Wohin steuert die deutsche Piétrainzucht? SUS hat die fünf größten Piétrain-Anbieter und ihre Zuchtprogramme unter die Lupe genommen.Die Mehrzahl der deutschen Ferkelerzeuger setzt die Rasse Piétrain als Endstufeneber ein. Denn dieser ist bei nahezu allen Sauenherkünften anderen Endstufenebern überlegen. Moderne Piétrains haben deutlich an Wüchsigkeit und Rahmen gewonnen, ohne ihre Überlegenheit an Fleischfülle preiszugeben. In den Merkmalen der Fleischbeschaffenheit sind die reinerbig stressstabilen Typen anderen Endstufen-ebern mittlerweile ebenbürtig oder sogar leicht überlegen. Lediglich im intramuskulären Fettanteil verteidigen die Duroc-Linien ihren Spitzenplatz weiterhin unangefochten. Aufgrund der stetigen Weiterentwicklung sind die in Deutschland gezüchteten Piétraineber auch im Ausland gefragt. Andererseits zeigen jüngste Auswertungen, dass auch ausländische Piétrain-Linien leistungsmäßig Boden gutmachen. So stellt sich die Frage, ob die deutsche Piétrainzucht gut genug aufgestellt ist, ihre Spitzenposition zu festigen. In Deutschland gibt es eine Reihe von Organisationen, die Piétrain züchterisch bearbeiten. Von größerer, überregionaler Bedeutung sind die Programme German Piétrain und Bayerische Piétrain aus der Herdbuchzucht sowie die jeweiligen Piétrainzuchten von PIC, BHZP und Topigs. In Übersicht 1 sind die Anzahl Stammsauen und Zuchtbetriebe dieser fünf Zuchtorganisationen aufgeführt. Gemessen an der Anzahl Stammsauen und im Vergleich zur Herdbuchzucht arbeiten die Zuchtunternehmen mit einer eher kleinen Zuchtbasis. Allerdings findet bei Topigs und PIC ein regelmäßiger Austausch der Piétrain-Linien mit deren ausländischen Zuchtbetrieben statt, um z.B. Inzuchtdepressionen zu vermeiden. Die an die Zuchtunternehmen angeschlossenen Betriebe sind im Schnitt deutlich größer. Hieraus ergeben sich Möglichkeiten, die Eigenleistungsprüfung zu standardisieren sowie zusätzliche Merkmale wie die individuelle Futteraufnahme zu erfassen. So liegen relativ früh erste Leistungstendenzen des jeweiligen Ebers selbst und seiner (Halb-)Geschwister bzw. Reinzucht-Nachkommen vor. Die Aussagefähigkeit der erfassten Merkmale wird durch die geringe Anzahl von Prüforten deutlich verbessert. Auch im Bereich der Nachkommenprüfungen treten unterschiedliche Strategien zutage. In Süddeutschland haben die klassischen Stationsprüfungen von Nachkommen trotz mittlerweile etablierter Feldprüfung immer noch einen hohen Stellenwert in der dortigen Herdbuchzucht. Die am Markt frei agierenden Zuchtunternehmen und die Herdbuchzucht im Norden hingegen haben wesentlich stärker auf eine gelenkte Feldprüfung in Praxisbetrieben (PIC, BHZP) gesetzt und/oder nutzen zusätzlich Daten aus der TOP-Genetik-Prüfung von vertraglich angebundenen Besamungsstationen (Topigs). Ebenso wie bei der Leistungsprüfung treten auch bei der Stress-Sanierung Unterschiede auf, auch wenn die Sanierung insgesamt weit fortgeschritten ist. Die meisten NP/(PP)-Eber und Sauen stehen derzeit noch in den Herdbuchpopulationen Bayerns und Baden-Württembergs (siehe Übersicht 1). Dies dürfte vor allem auf regionale Anforderungen des Schlachtschweinemarktes und des Zuchteberexportes zurückzuführen sein. Während der Bestand an reinen PP-Ebern deutschlandweit auch in der Herdbuchzucht zunehmend gegen Null tendiert, nehmen mischerbige NP-Eber nach wie vor eine gewisse Übergangsstellung ein. Nach Aussagen einiger Besamungsstationen werden noch nicht genügend NN-Eber mit vergleichbarem Leistungsprofil am Markt angeboten. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Sensibilität der Verbraucher in Tierschutzfragen dürften sie aber auch zukünftig dem NN-Eber weichen. Auch wenn das Leistungsprofil der Piétrainherkünfte sehr ähnlich ist, werden bei der Zuchtarbeit teils unterschiedliche Akzente gesetzt. Dies zeigt die Gewichtung der Einzelmerkmale in den Bereichen Mast, Schlachtkörperqualität, Fleischbeschaffenheit sowie Vitalität/Robustheit (siehe Übersicht 2). Allerdings ist ein direkter Vergleich der Merkmalsgewichtung aufgrund unterschiedlicher Einzelmerkmale und deren Erfassung nur eingeschränkt möglich. Auch ein individueller Vergleich von Ebern verschiedener Zuchtprogramme scheitert vor diesem Hintergrund. Dies könnte allenfalls durch einen bundesweiten Waren- oder Stichprobentest für Piétrain-Endstufeneber verschiedener Zuchtprogramme sichergestellt werden. Dennoch weist die Analyse der Zuchtziele auf einige interessante Punkte hin: Der zunehmende Wettbewerb macht auch bei Endstufenebern nicht halt. Kooperationen sowie straff organisierte und konsequent auf den Markt ausgerichtete Zuchtprogramme sind die Antwort der deutschen Piétrainzucht. In den fünf Zuchtprogrammen werden im Zuchtziel die Mast- und Schlachtleistung am stärksten gewichtet. Hinzu kommen neue Kriterien wie Vitalität und Einheitlichkeit. Wobei jede Organisation mit einer individuellen Gewichtung der Einzelmerkmale ihre eigenen Akzente setzt. Auch die Einbindung der genomischen Selektion ist in Vorbereitung. Fünf Zuchtprogramme im Vergleich Stressstabile Eber punkten Mastleistung stark gewichtet Ziel: Einheitliche und vitale Schweine Fazit Zunächst einmal wird im Merkmalsbereich Mastleistung i.d.R. die tägliche Zunahme am stärksten gewichtet. Die Futteraufnahme geht direkt (PIC, Topigs) oder indirekt (BHZP, Herdbuchzucht) über die Futterverwertung mit ein. Mit Ausnahme der PIC, die in der Vergangenheit schon sehr stark auf wüchsige Piétrainlinien setzte, kommt den Merkmalen der Mastleistung die größte Bedeutung zu. In der bayerischen Herdbuchzucht wird bei der ohnehin fleischsicheren und typbetonten Ausgangspopulation die Mastleistung gegenüber der Schlachtleistung mit 55 % mehr als doppelt so hoch gewichtet. Die Fleischigkeit wird je nach Zuchtprogramm für den ganzen Schlachtkörper oder über die wertbestimmenden Teilstücke (MFA-Bauch, Schinken- bzw. Lachsgewicht) berücksichtigt. Die Gewichtung der Schlachtleistung am Gesamtzuchtwert schwankt deutlich zwischen den Programmen. Die Fleischqualität wird unterschiedlich definiert. Neben der klassischen pH-Messung gehen auch Merkmale wie intramuskulärer Fettgehalt und Tropfsaftverluste in die Zuchtzielgewichtung ein. Auch hier weist der Bayerische Piétrain aus den vorgenannten Gründen mit 21 % den höchsten Wert auf, während dieser Merkmalskomplex bei den Piétrain-Linien der Zuchtunternehmen nur mit Werten zwischen 2,6 und 5 % in das Zuchtziel mit eingeht. Vitalitätskriterien wie Verlustraten, Anomalien oder Fundamentstabilität werden vor dem Hintergrund zunehmender Bestandsgrößen und zu erwartender Vorgaben im Bereich Tierschutz mit einbezogen. In der Herdbuchzucht geschieht dies derzeit allerdings noch nicht, da man sich aufgrund der schwerer zu standardisierenden und aufwändigen Datenerfassung in kleineren Zuchtbetrieben keinen allzu großen Informationsgewinn verspricht. Vor dem Hintergrund der immer engeren Schlachtkörpervorgaben kommt auch der Ausgeglichenheit der Masttiere immer größere Bedeutung zu. Hier dürften sicherlich organisatorisch straff geführte Zuchtprogramme mit zentraler Eigenleistungsprüfung und breit angelegter Nachkommenprüfung im Feld im Vorteil sein. In der praktischen Zuchtarbeit wird sicher bei allen Zuchtorganisationen versucht, durch die verstärkte Selektion und Auswahl von langen, rahmigen und trockenen Ebern eine Vereinheitlichung im Typ auch bei den Mastendprodukten zu erreichen. Die züchterische Bearbeitung bzw. Anpassung der Zuchtprogramme an die zu erwartende Ebermast unter anderem in Verbindung mit der genomischen Selektion ist bei allen Zuchtorganisationen angelaufen und befindet sich mehrheitlich noch im Versuchsstadium. -Dr. Uwe Clar, LWK Niedersachsen, Bezirksstelle Uelzen-