Corona: Superspreading bei Tönnies

Laut einer Studie steckte ein Tönnies-Mitarbeiter aus der Rinderzerlegung Kollegen im Umkreis von bis zu acht Metern an.

Nach dem Corona-Ausbruch im Tönnies-Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück haben Forscher die Übertragung der Krankheit rekonstruiert. Laut ihrer Studie hat ein Mitarbeiter aus der Rinderzerlegung das Coronavirus im Mai verteilt. An der Studie waren Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI), der Uniklinik Hamburg-Eppendorf und des Leibniz-Instituts für Experimentelle Virologie (HPI) beteiligt. Sie konnten nachweisen, dass der Erstinfizierte das Virus auf mehrere Menschen im Umkreis von mehr als acht Metern übertragen hat. Für die Untersuchung wurden die Standorte der Arbeiter bei der Arbeit und die Infektionsketten anhand von Virussequenzen analysiert.

Luftumwälzung gefährlich

Die hauptsächliche Übertragung habe bei Tönnies in einem Bereich stattgefunden, wo die Luft umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt werde, sagte Professor Adam Grundhoff (HPI) in einer Presseerklärung. Zudem gebe es eine geringe Frischluftzufuhr, und es werde anstrengende körperliche Arbeit geleistet. Die Wohnbedingungen der Tönnies-Mitarbeiter spielten demnach offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle.

Auch wurde im Rahmen der Studie nachgewiesen, dass die bei Tönnies gefundenen Virussequenzen zuvor in einem Werk einer Westfleisch-Tochter in Dissen in Niedersachsen ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Bei den Ergebnissen handelt es sich um eine Vorabveröffentlichung, die noch von unabhängigen Experten begutachtet werden muss, bevor der Beitrag im Fachjournal publiziert wird.

Abstand allein reicht nicht

Die Wissenschaftler halten es darum für sehr wahrscheinlich, dass die Lüftungsbedingungen in den Hallen generell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielen: „Unter diesen Bedingungen ist ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.“

Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Gesundheitsministers Karl-Josef Laumann stehen mehr als 2.100 Corona-Infektionen im Zusammenhang mit dem Tönnies-Schlachthof. Bei weiteren 67 Fällen ist ein Zusammenhang möglich. Tönnies hat in der Zerlegung inzwischen neue Filter-Anlagen installiert und die Produktion wieder aufgenommen.