SUS 4/2021

Brennpunkt: Aufregung um Tierwohl-Bonus

Der ruinöse Markt und der Ärger um den ITW-Bonus verunsichern die Schweinehalter.

Der Schweinemarkt steht seit Wo­chen stark unter Druck. Hinzu kommen deutlich ge­­stiegene Kosten, sodass die ­Be­­triebe tiefrote Zahlen schreiben.

In dieser prekären Marktphase ist die dritte ITW-Phase angelaufen. Für die Mast endete die sogenannte Fondslösung, die den Teilnehmern feste Bonuszahlungen garantierte. Seit Anfang Juli gilt das Marktmodell. Das heißt: Der ­Handel zahlt den Schlachtern einen Preisaufschlag für ITW-Ware, die diesen in Form einer Bonuszahlung an die Mäster weitergeben.

Aus dem Lebensmittelhandel kamen klare Signale, dass man mit dem Start der dritten Phase verstärkt auf ITW-Ware setzen will. Folglich meldeten sich auch viele Schweinehalter für die neue Programmphase an.

Inzwischen herrscht Ernüchterung. Of­fenbar ordert der LEH deutlich weniger ITW-Fleisch als angekündigt. Und es mehren sich die Stimmen von ITW-Mästern ohne festen Vertrag, die ver­gebens auf ihre Boni warten. Auch bei den teilnehmenden Sauenbetrieben läuft nicht alles rund. Dass jetzt der LEH ankündigt, in wenigen Jahren nur Fleisch aus Haltungen deutlich über dem ITW-Level zu beziehen, sorgt für Kopfschütteln.

SUS hat vier Branchenkenner um einen Blick auf das Thema Tierwohl gebeten.

Dierauff

Jürgen Dierauff, Mäster aus Markt Nordheim (Bildquelle: Privat)

Mehr Ehrlichkeit vom Handel

Im Raum Nordbayern nehmen geschätzt zwei Drittel der Mäster an der ITW teil. Dies liegt auch daran, dass die mittelständischen Schlachter in der Region gezielt ITW-Schweine nachfragen.

Auch ich habe für 10 000 € Raufen und Fenster nachgerüstet und nehme an der dritten ITW-Phase teil. Die Vermarktung habe ich vor der Investition vertraglich mit einem Schlachter abgesichert.

Leider höre ich von einigen Berufskollegen, dass es Schwierigkeiten bei der Vermarktung ihrer ITW-Schweine gibt. Für mich ist es skandalös, dass Betriebe dem Ruf nach mehr Tierwohl folgen, viel Geld in den Umbau auf Haltungsform 2 stecken und dann auf ihren ­Tieren sitzen bleiben.

Fast absurd wird es durch die Aussagen des LEH, in einigen Jahren nur noch Fleisch von Tieren aus Haltungsstufe 3 und 4 beziehen zu wollen. Wenn die Verbraucher mehr Tierwohl möchten, gehen wir den Weg gerne mit. Aber der LEH muss ehrlich kommunizieren, ob sich dies wirklich beim Einkauf widerspiegelt.

Davon abgesehen, kämpfen wir seit Langem mit ruinösen Preisen. Woher soll das Geld für weitere Tierwohl­investitionen kommen?

Wilkens

Patrick Wilkens, Geschäftsführer RVV Twistringen (Bildquelle: Privat)

Krise durch Koopera­tionen meistern

Dass der Ausbruch der ASP die exportabhängige deutsche Schweinebranche hart treffen würde, war abzusehen. Doch solange unsere Nachbarländer, die für uns gesperrten Drittlandsmärkte in Asien mit großen Mengen belieferten, ließ sich das Fleisch zumindest eingeschränkt in der EU absetzen.

Nun kämpft China nach einem massiven Wiederaufbau der In­­landsproduktion mit einer zweiten ASP-Welle und es kam zu vermehrten Abschlachtungen. Der Importbedarf ist drastisch gesunken und nun drängt verstärkt dänische und spanische Ware auf den EU-Markt.

Doch dieser war vorher schon übersättigt und die Gefrier- und Tiefkühllager sind voll. Die Fleischunternehmen schreiben Verluste und können nur über die Einkaufspreise und Drosselung der Schlachtungen reagieren.

Unter diesen Bedingungen neue Haltungs- bzw. Vermarktungs­konzepte umzusetzen, ist kaum möglich und die Unsicherheiten bei der Überführung der ITW in ein Marktmodell sind groß. Es sind Strukturbrüche in der gesamten Produktionskette zu erwarten, die nur über starke, flexible Kooperationsmodelle zu meistern sind.

Römer

Robert Römer, ITW-Geschäftsführer (Bildquelle: Privat)

Marktmodell gehört die Zukunft

Die Nämlichkeit auf Schweinefleisch auszuweiten, ist ein Ziel der dritten ITW-Runde. Dafür müssen wir die Sauenhaltung und die Ferkelaufzucht verbinden und später auch die Verknüpfung mit der Mast hinbekommen.

Es war klar, dass das für einige Betriebe eine Herausforderung sein wird. Dennoch war die Resonanz riesig und in der Registrierungsphase im Februar dieses Jahres hatten sich Sauenhalter und Aufzüchter mit einer Jahreserzeugung von mehr als 14 Mio. Ferkeln angemeldet.

Aufgrund des großen Interesses ist die Initiative erneut an den LEH herangetreten und der Fonds konnte soweit aufgestockt werden, dass alle fristgerecht angemeldeten Betriebe nach bestandenem Audit zugelassen wurden.

Die Mast wurde in das Marktmodell überführt und die Ferkel­erzeugung soll folgen. Auch wenn es an ­ei­­nigen Stellen noch knirscht – für die Zukunft von Tierwohlprodukten muss der Mehraufwand über den Markt bezahlt werden.

Die Initiative kann nur so für das Bündnis werben und sicher­stellen, dass Fleisch mit unserem Siegel auch von ITW-Schweinen stammt und dadurch ein Mehrwert geboten wird.

Willemsen

Albert Willemsen, Schlaitzer Tierzucht GmbH (Bildquelle: Schnippe)

Neue ITW-Phase ­unausgereift

Ich war aus Überzeugung bei den ersten ­beiden ITW-Phasen mit den Sauen dabei. Doch die dritte Phase wirkt unausgereift.

Wir sind jetzt mit der Mast dabei und können zwei Drittel unserer Tiere an einen teilnehmenden Schlachthof der Vion liefern, was funktioniert. Die übrigen ITW-Mastschweine gehen an einen mittelständischen Schlachthof. Dieser zahlt entgegen meiner Erwartungen keinen ITW-Bonus, da seine Abnehmer in der Gastronomie und im Fleischhandwerk den Mehrpreis nicht aufbringen wollen.

In der Ferkelerzeugung stehe ich jetzt sogar ganz ohne ITW-Bonus da, obwohl wir die Sauen nach den ­Kriterien halten. Das Problem ist, dass wir einen Teil als Babyferkel verkaufen. Hierfür hätten wir nach den neuen Vorgaben der Initiative einen ITW-Aufzüchter finden müssen, was nicht gelungen ist.

Am Ende hat sich die Zulassung unserer Ferkelerzeugung so stark verzögert, dass der Fonds für die Sauenhalter ausgeschöpft war und wir nicht mehr mitmachen konnten. Wie man uns Praktiker mit so unflexiblen Systemen für noch höhere Haltungsstufen begeistern will, ist mir ein Rätsel.