Bonner Wissenschaftler für drastische Reduzierung des Fleischverzehrs​ ​

Die Forscher argumentieren hier mit Versorgungssicherheit und Umweltschutz.

Um langfristige globale Ernährungssicherheit zu gewährleisten und möglicherweise irreparable Schäden an Umwelt und Natur zu verhindern, müssten die Verbraucher in den Industrienationen ihren Fleischverzehr im Idealfall um mindestens 75 % reduzieren. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie der Universität Bonn, für die Forscher um Prof. Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF) die Auswirkungen des Fleischkonsums auf den Naturhaushalt sowie Gesundheits- und wirtschaftliche Effekte analysiert haben. Wie aus der Studie hervorgeht, schädigt die Nutztierhaltung Klima und Umwelt, indem beispielsweise Wiederkäuer klimaschädliches Methan erzeugen. Tiere setzten zudem nur einen Teil der verfütterten Kalorien in Fleisch um, weshalb im Vergleich zur pflanzlichen Nahrungserzeugung mehr Fläche nötig sei. Dies gehe zu Lasten der Ökosysteme, da weniger Raum für den natürlichen Artenschutz bleibe, so die Bonner Wissenschaftler. Nach ihrer Auffassung gibt es also gute Argumente, den Konsum tierischer Lebensmittel stark einzuschränken. „Würden alle Menschen so viel Fleisch verzehren wie die Europäer oder die Nordamerikaner, würden wir die Klimaziele weit verfehlen, und viele Ökosysteme würden kollabieren“, erläuterte ZEF-Leiter Qaim. Er plädiert deshalb für eine drastische Absenkung des Fleischkonsums um drei Viertel, womit in Deutschland noch ein durchschnittlicher Pro-Kopf-Verzehr von 20 Kilogramm jährlich verbliebe. Der Bonner Agrarökonom gibt mit Blick auf den Ukraine-Krieg auch zu bedenken, dass derzeit rund die Hälfte der weltweiten Getreideproduktion in den Futtertrog wandere und somit nicht direkt für die menschliche Ernährung zur Verfügung stehe.

Qaim hält es zudem für wichtig, auch über höhere Steuern auf tierische Lebensmittel nachzudenken. Dieser Aufschlag auf den Endverbraucherpreis müsste nach seiner Einschätzung bei mehr als 20 % liegen, um eine Lenkungswirkung zu entfalten. Dennoch sei es „durchaus sinnvoll und gerecht, die Konsumentinnen und Konsumenten stärker an diesen Kosten zu beteiligen“. Die Autoren fordern außerdem, das Thema „nachhaltiger Konsum“ verstärkt in die schulischen Lehrpläne zu integrieren. Ein kompletter Umstieg auf vegetarische oder vegane Kost ist laut den Bonner Wissenschaftlern hingegen keine Lösung. „Wir können uns nicht von Gras ernähren, Wiederkäuer aber sehr wohl“, verdeutlichte Koautor Dr. Martin Parlasca. Wenn sich Grasland nicht anders nutzen lasse, sei es daher durchaus sinnvoll, darauf Vieh zu halten. AgE


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