem Zusammenhang ist auch auf Verletzungen und Nekrosen zu achten. Bei Problemen mit Kannibalismus empfiehlt es sich, die Schwänze genau anzuschauen. Um Anhaltspunkte zu erhalten, sollten buchtenweise die Anzahl verletzter Schwänze und die Schwere der Verletzungen regelmäßig erfasst werden.
Abweichungen notieren
Dokumentation: Insbesondere bei wechselnden Betreuungspersonen ist es wichtig, Befunde und Besonderheiten zu dokumentieren. Hier haben sich Abteilkarten bewährt. Es sollten auf den Abteilkarten alle für die Ferkelgruppen relevanten Daten und Maßnahmen ab der Geburt vermerkt sein. Hierzu zählen Abferkel- und Absetzdatum, Ferkelgewichte, Impfungen oder antibiotische Behandlungen der Saugferkel. Angaben zu Verlusten mit Verlustursache und Behandlungen der Ferkel oder der Gruppen im Flatdeck dürfen ebenfalls nicht fehlen.
Nur wenn diese Dokumentation erfolgt, kann im Nachhinein nachvollzogen werden, wie sich eine geänderte Maßnahme bei den Saugferkeln auf die Gruppe im Flatdeck ausgewirkt hat.
Wasserverbrauch: Als Indikator für die Kontrolle der Tiergesundheit kann die Futter- und Wasseraufnahme der jeweiligen Tiergruppe herangezogen werden. Wobei die Wasseraufnahme bereits zurückgehen kann, bevor es zu klinischen Erscheinungen kommt. Die technische Voraussetzung ist eine Wasseruhr pro Abteil bzw. Tiergruppe und das Erfassen der aufgenommenen Wassermengen zu der jeweils gleichen Uhrzeit. Sinkt die Wasseraufnahme unter einen festzulegenden Grenzwert, so sind die Tiere gesondert zu untersuchen. U.a. sollte die Rektaltemperatur bei mehreren Ferkeln gemessen werden.
Fieberkontrolle: Bei auffälligen Tieren bzw. bei Erkrankungen ganzer Tiergruppen ist das Fieberthermometer als wichtiges Instrument zur Gesundheitskontrolle hinzuzuziehen. Bei gesunden Ferkeln liegt die Rektaltemperatur bei 39,2 bis 39,6°C.
Rückkopplung: Um einer gewissen Betriebsblindheit vorzubeugen, hat es sich bewährt, den Gesundheits-Check regelmäßig, z.B. mit dem Hoftierarzt, durchzuführen. Auf dem gemeinsamen Rundgang kann das Wissen zu den verschiedenen Krankheiten und den Vorbeugemaßnahmen vertieft werden.
Kranke Ferkel behandeln
Behandeln heißt in diesem Zusammenhang nicht automatisch die Gabe von Antibiotika! Bei ersten Anzeichen einer Infektion oder bei einer Leistungsdepression als Anzeichen einer bevorstehenden Erkrankung stehen diverse Möglichkeiten bereit. Der Verlauf eines solchen Ereignisses kann mittels ätherischer Öle, ASS, Vitamine, Schleimlöser oder homöopathischer Arzneimittel positiv beeinflusst werden.
Des Weiteren ist im Rahmen der Minimierung des Antibiotikaeinsatzes die Einzeltierbehandlung wieder mehr in den Vordergrund gerückt. Werden erkrankte Ferkel früh genug erkannt und ggf. in eine Krankenbucht separiert, so kann häufig auf Gruppenbehandlungen verzichtet werden. Behandlungen folgen dem Prinzip „so viel wie nötig, so wenig wie möglich“.
Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass auf notwendige Behandlungen von Tiergruppen verzichtet werden darf. Drohen durch eine klinische Erkrankung Tierverluste oder sind solche bereits zu verzeichnen, stellt ein Nichtanwenden von Antibiotika ein tierschutzrelevantes Vorgehen dar.
Fazit
Die Gesundheitskontrolle in der Ferkelaufzucht beginnt bereits beim Saugferkel und wird durch Faktoren wie das Hygienekonzept, das Gruppenmanagement, die Lüftung, die Wasser- und Futterversorgung beeinflusst.
Der Mensch als Betreuer der Tiere ist ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Gesunderhaltung der Ferkel. Ausreichend Zeit, systematisches Vorgehen nach festen Handlungsabläufen und Kontinuität sind hier gefragt.
Erkrankte Tiere sind schon aus Gründen des Tierschutzes zu behandeln. Bei frühzeitigem Erkennen kann häufig auf eine Gruppenbehandlung verzichtet werden.