Bei der Eberauswahl können die Sauenhalter zwischen verschiedenen Herkünften, Labels und Qualitätsklassen wählen. Worauf ist zu achten?
Heinrich Niggemeyer, SUS
Der Vater bestimmt 50% der Genetik eines Mastferkels. Kein Wunder, dass die Sauenhalter beim Spermabezug kritisch darauf achten, welche Leistungen die eingesetzten Eber mitbringen.
Das Angebot der KB-Stationen an Endproduktebern ist vielfältig. Oft liegen umfangreiche Leistungsdaten aus der Stations- und Feldprüfung vor, wichtige Informationsquellen auf der Suche nach den richtigen Vererbern. Zudem kann der Kunde zwischen verschiedenen Qualitätsklassen wählen. Dennoch ist es nicht einfach, die richtigen Eber zu finden.
Piétrain, Duroc und weiße Eberlinien
In Deutschland ist der Piétraineber sehr populär. Etwa 94% aller Besamungen für die Erzeugung von Mastferkeln werden mit Sperma vom Pi-Eber vorgenommen. Insgesamt spielen sechs Herkünfte eine Rolle (s. Übersicht 1).
Hierzu gehören German Piétrain, BHZP 77-Piétrain, PIC-408-Piétrain und SNW-Piétrain Select. Die Leistungsprofile dieser Eber sind sehr ähnlich, was letztlich auch der letzte Düsser Warentest gezeigt hat. Nur marginale Unterschiede traten zu Tage: Während der db.77 bei den Mastleistungen am besten abschnitt, lagen PIC-408-Piétrain und SNW-Piétrain-Select bei den Schlachtkörpermerkmalen leicht vorn.
Zu diesem Quartett gesellen sich zwei weitere Herkünfte dazu. In Bayern gilt der Bavarian Piétrain als sicherer Fleischbringer. Das Gegenstück zum bayerischen Piétrain ist der Maxter-Piétrain von Hypor. Er vererbt viel Wuchs und wird in einigen norddeutschen Betrieben eingesetzt.
Eine Alternative zum Piétrain ist der Duroc-Eber. Dieser findet insbesondere in Nord- und Ostdeutschland Anhänger. Wobei der dänische Duroc Konkurrenz aus Norwegen bekommen hat. Die Unterschiede zwischen den beiden Duroc-Varianten sind noch nicht offiziell getestet. Insider sprechen jedoch davon, dass der Duroc aus Dänemark in puncto Wuchs die Nase vorn hat, während der norwegische Duroc Vorteile bei der Futtereffizienz und der Schlachtkörperbewertung hat. Der Marktanteil der Durocs beträgt ca. 5 %.
Das Eberangebot wird ergänzt um weiße, wuchsbetonte Spezialeber, die jedoch nur von einzelnen Betrieben eingesetzt werden. Dazu zählen unter anderem der PIC-Eber 337 (Chronos), Talent von Topigs und der Premo-Eber aus dem Schweizer Zuchtprogramm. Ihr Anteil am Spermaverkauf wird auf unter 1 % geschätzt.
Die Spermakunden stehen vor der Aufgabe, aus dem umfangreichen An-gebot die richtige Eberherkunft auszuwählen. Hierbei spielt vor allem die Vermarktung der Schlachtschweine eine wichtige Rolle. Denn wer die falschen Eber für den eingeschlagenen Vermarktungsweg auswählt, verschenkt Geld.
Vermarktungsweg entscheidend
Zunächst sollte in die Überlegungen einfließen, ob die Schweine nach Muskelfleischanteil (Nadelklassifizierung) oder Teilstückgewichten (AutoFOM) bezahlt werden. Bei der Nadelklassifizierung und Bezahlung nach MFA ist es wichtig, dass die Endprodukte über einen möglichst großen Rückenmuskel und über wenig Speckauflage verfügen. Aus diesen beiden Kennzahlen wird der MFA-Wert berechnet. Wobei das Speckmaß ein größeres Gewicht bei der Berechnung des Fleischanteils erhält als das Fleischmaß. Da selbst Schweine mit flachen Schinken mit der FOM-Maske gut zurecht kommen, wird der wuchsbetonte Piétrain bevorzugt.
Doch die Tiere sollten tatsächlich mit der Nadel klassifiziert werden. Einige Vermarkter rechnen zwar nach FOM-Maske ab, haben aber die Nadelklassifizierung eingestellt und schätzten den Fleischanteil anhand der Daten aus der AutoFOM-Klassifizierung. In einem solchen Fall muss geprüft werden, ob die Eberempfehlung noch richtig liegt.
Werden die Schweine nach einer AutoFOM-Maske vermarktet, haben weitere Eigenschaften Bedeutung. Zum Beispiel kann die Schinkenausprägung eine Rolle spielen. Bei flachen Schinken wird ein optimales Schinkengewicht von mehr als 18 kg erst bei über 100 kg SG erreicht. Dies erfordert sehr hohe Mastendgewichte, die wiederum aus anderen Gesichtspunkten ungünstig sein können. Deshalb ist hier stärker auf die Schinkenausprägung zu achten.
Neben der Nachfrage nach verstärkter Betonung der Wüchsigkeit verlangt ein gewisser Teil des Marktes die besondere Selektion auf Fleischanteil und Bemuskelung. Dies ist beispielsweise auch dann der Fall, wenn die Schweine an Metzger vermarktet werden. Bei den entsprechenden Abrechnungsmasken fehlt oft eine Begrenzung der Fleischanteile nach oben.
Welche Eber passen zur Sau?
Um möglichst viele maskenkonforme Schweine zu erreichen, sollte auch die Sauengenetik berücksichtigt werden. Einige Sauenherkünfte bringen bereits sehr viel Fleisch mit, andere verkörpern eher den wüchsigeren Typ. So werden Schwächen beim Fleisch-Fett-Verhältnis über den fleischreichen Piétraintyp ausgeglichen, während bei anderen Sauenherkünften eher der wuchsbetonte Piétrain empfohlen wird.
Die Frage, ob Wechselwirkungen bei den Eber- und Sauenherkünften auftreten, sollte der letzte Düsser Warentest klären. Tatsächlich wurden solche zumindest für die Mastleistung gefunden. Um herauszufinden, welcher Eber am besten zur Sau passt, setzen einige größere Betriebe testweise mehrere Eberherkünfte ein und werten die Leistungen der Nachkommen aus.
Nicht zuletzt muss die Genetik auch zur Fütterung der Masttiere passen. Dabei spielen sowohl die Rationsgestaltung als auch Rationierungsmöglichkeiten eine Rolle. Werden z.B. Nebenprodukte über die Flüssigfütterung eingesetzt, kommt es auf das Futter-aufnahmevermögen der Genetik an. Bei der ab libitum-Fütterung am Automaten muss verhindert werden, dass die Kastraten verfetten. Ein Piétrain aus der Gruppe der fleischreichen wäre hier genau der richtige (siehe Übersicht 2).
Qualitätsklassen und Aufpreise
Je nach betrieblichen Voraussetzungen legt sich der Sauenhalter fest, ob er einem fleischigen oder eher wuchsbetonten Piétraintyp vertraut. Im Einzelfall wird möglicherweise auch ein Spezialeber den Vorzug erhalten.
Um den Spermakunden die Eberauswahl zu erleichtern, zeichnen einige Zuchtunternehmen ihre Piétrains mit Labels aus. Anhand der Zuchtwerte werden die jungen Eber in die Gruppen „Wuchs“ oder „Fleisch“ eingeteilt. Die wüchsigen Typen heißen bei PIC z.B. 408 G (growth). Der Hector- von German Piétrain und der Aha-Eber von BHZP verkörpern ebenfalls diesen Typ. Analog gibt es bei jeder Piétrainherkunft auch den fleischigen Typ. Bei Bavarian Piétrain heißt dieser beispielsweise „Goliath“. Topigs arbeiten nicht mit Labels, erstellt aber zusammen mit der Besamung Listen mit Ebern, die anhand der vorliegenden Zuchtwerte Stärken beim Wachstum oder beim Fleisch zeigen.
Nach dieser ersten Einordnung durchlaufen die Eber in der Regel umfangreiche Nachkommenprüfungen. Das geschieht entweder im Feld oder auf Station. Auf diese Weise wollen die KB-Stationen herausfinden, in welchen Merkmalen konkret die Eber Vorzüge haben. Zum einen geht es um die Mast- und Schlachtleistungen. Zum anderen werden auch die Wurfqualitäten und Anomalieraten erfasst.
Die besten Eber werden dann der Premiumklasse zugeordnet, dessen Sperma deutlich teurer vermarktet wird. Der Aufpreis bewegt sich zwischen 0,50 und bis zu 3,00 € je Tube. Spätestens an dieser Stelle ist der Mäster bzw. der Ferkelvermarkter mit ins Boot zu holen. Denn der Mäster profitiert am meisten vom Einsatz der Spitzeneber. Er sollte dementsprechend bereit sein, zumindest einen Teil der Mehrkosten zu übernehmen.
Vatertiere für die Jungebermast
Wer Ferkel für die Jungebermast produziert, sollte dies ebenfalls bei der Eberauswahl berücksichtigen. Da der Masteber per se weniger Speck ansetzt und über dickere Koteletts verfügt als der Kastrat, werden oft wachstumsbetonte Piétrainlinien eingesetzt. Ob auch der Duroc eine Alternative sein kann, bleibt abzuwarten. Denn deren Nachkommen könnten aufgrund der etwas dickeren Speckauflage stärker zu Ebergeruch neigen als Piétrainkreuzungen. Die Geruchsvererbung ist bei der Eberauswahl spätestens dann zu berücksichtigen, wenn die Mäster bei „Stinkern“ zur Kasse gebeten werden.
Bereits heute messen die Zuchtunternehmen routinemäßig die Geruchskomponenten Androstenon und Skatol im Fett, um das Merkmal züchterisch bearbeiten zu können. Auch hofft man auf Fortschritte durch die genomische Selektion. Anhand der Zuchtwerte für Ebergeruch können Eber ausgewählt werden, die für die Ebermast geeignet sind. Die Gruppe der „Geruchsarmen“ heißen bei German Piétrain z.B. Inodorus, bei BHZP 7711 und bei Topigs Nador. Die PIC bezeichnete den Eber Bouquet. Und die geruchsarme Eber-variante der Bavarian Piétrain heißt Piétralon.
Es gibt aber noch weitere besondere Situationen, die eine spezielle Auswahl erfordern. So kann z.B. die Ferkelvitalität ein Kriterium sein. Oder es werden Eber mit guter Fleischqualität gesucht. Ein weiteres Beispiel ist die Coli-F18-Resistenz der Premo-Eber. Angepaart mit reinerbig resistenten Sauen sind die Nachkommen gegen diese gefährliche Krankheit geschützt.
Sperma am besten vorbestellen
Bei der Eberauswahl muss natürlich immer auch die Verfügbarkeit berücksichtigt werden. Wer konkrete Vorstellungen zum Eber entwickelt hat, sollte diese mit seiner KB-Station besprechen und Eberlisten erstellen. Bei der Auswahl helfen die Zuchtberater der Stationen gern.
Einige Kunden schränken bewusst die Anzahl der eingesetzten Eber auf ein Minimum ein, um die Streubreite bei den Masttieren weiter zu verringern. In diesem Falle sind nur sicher geprüfte Eber auszuwählen. Auf jeden Fall sollte der Vermarkter bzw. der Ferkelabnehmer bei den Entscheidungen mit einbezogen werden.
Eine Quote von 80% Wunscheber ist bereits ein guter Wert. Denn die Eber können ausfallen bzw. der Sprungplan kann sich kurzfristig ändern. Die meisten Stationen haben sich auf den Beratungsbedarf eingestellt und den Service bei der Spermabestellung verbessert. Von den festen Bestellungen profitieren die Stationen auch selbst. So wissen sie, welche Ebertypen sie für ihre Kunden einkaufen müssen.
Fazit
- In Deutschland dominiert der Piétrain. Sechs Herkünfte buhlen um die Kunden.
- Bei der Eberauswahl spielen neben der Schlachttiervermarktung die Genetik der Sauen sowie die Fütterung der Mastschweine eine Rolle.
- Innerhalb der Herkünfte werden fleisch- oder wuchsbetonte Typen ausgezeichnet. Nach der Nachkommenprüfung werden die Eber verschiedenen Qualitätsklassen zugeordnet.
- Jeder Spermakunde sollte eine Liste mit Wunschebern aufstellen sowie ein Bestellmuster festlegen.