Rukwied: Größte Schweinekrise seit Jahrzehnten

Der Bauernpräsident machte nochmal auf die schweren Marktverwerfungen durch Corona und ASP aufmerksam.

Die coronabedingt eingeschränkten Schlacht- und Zerlegekapazitäten in der Fleischwirtschaft bei einem saisonal zunehmenden Schweineangebot haben die Überhänge am deutschen Schweinemarkt weiter wachsen lassen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, sprach bei der Mitgliederversammlung des Verbandes am vergangenen Freitag angesichts der gleichzeitig ausgebrochenen Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen und dem Preisverfall für Ferkel und Schlachtschweine von „der größten Krise der Schweinehaltung seit Jahrzehnten“. Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) bezifferte den Überhang in Deutschland zuletzt auf 400 000 Schlachtschweine; wöchentlich kämen 70 000 bis 90 000 Tiere hinzu. „Der Schweinestau wächst und wächst. Immer mehr schweinehaltende Betriebe geraten deshalb in Notlage", warnte ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack. Schnelle Lösungen sind kaum zu erwarten, denn die Schweineproduktion lässt sich nicht von heute auf morgen stoppen, und der Gesundheitsschutz der nur knapp verfügbaren Schlachthofmitarbeiter muss auch gewahrt bleiben. Immerhin konnte der Betrieb der zur Tönnies-Gruppe gehörenden Weidemark Fleischwaren GmbH in Sögel nach kurzem Corona-Stopp Anfang vergangener Woche wieder aufgenommen werden, doch nur sehr eingeschränkt. Tönnies hatte ein umfassendes Hygienekonzept vorgelegt, das nach Prüfung durch den Kreis Emsland akzeptiert wurde. Kernidee des Konzepts ist die Arbeitsquarantäne der Mitarbeiter in bestimmten Produktionsbereichen, die sich damit nur zwischen Wohnort und Arbeitsort bewegen dürfen. Neben umfangreichen Corona-Tests, dem Tragen von FFP2-Masken und dem Einbau von Hepa-Spezialfiltern in gekühlten Bereichen gehört auch die Begrenzung der Mitarbeiter in der Zerlegung auf rund ein Drittel der 600 üblichen Kräfte zum Hygienekonzept, weshalb die Kapazitäten des Werkes bei weitem nicht voll ausgelastet werden können.

Der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, Heiner Rickers, forderte, dass bei der Überprüfung der Einhaltung der Tierwohlkriterien durch die privatwirtschaftlichen Prüfsysteme QS Qualität und Sicherheit GmbH oder der Initiative Tierwohl (ITW) ebenfalls Rücksicht auf die aktuelle Krisensituation genommen werden müsse. Dieser Ruf wurde offenbar schnell erhört, denn laut ISN haben beide Organisationen in einem Rundschreiben über aktuelle Ausnahmeregelungen bei Audits wegen Corona und ASP informiert. Prüfkriterien, die aufgrund von Vermarktungsengpässen nicht eingehalten werden könnten, würden nicht negativ bewertet, solange eine plausible Begründung für die Nicht-Einhaltung vorliege. Das gelte etwa für das Kriterium „Platzangebot", wenn im Audit plausibel erkennbar werde, dass die erhöhte Besatzdichte bei Schweinen nur vorübergehend und eindeutig der Sondersituation geschuldet sei. Um eine plausible Begründung der Abweichungen vorzuhalten, empfehlen QS und ITW, dass Betriebe eine schriftliche Bestätigung vom Schlachtbetrieb, Vermarkter oder Mastbetrieb beziehungsweise eine schriftliche Bestätigung zur behördlichen Sperrung des Betriebs vorliegen haben. Beide Organisationen wiesen darauf hin, dass in dieser Ausnahmesituation die Tierbeobachtung durch den Tierhalter besonders entscheidend sei und die grundlegenden Tierschutzanforderungen eingehalten werden müssten. AgE


Mehr zu dem Thema