Haltungskennzeichnung trotz Kritik durchgewunken

Ab Sommer 2023 könnte eine Kennzeichnung schon verpflichtend sein.

Im Vorfeld übten nochmals viele landwirtschaftliche Branchenverbände scharfe Kritik am Vorstoß von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), genützt hat es am Ende wenig. Gestern hat das Bundeskabinett dessen "Gesetz zur Kennzeichnung von Lebensmitteln mit der Haltungsform der Tiere, von denen die Lebensmittel gewonnen wurden" – kurz Tierhaltungskennzeichnungsgesetz – zugestimmt. Die erste Lesung im Bundestag ist noch für dieses Jahr geplant und damit könnte bereits ab dem kommenden Sommer eine Kennzeichnung nach Haltungsform für inländisches Schweinefleisch zur Pflicht werden. Sie soll allerdings erstmal nur für verpacktes und frisches Schweinefleisch im Lebensmitteleinzelhandel (LEH), in Metzgereien und im Fachhandel sowie im online Handel zur Anwendung kommen. Ausländischen Produzenten soll es freistehen, ob sie sich dem Kennzeichnungssystem anschließen.

Hinsichtlich der Einteilung bleibt es bei den bereits vorgestellten fünf Haltungsformen, die sich ausschließlich auf die Mast beziehen:

· Stall: Haltung entspricht den gesetzlichen Mindestanforderungen.

· Stall + Platz: 20 % mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard und die Buchten sind durch verschiedene Maßnahmen, wie z. B. Trennwände oder unterschiedliche Ebenen, strukturiert.

· Frischluftstall: Den Schweinen wird ein dauerhafter Außenklimareiz und 46 % mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard angeboten.

· Auslauf/Freiland: Den Schweinen steht ganztägig, mindestens jedoch acht Stunden pro Tag, ein Auslauf zur Verfügung bzw. sie werden in diesem Zeitraum im Freien ohne festes Stallgebäude gehalten. Zudem erhalten sie 86 % mehr Platz im Vergleich zum gesetzlichen Mindeststandard.

· Bio: Die Lebensmittel wurden nach den Anforderungen der EU-Ökoverordnung (EU) 2018/848 erzeugt. Damit einhergeht noch mehr Auslauf und Platz im Vergleich zu den anderen Haltungsstufen.

Nach dem Kabinettsbeschluss verteidigte der Bundeslandwirtschaftsminister die Nicht-Berücksichtigung der Ferkelerzeugung bzw. der weiteren Verarbeitungsstufen und Gastronomie. Hier sei noch eine Notifizierung der Maßnahmen aus Brüssel notwendig. „Es ist etwas Neues, dass ein EU-Mitgliedsstaat bei der Kennzeichnung vorangeht. Sobald die Genehmigung da ist, gehen wir weiter – auch, was andere Nutztierarten angeht“, versprach der Cem Özdemir.

Auch hinsichtlich der Kritik, dass Schweine und Fleischprodukte aus dem Ausland nicht der Kennzeichnungspflicht unterliegen, verwies der Minister auf europarechtliche Hürden. Einfach so umgesetzt, wäre dies ein Diskriminierungstatbestand. „Das darf ich nicht“, betonte der Bundesminister. Man würde aber mit dem Handel sprechen und für eine freiwillige Kennzeichnung auch bei Importware werben.

Um zu verhindern, dass ausländische Produkte womöglich die Lücke füllen, die hohe Auflagen und Strukturwandel im deutschen Fleischangebot reißen, setzt sich Özdemir auch für eine Herkunftskennzeichnung ein. Der Grünen-Politiker erklärte, er habe von der EU-Kommission die feste Zusage erhalten, dass diese Anfang kommenden Jahres im Staatenbündnis eingeführt wird. Dann werde man nicht nur sehen können wie das Tier gehalten worden sei, sondern auch, wo es herkomme, erklärte der Politiker.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte die Entscheidung des Bundeskabinetts. „Diese Haltungskennzeichnung hat deutliche Schwachstellen und Lücken, mit denen die angestrebte Wirkung nicht nur verfehlt, sondern in Teilen sogar konterkariert wird“, so DBV-Präsident Joachim Rukwied. Beispielhaft dafür nannte er die Fokussierung auf die Mast. Ohne Berücksichtigung der Sauenhaltung können betäubungslos kastrierte Importferkel das Tierwohllabel erhalten. Zudem sieht der DBV noch mehr Dokumentationsaufwand auf die Betriebe zukommen.

Auch die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) findet klare Worte: „Eine Frechheit, dass das BMEL seinen missglückten Entwurf in unwesentlich überarbeiteter Form weiter durchziehen will, obwohl dieser in nahezu allen Stellungnahmen der Länder und Verbände zerrissen wurde. Unfassbar, dass das Bundeskabinett diese Verbrauchertäuschung mitträgt“, heißt es in einer ersten Stellungnahme.