Wissenschaftler diskutieren über Zukunft der Tierhaltung ​ ​ ​

Ein Streitpunkt sind die Folgen der Nutztierhaltung auf das Klima.

Unterschiedliche Sichtweisen auf die Zukunft der Tierhaltung und zu den Klimafolgen derselben haben die beiden Wissenschaftler Prof. Friedhelm Taube und Prof. Wilhelm Windisch. Nach Einschätzung von Taube erfordert die notwendige Transformation des Agrar- und Ernährungssystems in Deutschland einen Abbau der Nutztierhaltung in der Größenordnung von 50 % Diese Notwendigkeit ergebe sich aus der Sicherung der Welternährung sowie den hohen gesellschaftlichen Kosten der gegenwärtigen Tierhaltung, sagte der Direktor des Instituts für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung an der Universität Kiel auf einer gemeinsamen Veranstaltung des Friedrich-Löffler-Instituts (FLI) und des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Thema „Paradigmenwechsel in der Tierernährung“ vergangene Woche in Braunschweig. Demgegenüber betonte Windisch die unverzichtbare Rolle von Nutztieren im landwirtschaftlichen Stoffkreislauf. Der Verzicht auf Nutztiere bringe keine prinzipielle Entlastung von Umwelt und Klima, sondern reduziere lediglich die Gesamtproduktion an Lebensmitteln je Flächeneinheit, sagte der Inhaber des Lehrstuhls für Tierernährung an der Technischen Universität München bei der Jahrestagung des Dachverbandes der Agrarforschung (DAF) in Berlin.

Laut Taube gehen alle Modelle zur Sicherung der Welternährung davon aus, dass der Konsum von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft die zentrale Stellschraube zur Sicherung der Welternährung sei. Nur wenn es hier einen gravierenden Rückgang gebe, könne die Tierhaltung einen sinnvollen Beitrag als Verwerter von Grünlandaufwüchsen und Nebenprodukten der pflanzlichen Erzeugung in der Ernährung des Menschen leisten. Nach Angaben des Wissenschaftlers würde eine Verringerung der Produktion und des Konsums von Schweinefleisch in Deutschland um etwa 35 % eine Getreidemenge in der Größenordnung von 4 Mio. t freisetzen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bis zu 80 % des Futterweizens tatsächlich backfähig wären, ergäbe das einen signifikanten Hebel, um die derzeitigen Exporte von Brotgetreide für den Weltmarkt massiv zu erhöhen.

Taube wies darauf hin, dass mehr als 70 % der Stickstoffüberschüsse und mehr als 90 % der Ammoniakemissionen in Deutschland mit der Tierhaltung in Verbindung stünden. Vor diesem Hintergrund seien Forderungen unangemessen, die betriebsbezogene 170 kg N/ha-Grenze für den Gülleeinsatz auszusetzen. Zum einen würde dem Institutsdirektor zufolge damit komplett ausgeblendet, dass die Futtererzeugung, die zu den aktuellen Güllemengen führe, auch durch Mineraldünger erfolge. Zum anderen sei belegt, dass auf Ackerland eine langfristige Ausbringungsmenge jenseits von etwa 120 kg organischer Stickstoffdünger zu erhöhten Nitratbelastungen des Sickerwassers führe.

Windisch gab dem gegenüber zu bedenken, dass zur Kompensation eines Verzichts auf Nutztiere die vegane Produktion intensiviert oder mehr Ackerland in Nutzung genommen werden müsste, was wiederum umwelt- und klimaschädigende Emissionen zur Folge hätte. Erst wenn über die unvermeidlich anfallende, nicht-essbare Biomasse hinaus zusätzlich Futter angebaut werde, entstünden Emissionen, die der Nutztierhaltung unmittelbar angelastet werden könnten. Die Erzeugung von Lebensmitteln pflanzlicher und tierischer Herkunft sei aufs Engste miteinander verzahnt, erläuterte der Wissenschaftler. Bindeglied sei die große Menge an nicht-essbarer Biomasse, die bei der Gewinnung von veganer Nahrung im Verhältnis von vier zu eins entstehe. Diese Menge müsse dem landwirtschaftlichen Stoffkreislauf wieder zurückgeführt werden. Bei einer direkten Einarbeitung in den Boden erfolge die Freisetzung der Pflanzennährstoffe unkontrolliert, was die Produktivität an veganer Nahrung limitiere. Wesentlich effizienter sei hingegen die Transformation der nicht-essbaren Biomasse in lagerbare organische Dünger, das heiße in Gärreste aus Biogasanlagen oder in Wirtschaftsdünger durch Verfütterung an Nutztiere.

„Solche Dünger steigern die Produktivität des Pflanzenbaus“, stelle Windisch fest. Bei Verfütterung an Nutztiere entstünden zusätzlich Lebensmittel in einem Umfang, der der Primärproduktion an veganer Nahrung gleichkomme, und zwar ohne Nahrungskonkurrenz zum Menschen. Die dabei freigesetzten Emissionen seien nahezu umwelt- und klimaneutral, weil sie im Zuge der Rezyklierung der nicht-essbaren Biomasse ohnehin anfielen, und zwar egal ob durch bloßes Verrotten auf dem Feld oder durch Verwertung über Biogasanlagen oder Nutztiere. Dies gelte bei mittelfristiger Betrachtung auch für das von Wiederkäuern emittierte Methan. Insgesamt erreiche die Erzeugung von Lebensmitteln ihr Minimum an Umwelt- und Klimawirkungen nur durch Einbindung der Tierproduktion in den landwirtschaftlichen Stoffkreislauf, so der Hochschullehrer. Dies setze allerdings voraus, dass die Nutztierfütterung auf eine Nahrungskonkurrenz zum Menschen verzichte. Allerdings nehme dann auch die produzierte Menge an Lebensmitteln tierischer Herkunft erheblich ab.