EU: Kollektiver Bestandsabbau ​

Das größte Minus verbuchte die deutsche Schweinehaltung.

Die Schweinehalter in der Europäischen Union haben in diesem Jahr mit stark gestiegenen Futter- und anderen Produktionskosten zu kämpfen und bauen ihre Tierbestände ab. Jüngst hat mit Danish Crown der erste Fleischhersteller mitgeteilt, wegen des geringeren Schlachtaufkommens Kapazitäten herunterzufahren und Mitarbeiter zu entlassen. Nun liegen die Ergebnisse der Frühjahrsviehzählung aus den 13 meldepflichtigen Mitgliedstaaten komplett vor. Laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) belief sich im Mai beziehungsweise Juni 2022 der Schweinebestand in diesen Staaten auf 126,90 Millionen Tiere; das entsprach im Vorjahresvergleich einem Rückgang von 6,06 Millionen Stück oder 4,6 %. Das war zugleich das geringste Haltungsniveau seit mehr als zehn Jahren. In diesen Staaten werden rund 93 % aller Schweine in der Gemeinschaft gehalten. Abgenommen hat binnen Jahresfrist in der EU-13 dabei die Zahl der Ferkel und Läufer bis zu 50 kg um 3,4 % auf 65,43 Mio.; der Mastschweinebestand sank um 6,0 % auf 51,67 Mio. Stück. Die Erzeuger schränkten im Vergleich zur Vorjahreserhebung auch die Sauenhaltung spürbar ein, nämlich um 463 500 Tiere oder 4,6 % auf 9,69 Mio. Auch dies ist ein jahrzehntelanger Tiefstwert. Dabei nahm die Zahl der belegten Muttertiere um 4,8 % auf 6,63 Millionen ab, der Bestand an tragenden und noch nicht tragenden Jungsauen sogar um 6,1 % auf 2,43 Mio.. Letzteres deutet auf eine schlechte Zukunftserwartung der Ferkelproduzenten hin. Im ersten Halbjahr 2022 ist die EU-Schweinefleischerzeugung gegenüber dem Vorjahreszeitraum bereits um 3,9 % auf 11,33 Mio. t gesunken. In ihrer Sommerprognose ging die Brüssler Kommission davon aus, dass die Gesamtproduktion in diesem Jahr im Vergleich zu 2021 um 4,7 % auf 22,5 Mio. t Schweinefleisch abnehmen wird.

In elf der 13 Mitgliedstaaten sind die Schweinebestände in diesem Frühjahr mehr oder weniger deutlich gegenüber der Vorjahreserhebung abgebaut worden. Ausnahmen waren lediglich der „Kleinerzeuger“ Schweden mit einem Plus von 2,7 % sowie der führende EU-Schweineproduzent Spanien. Nach vorläufigen Angaben des Madrider Landwirtschaftsministeriums nahm dort die Schweinepopulation gegenüber Mai 2021 um 146.000 Tiere oder 0,5 % auf den neuen Rekord von 32,55 Mio. Stück zu. Die Zunahme der „normalen Schweineherde“ war mit 1,3 % auf 29,51 Mio. Stück sogar noch etwas stärker ausgeprägt, doch bremste der Rückgang von 7,2 % auf 3,04 Mio. Iberico-Schweine das Wachstum des Gesamtbestandes. Zu beachten ist bei der Interpretation der Daten, dass der Zuwachs des spanischen Gesamtbestandes im Wesentlichen auf das Konto einer viel höheren Ferkelzahl ging. Dem Ministerium zufolge gab es im Mai 9,70 Mio. Schweine unter 20 kg im Land; das waren rund 10 % mehr als ein Jahr zuvor. Im Frühjahr war Spaniens Importnachfrage für Ferkel spürbar gestiegen, da es Tiergesundheitsprobleme im Sauenbestand gab. Dies machte sich in der Erhebung auch an der geringeren Zahl an Mastschweinen ab 50 kg bemerkbar, die im Vorjahresvergleich um 5,3 % auf 13,02 Mio. abnahm.

Die für die weitere Produktionsentwicklung wichtige Zahl der Zuchtsauen in Spanien stieg gegenüber Mai 2021 geringfügig, nämlich um rund 10.000 Tiere oder 0,4 % auf 2,67 Mio. Für die tragenden Muttertiere wurde eine Zunahme von 1,0 % gemeldet. Auffällig ist jedoch, dass es bei den erstmals belegten Jungsauen zu einer recht deutlichen Abnahme von 7,5 % auf 275.000 Tiere kam. Noch deutlicher war das Minus bei den noch nicht belegten Jungsauen mit 9,2 % auf 333.500 Stück. Der klare Bestandsrückgang bei den Jungsauen lässt vermuten, dass zumindest die spanischen Ferkelproduzenten doch auf die Bremse treten. Im ersten Halbjahr 2022 nahm die Schweinefleischerzeugung der Iberer gegenüber den ersten sechs Monaten des Vorjahres noch um 1,6 % auf fast 2,64 Mio. t zu. Seit Juni werden aber auch in Spanien weniger Schweine als im Vorjahr an die Schlachthöfe geliefert, und die Schlachtgewichte der Tiere wiesen in diesen Sommer das niedrigste Niveau seit Jahren auf. Neben den gestiegenen Produktionskosten auf Seiten der Erzeuger und der Schlachtunternehmen belastet 2022 der starke Rückgang der Schweinefleischexporte um rund 60 % nach China die spanische Schweinebranche; das Land ist Hauptlieferant für die Volksrepublik. Falls die spanische Schweineproduktion in diesem Jahr zulegen sollte, dann mit einer sehr viel geringeren Wachstumsrate als in früheren Jahren.

Einen wesentlichen Beitrag zum Rückgang der EU-Schweinebestände leistete Deutschland. Die hierzulande gehaltene Zahl an Tieren brach gegenüber der Erhebung im Mai 2021 um 2,36 Mio. oder 9,6 % auf 22,34 Mio. Stück ein. Das bedeutete den geringsten Bestand seit dem Wiedervereinigungsjahr. Die stärkste relative Abnahme aller Mitgliedstaaten wurde jedoch aus Polen mit 12,9 % auf nur noch 9,61 Mio. Stück gemeldet. Dabei wurde dort ein dramatischer Rückgang der Sauenherde um 17,5 % auf 606.000 Muttertiere verzeichnet. Auch beim nördlichen Nachbarn Dänemark stockten die Erzeuger ihre Herde spürbar ab, und zwar um 7,5 % auf 13,17 Mio. Tiere, wobei sich das Minus im Sauenbestand auf 6,6 % belief. Für Ungarn und Rumänien wurden Rückgänge der Schweinepopulation von jeweils 5,9 % gemeldet.

In Frankreich, Nummer drei der Schweinehaltung in der EU, nahm sowohl die Zahl der Schweine insgesamt als auch die der Sauen um 2,5 % ab. Insgesamt wurden noch 12,66 Millionen Schweine in Frankreich gehalten. Nach einer deutlichen Abstockung im Vorjahr fiel der Abbau der Schweinehaltung in den Niederlanden aktuell nicht mehr ganz so stark aus. Die Schweineherde verringerte sich dort um 1,0 % auf 11,24 Mio. Stück; bei den Sauen war eine Abnahme von 1,9 % zu verzeichnen. Zudem wurden auch in Italien, Österreich, Irland und Belgien zwischen 2,1 % und 4,8 % weniger Schweine als im Frühjahr 2021 gehalten; noch etwas stärker wurden dabei die Sauenbestände in diesen Ländern abgebaut.