Nitrat-Monitoring: Welche Schwachstellen gibt es?

Im Rahmen eines Gutachtens wurden Schwachstellen im Grundwassernetzwerk NRW aufgedeckt. Ein Interview mit Dr. Thomas Delschen, Präsident Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV).

Es gibt Zweifel, ob die Grundwassermessstellen repräsentative Nitratwerte ausweisen. In der SUS 1/2020 wurden Ergebnisse eines Gutachtens zum Messnetzwerk in NRW vorgestellt (Grundwasser: Mängel im Messnetz). Danach gelten viele der geprüften Messpunkte als nicht funktionsfähig. Die Prüfung deutet ferner auf eine unzureichende Wartung der Messstellen hin. Dr. Thomas Delschen, Präsident Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV), erklärt, wie die Ergebnisse aus der Sicht des LANUV einzuordnen sind und welche Konsequenzen daraus folgen.

1. Warum wurde das Gutachten erstellt?
Dr. Delschen:
Vorab wäre mir wichtig zu betonen, Gegenstand des Gutachtens war nicht die Bewertung des gesamten Messnetzes zur europäischen Wasserrahmenrichtlinie und auch nicht die Bewertung der Repräsentativität der Messstellen im Nitratmonitoring. Eingebunden war das Gutachten in ein Projekt, das wir ab dem Jahr 2016 umgesetzt haben. Die Initiative dazu ging von uns selber aus. Zeitlich haben die Planungen dazu bereits weit vor der Umsetzung der neuen Düngeverordnung im Jahr 2017 begonnen. Vorrangig ging es uns darum, das Qualitätsmanagement des Grundwassermonitorings weiter zu entwickeln und zu optimieren, insbesondere für das Messnetz zum Monitoring der Vorgaben der WRRL (Anm. d. Red.: WRRL – Abkürzung für europäische Wasserrahmenrichtlinie). Wir untersuchen im WRRL-Gütemessnetz auf viele unterschiedliche Stoffe, neben Nitrat zum Beispiel auch Schwermetalle oder Pflanzenschutzmittel.

2. Wie wurden die 300 untersuchten Messstellen ausgewählt?
Dr. Delschen:
Wir erhalten von unseren Probenehmern stets eine Rückmeldung darüber, wenn einzelne Messstellen Mängel aufweisen. Dies ist fester Teil unseres Qualitätsmanagements. Für das Gutachten haben wir bewusst die Messstellenauswahl so vorgenommen, dass vor allem Messstellen mit bereits dokumentierten Mängeln einbezogen wurden. Wir wollten uns ja einen Überblick über mögliche Probleme verschaffen und zugleich Erfahrungen sammeln, wie die Überprüfung von Messstellen effizient durchgeführt werden kann. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen ist anschließend ein Leitfaden erstellt worden, mit dem die Überprüfung und Sanierung von Messstellen nach neuestem technischen Stand sichergestellt wird. Diese ersten untersuchten 300 Messstellen stellten also keine repräsentative Auswahl dar, sondern bei diesen sind die problematischen Messstellen überrepräsentiert. Eine Hochrechnung auf das gesamte WRRL-Gütemessnetz mit seinen 1.500 Messstellen ist daher nicht möglich.

3. Nach welchen Kriterien werden die Messstellen überprüft?
Dr. Delschen:
Im Rahmen des Projekts wurden insgesamt 39 einzelne Prüfkriterien zusammengestellt. Diese verteilen sich auf 3 Hauptbereiche: 19 Kriterien betreffen Lage und technische Ausführung, 9 Kriterien beurteilen die Dokumentation und 11 Kriterien betreffen die Betriebsanforderungen an die Messstellen.
Zum besseren Verständnis und zur Bewertung der Ergebnisse muss man wissen, dass nicht alle angelegten Prüfkriterien gleichermaßen relevant sind, um einzuschätzen, ob der chemische Zustand des Grundwassers durch die Messstelle repräsentativ beurteilt werden kann. Die Anforderungen an die vollständige Dokumentation einer Messstelle spielen für die Messergebnisse beispielsweise keine direkte Rolle. Andere Kriterien wirken sich nur auf bestimmte Stoffe aus, die wir untersuchen. Dann wiederum gibt es Kriterien, bei denen erst bei einer besonderen Schwere eines Mangels oder bei Kombination mehrerer Mängel eine relevante Auswirkung auf Messergebnisse anzunehmen wäre.
Innerhalb des Gutachtens ging es, wie eingangs erwähnt, nicht darum, die Kriterien systematisch auf die Bewertung einzelner Stoffe anzuwenden. Sondern die Aufgabe war, den Leitfaden für die weiteren Überprüfungen von Messstellen zu erarbeiten und Maßnahmen zu erproben. Daher wurden beispielsweise Kamerabefahrungen an neun Messstellen mit bekannten Mängeln durchgeführt mit dem Ziel, Ursachen genauer zu ermitteln und Empfehlungen für den Umgang mit solchen Mängeln zu erarbeiten.

4. Nennen Sie konkrete Mängel, die einen Einfluss auf die analysierten Nitratwerte haben können?
Dr. Delschen:
Im Wesentlichen haben wir vier Kriterien identifiziert, die als Bewertungsgrundlage wichtig für Nitratwerte sind: Als erstes zu nennen sind die Einflüsse aus Punktquellen, wie zum Beispiel aus Altlasten, Kläranlagen oder Hofstellen. Des Weiteren sind Beschädigungen am Rohr immer möglichst zu verhindern. Wichtig ist natürlich auch, dass die Messstellen über eine funktionierende oberirdische Abdichtung verfügen. Schließlich muss die Messstelle hydraulisch an den Grundwasserleiter angebunden sein, um sicherzustellen, dass immer frisches Grundwasser nachfließt.
Auf Grund dieser vier Kriterien haben wir aus den ersten 300 insgesamt 27 Messstellen identifiziert, bei denen wir nicht ausschließen können, dass die Nitratwerte durch solche Mängel beeinflusst werden. Das entspricht etwa zehn Prozent der untersuchten Messstellen. Diese Messstellen wurden bis auf Weiteres aus dem Messprogramm ausgesondert und werden aktuell ersetzt oder, wenn möglich, wieder in Stand gesetzt.

5. Wie läuft die Sanierung des Messnetzes?
Dr. Delschen: An rund 100 Messstellen wurden bis Ende des Jahres 2019 bereits Arbeiten durchgeführt, zahlreiche weitere Maßnahmen sind beauftragt. Einige beschädigte oder nicht mehr geeignete Messstellen wurden auch ausgesondert oder durch neue Messstellen ersetzt.
Ergänzend zu den laufenden Prüfungen, Reparaturen und Sanierungen arbeiten wir daran, das WRRL-Messnetz zu erweitern. Derzeit umfasst dieses Messnetz rund 1.500 Messstellen, dieses soll auf 1.700 ausgebaut werden. Neu gebaut wurden bis Ende 2019 bereits 44 Messstellen, für weitere rund 120 Messstellen laufen zurzeit die Prüfungen für eine Neuaufnahme in das WRRL-Messnetz.

6. Wie ist der Stand und bis wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?
Dr. Delschen: Wir haben mit dem Umweltministerium im vergangenen Jahr vereinbart, das gesamte Messnetz zu überprüfen und dabei zunächst mit oberster Priorität landwirtschaftlich beeinflusste WRRL-Messstellen zu begutachten. Das betrifft im ersten Schritt 280 Messstellen mit Überschreitungen der Schwellenwerte im Bereich roter Grundwasserkörper. Hier laufen derzeit die Überprüfungen nach den Maßgaben unseres Leitfadens. Wir werden diese Prüfungen im ersten Halbjahr 2020 abschließen, so dass die Ergebnisse vor Inkrafttreten der neuen Düngeverordnung vorliegen werden.

Grundwassermessstelle (Bildquelle: LANUV)


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