Wie lässt sich die Qualität der Gesäuge verbessern? Worauf muss der Ferkelerzeuger achten? SUS sprach mit Johannes Hilgers vom Landesverband Rheinischer Schweinezüchter (LRS).SUS: Wie viele Zitzen sollen Jungsauen heute aufweisen? Hilgers: Die zuchttaugliche Sau sollte mindestens 14 funktionsfähige Zitzen aufweisen. Neben der Anzahl der Zitzen kommt es auch auf eine gleichmäßige Verteilung der Striche über das gesamte Gesäuge an. Auch ist auf ein straffes Drüsengewebe zu achten. SUS: Welche konkreten Anforderungen werden beim LRS an die Ebermütter und die eingestallten KB-Eber gestellt? Hilgers: Im modernen Zuchtprogramm wird bei der Merkmalserfassung und Selektion gezielt auf das Gesäuge geachtet. Das derzeitige Zuchtziel liegt bei den vom LRS züchterisch bearbeiteten Mutterrassen bei jeweils acht Zitzen an jeder Gesäugeleiste. Der Einsatz von „Vorhalte-Ebern“ mit mehr als 8/8 Zitzen ermöglicht einen raschen züchterischen Fortschritt in diesem Merkmal. SUS: Wie oft treten Zitzenmängel wie Stülp-, Blind- und Zwischenstriche auf? Hilgers: Heute fallen nur noch etwa 2 % der Sauen wegen Zitzenmängel aus. Diese Quote war früher deutlich höher. Der Rückgang zeigt, dass es eine gewisse genetische Disposition für diese Mängel gibt und dass eine konsequente Selektion auf der väterlichen und mütterlichen Seite lohnt. SUS: Sollte bei den Mutterrassen das Merkmal „Gesäugequalität“ in die Zuchtwertschätzung eingebunden sein? Hilgers: Einige Zuchtunternehmen verfolgen diesen Ansatz, wobei das übergeordnete Ziel die Steigerung der Aufzuchtleistung durch weniger Saugferkelverluste sein muss. Bei immer größer werdenden Würfen müssen nicht nur genügend Zitzen verhanden sein, sondern diese sollten auch von schwächeren Ferkeln gut zu erreichen sein. Ferner wird der Zuwachs an Wurfmasse eine entscheidende Größe werden. Um einen solchen von 70 kg zu erreichen, bedarf es einer Milchleistung von ca. 280 Liter innerhalb von 21 bis 24 Säugetagen. Wer diese Zuchtziele vor Augen hat, wird indirekt auf beste Gesäugequalitäten selektieren. SUS: Wie kann der Ferkelerzeuger eine optimale Gesäugeentwicklung bei den Jung-sauen bis zum ersten Wurf sicherstellen? Hilgers: Reichlich mit Energie versorgte Jungsauen können eine Verfettung der Milchdrüsen aufweisen und erreichen möglicherweise nicht die volle Milchleistung. Letzteres gilt gleichermaßen für zu jung, zu leicht und mit ungenügender Zuchtreife erstbesamte Jungsauen, bei denen unterentwickelte Milchdrüsen auftreten können. SUS: Wie viele Ferkel sollte eine gut entwickelte Erstlingssau aufziehen? Hilgers: Hierbei spielt die Säugeperiode eine wichtige Rolle. Bei Säugezeiten von 21 bis 24 Tagen sollten mindestens zwölf Ferkel angesetzt werden. Das Ansaugen aller Zitzenkomplexe bereits im ersten Wurf trägt zu einer besseren Milchproduktion in den Folgewürfen bei. SUS: Wie sind Gesäugeschäden wie Blutkrusten an den Zitzenspitzen oder Abschürfungen am Gesäuge einzuordnen und was kann man dagegen tun? Hilgers: Blutkrusten an den Zitzenspitzen deuten auf eine starke mechanische Beanspruchung durch die saugenden Ferkel hin. Dieses beobachtet man oft bei den vorderen Zitzen. An den hinteren Gesäugekomplexen hingegen findet man häufiger Abschürfungen. Diese Verletzungen sind Eintrittspforten für Keime und können im schlimmsten Fall Ursache für den Verlust eines Gesäugekomplexes sein. Bei gehäuftem Auftreten sind Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen das Abschleifen von Zähnen ebenso wie das Beifüttern der Ferkel und das Einreiben des Gesäuges mit geeigneten Pflegemitteln.Ursache für Verletzungen am Gesäuge oder an Zitzen können aber auch unebene Übergänge und scharfe Kanten zwischen den Bodenelementen sein. SUS: Einzelne Gesäugekomplexe sind nach einer MMA-Erkrankung oftmals nicht mehr voll leistungsfähig. Studien deuten darauf hin, dass die Anfälligkeit für MMA genetisch verankert ist. Hilgers: Zwar wurden bei verschiedenen Rassen und Genetiken unterschiedliche MMA-Erkrankungsraten festgestellt, dennoch liegt der Schwerpunkt zur MMA-Vorbeuge eindeutig im Management-, Fütterungs- und Hygienebereich. Ob es der Zucht darüber hinaus z. B. über die Nutzung genetischer Tests gelingt, weniger MMA-anfällige Sauen bereitzustellen, bleibt abzuwarten. SUS: Auch im Deck- und Wartebereich treten immer wieder Gesäugeverletzungen auf. Worauf ist hier zu achten? Hilgers: Wenn bei zu enger Kastenstandhaltung liegende Sauen ihre Beine ausstrecken, kann es bei der Nachbarsau zu Hautverletzungen vor allem im hinteren Gesäugedrittel kommen. Im Einzelfall können sich Sauen aber auch selbst verletzen, z. B. beim Aufstehen. Zudem können nicht korrekt verlegte Spaltenelemente, d.h. unebene Übergänge und scharfe Kanten, zu Abschürfungen am Gesäuge führen. SUS: Um in puncto Gesäugequalitäten weiter zu kommen, müssen also Züchter und Ferkelerzeuger ihren Beitrag leisten. Hilgers: Klar ist, dass die Zucht die Gesäugequalitäten weiter verbessern muss. Genauso wichtig ist, dass die Ferkelerzeuger bzw. deren Hoftierärzte entsprechende Gesäugeerkrankungen und Verletzungen minimieren bzw. rechtzeitig behandeln. Nur so sind optimale Würfe und Absetzgewichte sowie eine möglichst lange Nutzungsdauer der Sauen sicherzustellen.