Unsere Autorin: Esther Wurm, BRS-Bonn
Die Zahl der rechtlichen Vorgaben und Auflagen für Schweinehalter steigt von Jahr zu Jahr. Das gilt nicht nur auf europäischer Ebene, sondern auch auf nationaler. Jüngstes Beispiel sind die angekündigten Verschärfungen beim Thema Kupierverbot. Die Bundesregierung plant im Rahmen der Überarbeitung des Tierschutzgesetzes eine deutliche Ausweitung der Dokumentationspflichten (s. Interview auf Seite 16). Ähnlich verhält es sich bei der Haltung von Sauen im Abferkelstall. Auch hier drohen schärfere Vorgaben. So fordert die Länderarbeitsgemeinschaft Tierschutz das ungehinderte Umdrehen der Sauen in der Bucht.
Fazit
Die EU gibt die Rahmenbedingungen für die Schweinehaltung vor.
Die Mitgliedsländer dürfen die Vorgaben verschärfen.
Deutschland macht davon bei der Kastration, dem Schwanzkupieren und dem Platzanspruch Gebrauch.
Deutschland hat die strengsten Haltungsregeln im Deckzentrum.
In Dänemark und den Niederlanden ist der Vollspalten verboten.
Die Kontrolldichte ist in Deutschland am höchsten. In Spanien besteht kein Kontrollsystem.
Sind deutsche Ferkelerzeuger und Mäster härter von der Auflagenflut betroffen als Kollegen in der Europäischen Union?
Spanien: Mehr Platz erst 2025
Die Europäische Union macht in der EU-Richtlinie 2008/120 klare Vorgaben zum Platzangebot für Mastschweine. Jedem Schwein müssen demnach mindestens 0,65 m² Fläche zur Verfügung stehen. Davon können die Mitgliedsländer jedoch nach oben abweichen. Deutschland, Spanien und die Niederlande machen davon Gebrauch.
Spitzenreiter in puncto Platzangebot ab 50 kg Lebendgewicht sind die Niederlande. Bei unseren Nachbarn sind seit dem Jahr 2013 0,80 m² pro Tier Pflicht, wie Übersicht 1 zeigt. In Deutschland sind seit 2006 je Tier 0,75 m² vorgeschrieben. Die spanischen Veredler müssen erst ab dem Jahr 2025 höhere Platzvorgaben von 0,74 m² je Schwein einhalten.
Anders sieht die Situation in Polen, Dänemark und Frankreich aus. In diesen drei Ländern gilt weiterhin der gesetzliche Mindeststandard von 0,65 m² pro Schwein. Derzeit sind auch keine Verschärfungen vorgesehen.
Boden: Bis zu 40 % Festfläche
Auch in Bezug auf die Bodenbeschaffenheit bestehen Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten. So ist die Haltung von Mastschweinen auf Vollspaltenböden in Deutschland, Polen, Frankreich und Spanien erlaubt. Dänische Veredler müssen im Maststall mindestens ein Drittel des Bodens planbefestigt ausführen (siehe Übersicht 2). In den Niederlanden sind es sogar 40 %. Auch die Aufzuchtferkel müssen hier auf mindestens zur Hälfte planbefestigten Böden gehalten werden. In anderen Nachbarländern sind Vollspaltenböden für Aufzuchtferkel weiterhin erlaubt.
In Österreich läuft die Haltung von Schweinen in unstrukturierten Vollspaltenbuchten ohne Funktionsbereiche erst Ende 2039 aus. Bestehende Systeme dürfen bis dahin weiter betrieben werden. Danach muss ein Drittel der Bucht planbefestigt sein. Planbefestigt heißt: maximal 10 % Perforationsanteil.
Etwas schärfer sind in Österreich die Vorgaben zur Schlitzweite. Bei Saugferkeln sind maximal 10 mm, bei Absetzferkeln höchstens 13 mm vorgeschrieben. Das ist 1 mm weniger als im Rest der EU.
Abferkelstall: Lax in Holland
Im Abferkelbereich prescht Deutschland im Ländervergleich mit den Niederlanden und Dänemark voran. Seit 2021 sind hierzulande nur noch Bewegungsbuchten zugelassen. Bis 2036 gilt aber eine Ausnahmeregelung für bestehende Betriebe.
Bei Neu- und Umbau müssen die Buchten mindestens 6,5 m2 groß sein und den Sauen freie Bewegung ermöglichen. Die Fixierung ist maximal 5 Tage erlaubt – ein Tag vor bis drei Tage nach der Geburt.
In Dänemark und Holland gibt es derzeit keine gesetzlichen Verschärfungen. Die klassische Abferkelbucht mit Ferkelschutzkorb und dauerhafter Fixierung ist zulässig. Allerdings arbeiten beide Regierungen an einer Neuregelung mit dem Ziel der Bewegungsmöglichkeit während der Laktation.
In den Niederlanden sollen spätestens 2040 alle laktierenden Sauen in Bewegungsbuchten gehalten werden müssen. Dänemark hat noch kein Datum benannt. Polen, Frankreich und Spanien planen derzeit keine neuen Regelungen.
Deckstall: Deutschland streng
Für die Haltung der Sauen im Deckzentrum und Abferkelstall gelten in Deutschland in Zukunft Verschärfungen. In bestehenden Deckställen ist die mehrtägige Fixierung momentan nur mit Ausnahmegenehmigung zugelassen. Die Übergangsregelung endet am 9. Februar 2029. Für Neu- und Umbauten gilt die Vorgabe zur Gruppenhaltung heute schon. Dabei gilt: Nach dem Absetzen bis zur ersten Belegung müssen die Sauen im Deckzentrum in Gruppen stehen. Jede Sau muss 5 m2 Platz zur Verfügung haben. Die Fixierung ist nur beim Besamungsvorgang erlaubt.
Dänemark hat Verschärfungen bereits 2014 beschlossen. Alle Sauen dürfen nur noch für maximal drei Tage im Zeitraum der Rausche fixiert werden (siehe Übersicht 3). Danach müssen die Sauen in Gruppen gehalten werden. Die Platzvorgaben variieren je nach Gruppengröße zwischen 2,03 und 2,80 m2 je Sau.
Diese Regelung muss seit Januar 2015 in allen dänischen Neubauten umgesetzt werden. Bis spätestens 2035 gilt die Vorschrift dann in allen Deckzentren. Bis dahin sind in bestehenden Ställen maximal 28 Tage Fixierung erlaubt. Mit der 20-jährigen Übergangsfrist lässt die dänische Regierung den Landwirten also deutlich mehr zeitlichen Handlungsspielraum als in Deutschland.
In den Niederlanden dürfen die Sauen vom Absetzen bis maximal vier Tage nach der Besamung im Kastenstand gehalten werden, danach gilt ebenfalls die Gruppenhaltung. Norwegen, Österreich, Schweden und die Schweiz haben ähnliche Vorgaben. In Spanien, Frankreich und Polen gibt es derzeit keine Einschränkungen.
Kupieren: 3., 4., 7. Lebenstag
Bereits seit 1991 ist das routinemäßige Kupieren des Ringelschwanzes in der EU verboten. Dennoch wird in vielen EU-Ländern ein Großteil der konventionell gehaltenen Schweine weiterhin kupiert, darunter auch Deutschland. Die jeweiligen Regierungen berufen sich auf eine Ausnahmeregelung.
Um diese zu rechtfertigen, müssen Auffälligkeiten am Ringelschwanz dokumentiert, eine Risikobewertung durchgeführt und ein Aktionsplan erstellt werden. Er muss Verbesserungen im Management und der Haltung vorsehen.
Während sich die EU-Länder im Hinblick auf die Ausnahmeregelung weitestgehend einig sind, bestehen Unterschiede bei der Frage, bis zu welchem Lebenstag die Ferkel betäubungslos kupiert werden dürfen. Bei genehmigter Ausnahmeregelung dürfen die Tiere in Spanien, Polen und Frankreich bis zum siebten Lebenstag ohne Betäubung kupiert werden (siehe Übersicht 4). In Deutschland und Dänemark ist dies nur bis zum vierten Tag erlaubt, in den Niederlanden sogar nur bis zum dritten Tag.
Keine Narkose in Spanien
Im Gegensatz zu vielen anderen Regelungen gibt es für die Ferkelkastration keine konkreten Vorschriften auf EU-Ebene. Festgelegt ist lediglich, dass Ferkel bis zum siebten Lebenstag ohne Betäubung kastriert werden dürfen. Danach ist der Eingriff nur noch unter tierärztlicher Aufsicht erlaubt.
Für die Verbesserung des Tierwohls haben einige europäische Länder die betäubungslose Kastration verboten und alternative Kastrationsmethoden etabliert, die sich teils erheblich voneinander unterscheiden.
In Deutschland ist die betäubungslose Kastration verboten. In der Praxis ist die Isoflurannarkose weit verbreitet (siehe Übersicht 5). Daneben sind die Immunokastration und die Injektionsnarkose zugelassen. Letztere darf nur vom Tierarzt durchgeführt werden.
In Frankreich und Dänemark wird die Lokalanästhesie mit Procain eingesetzt, in den Niederlanden ist die CO2-Betäubung üblich. Beide Verfahren sind in Deutschland nicht zugelassen.
In Spanien und Polen dürfen die Schweine weiterhin ohne Betäubung kastriert werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass der Anteil der Ebermast insbesondere in Spanien mit 80 % sehr hoch ist und die Immunokastration zusehends an Bedeutung gewinnt.
Beschäftigung: Strenge Dänen
Die Gesetzgebung in Dänemark schreibt vor, dass organisches Material nicht nur als Beschäftigungsmaterial dienen muss. Es muss auch als Wühlmaterial geeignet sein. Das bedeutet, dass das organische Material in ausreichender Menge auf dem Boden liegen muss. Wie viel davon gegeben wird, ist dem Landwirt überlassen.
Darüber hinaus sind in Dänemark Sprinkler- und Sprühsysteme zur Vorbeugung von Hitzestress in allen Abteilen mit Tieren über 20 kg Lebendgewicht verpflichtend. Auch in Deutschland besteht die Pflicht zur Stallkühlung.
Keine Audits in Spanien
Schweine haltende Betriebe werden in der Europäischen Union unterschiedlich streng überwacht. Abgesehen von Spanien verfügen alle Länder über nationale Qualitätssicherungssysteme, in die in der Regel mehr als 80 % der landwirtschaftlichen Betriebe integriert sind.
Deutschland überwacht die Schweinebestände am strengsten. Neben System- werden auch Spotaudits durchgeführt (siehe Übersicht 6). In Deutschland sieht das QS-System zudem Sonderaudits vor.
Die größten Unterschiede liegen in der Auditfrequenz. In Deutschland (QS) und Frankreich (DDPP) erfolgen die Audits risikobasiert. In Dänemark (Danish) und den Niederlanden (IKB) werden alle Betriebe überprüft, wobei die Kontrollen in Dänemark nur alle drei Jahre und in den Niederlanden jährlich stattfinden.
In Polen wurde im Jahr 2019 ein freiwilliges nationales Qualitätssicherungssystem ins Leben gerufen. Jährlich werden 10 % der Betriebe kontrolliert, 5 % der Kontrollen sind risikobasiert. Die Teilnahmequote an diesem System ist aber sehr gering.
Keine regelmäßigen offiziellen Kontrollen seitens des Staates bzw. durch ein Qualitätssicherungssystem gibt es in Spanien. Hier werden die Betriebe in der Regel tierärztlich beaufsichtigt. Wenn die örtliche Behörde eine Kontrolle durchführen möchte, muss sie im Vorfeld eine Genehmigung einholen.