In einem Pilotprojekt prüfen Erzeugergemeinschaft Osnabrück (EGO) und TiHo Hannover die Kastration mit Isofluran-Narkose. SUS präsentiert die ersten Ergebnisse.Der Plan steht: Ab 2017 will Berlin die betäubungslose Kastration verbieten. Als Alternative wird die Ebermast forciert. Antreiber sind die großen Schlachtkonzerne. Ganz anders ist die Lage vieler kleiner und mittelständischer Fleischbetriebe. Für sie ist die Verarbeitung von Ebern logistisch oft schwer umsetzbar. Zudem fürchtet man Umsatzrückgänge, wenn Eberfleisch ins Sortiment kommt. Neben der Ebermast werden daher Versuche zur Kastration mit Narkose gemacht. Vorreiter ist die Erzeugergemeinschaft Osnabrück (EGO). Im eigenen Schlachthof verarbeitet der Mittelständler gut 500 000 Schweine im Jahr. „Wir vermarkten auch an Fleischerfachgeschäfte. Hier bestehen Vorbehalte gegenüber Ebern“, betont EGO-Beraterin Manuela König. Im Frühjahr hat die zum EGO-Verbund gehörende Erzeugergemeinschaft für Qualitätsferkel (EGF) daher ein Pilotprojekt zur Kastration mit Narkose gestartet. Hierzu wurde eine Genehmigung beim Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sowie beim zuständigen Landesamt eingeholt. Im Rahmen dessen darf Isofluran mit 28 Tagen Wartezeit bei Ferkeln eingesetzt werden. Seit Mitte des Jahres begleitet die Tierärztliche Hochschule Hannover das Projekt. Die Studie läuft in drei Praxisbetrieben mit 200 bis 600 Sauen. Sie kastrieren eine Hälfte der Ferkelgruppe wie üblich und die andere Hälfte unter Isofluran-Narkose. Neben der Praxistauglichkeit soll das Projekt insbesondere die Auswirkungen auf die Tiergesundheit, den Anwenderschutz sowie die Kosten bewerten. Für die Versuche hat die EGF drei Narkose-Geräte in der Schweiz gekauft. Die Geräte sind auf einem Wagen montiert und bieten in der aktuellen Ausführung Platz für zwei Ferkel. Mit der Handhabung der Narkose-Geräte kommen die Praktiker nach kurzer Einarbeitung gut zurecht. So sind die Geräte kompakt gebaut und auch auf schmalen Gängen einsetzbar. Hilfreich ist zudem, dass das Gerät das Narkose-Gas aus flüssigem Isofluran und Sauerstoff automatisch in optimaler Konzentration bereitstellt. Farbige Signal-Lampen zeigen, wann das Ferkel lange genug narkotisiert ist und behandelt werden kann. Wichtig ist aber, dass man die Ferkel im passenden Alter bzw. Gewicht kastriert. Nach bisherigen Erfahrungen ist der dritte Lebenstag mit Ferkelgewichten von bis zu 2,5 kg am besten. „Bei kleinen oder sehr großen Ferkeln besteht die Gefahr, dass die Narkose-Maske nicht sauber am Kopf abschließt“, schildert Petra Schenke, die einen der Pilotbetriebe führt. Gemeinsam mit ihrem Mann Uwe hält sie in Bohmte bei Osnabrück 200 Sauen im geschlossenen System. In puncto Funktionssicherheit ist auch zu beachten, dass das Gerät nicht zu kalt in Betrieb genommen wird. Sonst arbeitet der Verdampfer für das Narkose-Mittel nicht richtig. Petra Schenke schiebt das Narkosegerät daher bei Bedarf schon am Vorabend in den Zentralgang. Die Ferkel vertragen die Narkose gut. Bereits wenige Sekunden nach Freigabe des Narkose-Gases sind sie ganz ruhig. Schon nach 70 Sekunden kann die Kastration beginnen. Danach legen die Praktiker die Ferkel zurück in die Bucht. Ideal ist die Ablage im Ferkelnest oder an der Seitenwand. Hier ist die Gefahr der Erdrückung geringer. In weniger als zwei Minuten nach dem Ende der Narkose wachen die Ferkel auf und sind recht schnell wieder auf den Beinen. „Nach unseren Beobachtungen sind die Ferkel ähnlich schnell zurück am Gesäuge wie die üblich kastrierten Tiere“, schildert Petra Schenke. Das bestätigen auch die Auswertungen der TiHo Hannover in den anderen Pilotbetrieben. Vermehrte Ferkelverluste im Zusammenhang mit der Narkose sind bislang ebenfalls nicht aufgetreten. Vorteile sehen die Praktiker zudem in der größeren Ruhe bei der Kastration. Weil die Ferkel nicht schreien, bleiben die Sauen wesentlich ruhiger. „Auch für mich als Landwirtin ist das Kastrieren entspannter“, schildert Petra Schenke. Auch in puncto Tierschutz schneidet Isofluran positiv ab. So zeigen tierärztliche Untersuchungen der Reflexe, dass die Ferkel bei der Narkose ganz ruhig sind. Die relativ flache und kurze Narkose bewerten Tierärzte als wenig belastend für den Organismus der Tiere. Zu beachten ist jedoch, dass Isofluran zwar das Bewusstsein der Tiere ausschaltet. Das Mittel hat jedoch nur eine geringe Wirkung gegen Schmerzen. „Ähnlich wie bei der Kastration ohne Isofluran sollte daher den Ferkeln etwa 20 Minuten vor dem Eingriff ein Schmerzmittel verabreicht werden. Dies lindert auch die Schmerzen nach der Narkose“, erklärt Tierärztin Anna Tangemann, die den Betrieb betreut. Zu bedenken ist beim Isofluran unbedingt der Anwenderschutz. Zwar wird das Narkose-Gas bereits bei Pferden, Klein-tieren und im Humanbereich erfolgreich eingesetzt. Wichtig ist aber, dass die zulässige Arbeitsplatzkonzentration eingehalten wird. Dauerhafte Überschreitungen können chronische Leberschäden hervorrufen. Schwangere und stillende Mütter sollten generell nicht mit dem Narkose-Gas arbeiten. Zu beachten ist auch, dass Isofluran als starkes Treib-hausgas umweltschädlich ist. Um den Anwender zu schützen, sind alle Narkose-Masken mit einem Absaugschlauch ausgestattet, der in einen Sammelschlauch mündet. Hiermit wird die Abluft mit enthaltenem Narkose-Gas z. B. durch ein Fenster oder den Abluftschacht aus dem Stall geführt. Wenn der Abfluss behindert ist, schaltet das Gerät automatisch ab. Zum Anwenderschutz gehört auch das Sicherheitsventil in den Narkose-Masken. Es gibt das Isofluran erst frei, wenn das Ferkel mit der Nase gegen das Ventil drückt. Risiken bestehen zudem beim Umfüllen des Isoflurans. Dabei ist zu bedenken, dass der Vorratstank des Narkose-Geräts vor jeder Kastration befüllt und danach wieder entleert werden muss. Denn laut Gesetz darf kein Narkosemittel im Betrieb verbleiben. Der Einsatz ist nur im Beisein des Tierarztes zulässig. Um das Entweichen von Narkose-Gas beim Umfüllen zu verhindern, wird die Isofluran-Flasche per Adapterschlauch direkt mit dem Tank des Narkose-Gerätes verbunden. Aus Sicherheitsgründen sollte das Umfüllen dennoch stets an einem gut belüfteten Ort stattfinden. Um die Belastung genauer zu bewerten, hat die EGF Raumluftmessungen an definierten Punkten im Stall sowie am Gerät durchgeführt. Während der Kastration war keine bedenkliche Belastung für den Anwender messbar. Anders beim Umfüllen des Narkose-Gases. Doch auch hier lag die Belastung noch unter dem zulässigen Wert von 80 mg/m3 Raumluft. „Die höchste Belastung haben wir am Abluftschlauch gemessen. Man muss die Abluft daher absolut sicher aus dem Stall führen“, unterstreicht Manuela König. Knackpunkt der Kastration mit Narkose sind auch die Mehrkosten. Bei Einzelbezug schlägt das Narkosegerät mit rund 7 750 € zu Buche. Der Hersteller beziffert die Lebensdauer je nach Anzahl behandelter Tiere auf fünf bis sechs Jahre. Bei 300 Sauen und 27,5 abgesetzten Ferkeln ergeben sich Abschreibungen von 21 Cent je Ferkel. Hinzu kommen umgerechnet 3 Cent je Ferkel für die jährliche Wartung und Reparatur des Gerätes. Für das Narkosemittel und den Sauerstoff sind 22 Cent je Ferkel zu veranschlagen (siehe Übersicht 1). Zu berücksichtigen ist zudem die Mehrarbeit. Diese hängt stark von der Gruppengröße ab. Denn bei Großgruppen fallen die Rüstzeiten weniger ins Gewicht. Wichtig ist auch, wie gut man die 70 Sekunden Wartezeit zur Narkotisierung für andere Arbeiten nutzen kann. Dazu Petra Schenke: „Wir machen die Kastration zu zweit und nutzen die Wartezeit zur Eisengabe, zum Schwanzkürzen und für die Ohrmarken.“ Je nach Ausgangslage bewertet die EGF die Mehrarbeit für den Landwirt auf ein bis drei Minuten je Wurf. Das entspricht Kosten von rund 6 Cent pro Ferkel. Erhebliche Mehrkosten können durch die Vorschrift zur Anwesenheit des Tierarztes entstehen. Im Pilotprojekt wird die Narkose komplett tierärztlich beaufsichtigt. Bringt man diese Position mit 75 € pro Stunde in Ansatz, schlägt das allein mit 0,54 € je Ferkel zu Buche. Von wissenschaftlicher Seite sollte man daher diskutieren, ob anfängliche Schulungen der Betriebsleiter und Stichprobenkontrollen durch den Tierarzt für eine sachgerechte Narkose ausreichend sind. Muss der Tierarzt die Narkose komplett überwachen, beziffert die EGF die zusätzlichen Kosten auf insgesamt 1,06 € je Tier bzw. 2,12 € je männlichem Ferkel. Wobei die Kosten einzelbetrieblich schwanken können. Das Pilotprojekt zeigt, dass die Kastration mit Narkose praktikabel ist. Wobei es Stärken und Schwächen gibt: Die Zukunft der Kastration mit Narkose hängt letztlich davon ab, ob sich die Mehrkosten am Markt einspielen lassen. Pilotprojekt in drei Betrieben Ferkel sind schnell wieder fit Gefahr für den Anwender? Gut 1 € Mehrkosten je Tier Fazit Die Handhabung ist recht einfach. Der Zeitbedarf bleibt im Rahmen, wenn man die Wartezeit z. B. für Ferkelbehandlungen nutzt. Die Ferkel vertragen die Narkose gut. Erhöhte Verluste oder Wachstumsdepressionen sind nicht erkennbar. Die Mehrkosten von gut 1,00 € je Tier sind nicht zu unterschätzen. Knackpunkte sind zudem der Anwenderschutz sowie die Vorschrift zur Anwesenheit des Tierarztes. -Fred Schnippe, SUS-