Die meisten antibiotischen Behandlungen werden in der Ferkelaufzucht durchgeführt. Welche Faktoren den Einsatz beeinflussen, zeigt eine Dissertation an der TiHo Hannover.
Der Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren steht zunehmend im Fokus der öffentlichen Diskussion. Viele Menschen haben Angst, dass tierische Produkte oder das Grundwasser mit multiresistenten Bakterien belastet sind.
Unumstritten ist, dass jede Gabe eines Antibiotikums die Entwicklung von bakteriellen Resistenzen fördern kann. Dies stellt sich nicht nur bei den Zielbakterien so dar, sondern auch bei anderen Bakterien, die sich ständig im und auf dem Tier befinden.
Das Ziel muss also sein, die Entwicklung resistenter Bakterien zu minimieren, damit Antibiotika auch zukünftig als sicheres Werkzeug zur Behandlung von bakteriellen Infektionskrankheiten bei Mensch und Tier zur Verfügung stehen.
Oft Gruppenbehandlungen
Gerade in der Ferkelaufzucht finden viele Antibiotika-Anwendungen statt. Um herauszufinden, welche Faktoren die Behandlungen beeinflussen, wurden Daten aus 39 Betrieben gesammelt. Die Schweinehalter wurden von ein und derselben Tierarztpraxis betreut.
Die Erhebung der Betriebsstrukturen erfolgte mittels eines Fragebogens. Der Antibiotika-Einsatz wurde rückblickend anhand der Arzneimittel-Anwendungs- und Abgabe-Belege (AuA) aus den Wirtschaftsjahren 2011 und 2012 verfolgt.
Um die Betriebe vergleichen zu können, wurde der von Prof. Dr. Thomas Blaha entwickelte Tierbehandlungsindex (TBI) berechnet. Dieser gibt wieder, an wie vielen Tagen eines definierten Zeitraums die Tiere einer bestimmten Gruppe durchschnittlich mit Antibiotika behandelt worden sind.
Auffällig war der mit 96 % hohe Anteil oraler Gruppenbehandlungen. Allerdings gab es auch Betriebe, die bis zu 28 % der antibiotischen Behandlungen am Einzeltier und per Injektion durchführten.
Im Schnitt lag der TBI bei 18,8, wobei die Streubreite groß war. So wiesen sieben Betriebe einen sehr hohen TBI von über 30 auf, während acht Betriebe mit wenig Antibiotika (TBI unter 10) auskamen.
Ferkelverluste einbeziehen
Zunächst einmal zeigten die Auswertungen, dass ein niedriger TBI nicht immer gleichzusetzen ist mit einer hohen Tiergesundheit. Dies wird deutlich, wenn man parallel zum TBI die Tierverluste betrachtet.
Auf den sieben Betrieben mit einem hohen TBI von über 30 waren durchschnittlich 2,1 % der Ferkel verendet. Hier lag die geringste Mortalitätsrate bei 1,2 %, die höchste betrug 3,1 %. Bei den acht Betrieben mit einem TBI von unter 10 lag die Mortalitätsrate hingegen im Schnitt bei 3,4 %! Die geringste Verlustrate betrug 1,4 %, die höchste sogar 7,2 %.
Insbesondere die drei Betriebe mit den geringsten TBI-Werten (3,4, 4,0 und 5,2) wiesen mit 7,2 %, 5,1 % und 5,9 % deutlich erhöhte Mortalitätsraten auf (siehe Übersicht 1). Dies lässt vermuten, dass notwendige Behandlungen zu spät erfolgten.
Somit gibt es diese Betriebstypen:
- Auf den „wirklich guten“ Betrieben bedarf es aufgrund eines hohen Gesundheitsstatus mit niedriger Mortalität kaum antibiotischer Therapien.
- Es gibt aber auch Betriebe, die offensichtlich mithilfe eines hohen metaphylaktischen oder frühzeitigen therapeutischen Antibiotika-Einsatzes eine geringe Verlustrate sicherstellen.
- Einige Betriebe setzen wenig Antibiotika ein, nehmen aber aufgrund eines schlechten Gesundheitsstatus hohe Verluste in Kauf.
- Zuletzt sind die Betriebe zu nennen, die einen hohen TBI und eine erhöhte Mortalitätsrate aufweisen. Vermutlich werden die Erkrankungen viel zu spät erkannt und therapiert.
Betriebsstruktur beachten
Der Antibiotika-Einsatz wird auch von der Betriebsstruktur beeinflusst. Während in der Gruppe mit geringem Antibiotika-Verbrauch 75 % der Be-triebe im geschlossenen System arbeiten, liegt die Rate in der Gruppe mit hohen Therapiehäufigkeiten nur bei 43 %. So gehörten ein spezialisierter Ferkelaufzuchtbetrieb sowie eine Aufzucht mit angeschlossener Mast zur Gruppe „TBI über 30“ (s. Übersicht 2, Seite 24).
Der Kombibetrieb hat den Vorteil, dass die Informationswege zwischen Maßnahme und der Erfolgskontrolle entlang der gesamten Aufzucht- und Mastphase kurz sind. Doch auch in einer Direktbeziehung können der Mäster und der Ferkelerzeuger ebenfalls Maßnahmen gezielt absprechen sowie ein regelmäßiges Feedback vereinbaren.
Auch der Effekt der Betriebsgröße wurde untersucht. Tendenziell war die Bestandsgröße der Betriebe in der Gruppe mit einem TBI von unter 10 geringer als die der Betriebe mit einem hohen Antibiotika-Einsatz. Allerdings gab es auch hier Ausnahmen, zumal auch in anderen Studien festgestellt wurde, dass in großen Betrieben die Tiergesundheit bzw. die Biosecurity nachweislich besser ist. Dies sind gute Voraussetzungen, Infektionen vorzubeugen und weniger Antibiotika einsetzen zu müssen.
Die Entfernung zum nächsten Betrieb scheint in diesem Zusammenhang eher eine Rolle zu spielen. So befanden sich Betriebe mit einem hohen TBI durchschnittlich 250 m vom nächsten und 836 m vom zweitnächsten schweinehaltendem Betrieb entfernt. Bei den Betrieben mit geringem TBI lag der Abstand zum nächsten Schweinebestand im Schnitt bei 783 m, zum zweitnächsten Betrieb bei 1 250 m.
Insbesondere für Atemwegserreger ist eine Luftübertragung nachgewiesen. Die Lage von mehreren Betrieben innerhalb eines Radius von 500 m wird aus seuchenhygienischer Sicht besonders kritisch gesehen.
Säugezeit hat Einfluss
Auf den ersten Blick überraschend wurde auf Betrieben mit niedrigem TBI weniger geimpft als auf Betrieben mit hohem TBI (siehe Übersicht 3). Hier ist zu bedenken, dass auf diesen Betrieben von einem sehr hohen Infektionsdruck auszugehen ist. In Beständen mit einem geringeren Infektionsdruck und folglich einem besseren Gesundheitsstatus kann daher auch auf die eine oder andere Impfung verzichtet werden.
Interessanterweise arbeiten 75 % der Betriebe mit geringem Antibiotika-Einsatz im 3-Wochen-Rhythmus mit einer 28-tägigen Säugezeit. Auf Betrieben mit hohem Antibiotika-Einsatz war die Säugedauer in über 50 % der Fälle mit 21 bzw. 24,5 Tagen deutlich kürzer, da diese Betriebe im 2-, 4- oder verkürzten 3-Wochen-Rhythmus arbeiteten.
Über alle Betriebe ergibt sich bei einer 28-tägigen Säugedauer ein durchschnittlicher TBI von 17,1, bei einer 24,5-tägigen Säugedauer beträgt er 19,1 und bei einer 21-tägigen Säugedauer 21,8. Ein Zusammenhang zwischen kürzerer Säugezeit und erhöhtem Einsatz an Antibiotika ist also durchaus erkennbar (siehe Übersicht 4).
Im Zusammenhang mit der Säugezeit und dem Wochenrhythmus kann auch dies bestätigt werden: Je weniger Ferkelgruppen unterschiedlichen Alters sich in der Ferkelaufzucht befinden, desto niedriger ist tendenziell der TBI. So liegt der durchschnittliche TBI der Betriebe, die im 3-Wochen-Rhythmus arbeiten, bei 14,6. Das Schlusslicht mit dem höchsten Durchschnitts-TBI (29,7) bildet der 1-Wochen-Rhythmus mit sieben bis acht Gruppen unterschiedlichen Alters in der Ferkelaufzucht.
Betreuung ist der Schüssel
Die Intensität der Betreuung der Ferkel variierte von Betrieb zu Betrieb sehr stark. Dies wurde an der subjektiv erfassten Motivation der Betriebsleiter als auch an der täglichen Betreuungszeit festgemacht. Letztere schwankte zwischen 4 und 100 Sekunden pro zehn Flatdeckplätze.
Auch die Anzahl der für die Betreuung der Ferkelaufzucht verantwortlichen Personen hatte einen Einfluss. So kümmerte sich in den Betrieben mit einem geringen Antibiotika-Einsatz vor allem eine Person um die Ferkel, in manchen Beständen auch zwei. Auf den Betrieben mit einem erhöhten Bedarf an antibiotischen Behandlungen übernahmen diese Aufgabe bis zu vier Personen (siehe Übersicht 5).
In diesen Fällen kann nicht von einer kontinuierlichen, gleichen Einschätzung des Status quo in der Ferkelaufzucht ausgegangen werden. Dabei ist es wichtig, dass Tag für Tag ein und dieselbe Person die Entwicklung der Tiere im Blick hat und auf Veränderungen sofort reagiert. Gleichzeitig muss ein Vertreter über wesentliche Dinge in Kenntnis gesetzt werden, damit die Gesundheitskontrolle jederzeit sichergestellt ist. Hilfreich ist unter anderem eine lückenlose Dokumentation der Gesundheitsdaten im Stall.
Schlussfolgerungen
Um in der Ferkelaufzucht antibiotischen Behandlungen vorzubeugen, müssen diverse betriebsspezifische Aspekte in Betracht gezogen werden:
- Die Lage von mehreren Schweinebetrieben innerhalb eines recht engen Radius fördern einen hohen Erregerdruck, der jedoch durch Impfmaßnahmen kontrolliert werden kann.
- Über den Mehrwochenrhythmus ist die Anzahl der Altersgruppen im Flatdeck zu reduzieren. Gleichzeitig ist auf das Absetzalter zu achten, wobei längere Säugezeiten in der Tendenz mit geringeren Antibiotika-Verbräuchen in der Ferkelaufzucht einhergehen.
- Wesentlichster Einflussfaktor ist der Landwirt selbst. Ausreichend Zeit für die tägliche Betreuung der Tiere, eine gute Organisation sowie ein solides Wissen um die verschiedenen Krankheiten bestimmen hier den Erfolg.