Borchert-Kommission pausiert

Die Landwirtschaftsexperten pochen auf eine staatliche Prämie.

Die Borchert-Kommission lässt bis auf weiteres ihre Arbeit ruhen. Zwar hat das Gremium auf seiner Sitzung am vergangenen Donnerstag in Berlin der Bitte von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir grundsätzlich entsprochen, den Umbau der Tierhaltung weiter zu begleiten. Eine Fortsetzung sei jedoch nur sinnvoll, „wenn die Bundesregierung den Einstieg in eine langfristig vertraglich zugesicherte und staatlich finanzierte Tierwohlprämie beschließt“. Erst dann sei man wieder zur Mitarbeit bereit, erklärt das sogenannte Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung in seinem Beschluss, den der Vorsitzende Jochen Borchert vorgelegt hatte. Er begründete die Entscheidung mit der Unzufriedenheit über den Stand der politischen Diskussion: „Wir lehnen es ab, als Feigenblatt für eine Politik zu dienen, die nicht imstande ist, die notwendigen Weichenstellungen vorzunehmen.“ Die Arbeit werde man erst dann wieder aufnehmen, wenn es eine Einigung der Ampelkoalition auf ein tragfähiges Finanzierungskonzept gibt. Dafür stelle man zwar kein Ultimatum. Sollte sich bis Jahresende jedoch nichts getan haben, werde man sich zusammensetzen und das bewerten. „Wir werden unsere Entscheidung im Lichte der politischen Diskussion in den kommenden Wochen treffen“, kündigte Borchert an.

In seinem Beschluss übt das Kompetenznetzwerk deutliche Kritik an der FDP, die bislang keinem der vorgeschlagenen und machbaren Finanzierungsoptionen zustimme. Für wenig zielführend hält es den zuletzt bekanntgewordenen Vorschlag einer nicht weiter spezifizierten Tierwohlabgabe und warnt davor, noch mehr Zeit zu verspielen. FDP-Agrarsprecher Dr. Gero Hocker bekräftigte am Donnerstagabend in der Haushaltsdebatte des Bundestages die Verhandlungsbereitschaft seiner Partei für ein Finanzierungskonzept zum Umbau der Tierhaltung, das eine Tierwohlprämie zum Ausgleich laufender Kosten enthält. Hocker sprach sich für eine Tierwohlabgabe in einer Höhe von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch aus. Voraussetzung sei jedoch ein 20jähriges Auflagenmoratorium für Tierhalter. „Wir machen einen Schritt auf unsere Koalitionspartner zu“, betonte der FDP-Politiker. Nun liege es an ihnen, ihren Beitrag zu einer Einigung zu leisten. Insbesondere die Grünen seien gefordert, „von ihrem ideologischen Baum herabzusteigen“.

Borchert äußerte sich zurückhaltend zu dem FDP-Vorschlag. „Mir ist bis heute schleierhaft, was die FDP eigentlich meint“, sagte der frühere Bundeslandwirtschaftsminister. Die bisherigen Äußerungen aus der Partei könnten nach seiner Einschätzung darauf hindeuten, dass eine privatwirtschaftliche Abgabe bevorzugt wird. Das vorliegende Rechtsgutachten habe jedoch ergeben, dass eine solche Abgabe mit einem kaum zu vertretenen bürokratischen Aufwand verbunden wäre und keine langfristig sicheren staatlichen Verträge ermöglichen würde. „Ich halte dieses Modell für ungeeignet“, betonte Borchert. Solange die FDP nicht kläre, was sie unter Tierwohlabgabe verstehe, bleibe er bei seiner Einschätzung, „dass die bisherigen Verlautbarungen in erster Linie mit Blick auf die Landtagswahl am 9. Oktober in Niedersachsen getroffen wurden“. Für ihn steht außer Frage, dass das Finanzierungskonzept neben der Investitionsförderung eine Kompensation der laufenden Mehrkosten einschließen muss: „Die Landwirte brauchen langfristige staatliche Verträge über mindestens 15, besser jedoch 20 Jahre, die ihnen diese Unterstützung in Form einer staatlichen Tierwohlprämie garantiert.“ Anderenfalls werde sich kaum ein Landwirt darauf einlassen. Als Einstieg in die langfristige Finanzierung einer Tierwohlprämie könne dienen, die im Bundeshaushalt bislang ausschließlich für die Investitionsförderung vorgesehenen Mittel von 1 Mrd Euro auch zur Kompensation laufender Kosten einzusetzen. Voraussetzung dafür wäre Borchert zufolge allerdings ein entsprechender Beschluss der Bundesregierung sowie Sicherheit durch langfristige staatliche Verträge.

Borchert warnte davor zu glauben, man könne die Finanzierungsdebatte noch weiter in die Länge ziehen: „Die Tierhalter verlieren nach nunmehr zweieinhalbjährigen Diskussionen zunehmend das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik.“ Wenn man nicht zusammenkomme, müsse man das irgendwann auch klar sagen. „Ich fände es ausgesprochen schade, wenn es so weit käme“, so der Kommissionsvorsitzende. Die Empfehlungen des Kompetenznetzwerks böten die Chance, die tierische Erzeugung in Deutschland zu halten. „Die Mitglieder des Kompetenzwerks, ich eingeschlossen, haben große Lust, weiterzumachen.“ Dafür müssten aber die Voraussetzungen gegeben sein. Komme der skizzierte und breit getragene Umbau der Tierhaltung nicht, wird sich der Strukturwandel laut Borchert dramatisch verschärfen und die Erzeugung massiv zurückgehen. Seiner Einschätzung nach hätte das weitreichende Folgen bis hin zu Fragen der Ernährungssicherheit.

Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir bezeichnete in der Haushaltsdebatte den Wandel der Tierhaltung als „überfällig“. Ohne einen Umbau werde es nicht gelingen, die Fleischerzeugung in Deutschland zu halten. Voraussetzung dafür sei, dass der Staat sowohl den Umbau der Ställe fördere, als auch Unterstützung für die laufenden Kosten der Betriebe infolge höherer Standards gewähre. Der Grünen-Politiker zeigte sich optimistisch, dass man innerhalb der Koalition eine Einigung erreichen werde, die eine Kompensation der laufenden Kosten einschließe. „Die Bauern brauchen Planungssicherheit“, stellte Özdemir fest. Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, hatte im Vorfeld der Haushaltsberatungen die Regierungsparteien aufgefordert, mehr Mittel für den Umbau der Tierhaltung zur Verfügung zu stellen: „Es kann nicht sein, dass wir jahrelang über mehr Tierwohl in den Ställen sprechen und dann unsere Tierhalter im Regen stehen gelassen werden“. Speziell die FDP rief Rukwied dazu auf, „ihre Blockadehaltung aufzugeben und sich endlich zur Zukunft der Tierhaltung in Deutschland zu bekennen“. Ohne zusätzliches Geld werde das nicht gelingen. Entscheidend sei zudem eine Anpassung des Bau- und Genehmigungsrechts.

Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast äußerte Verständnis für die Entscheidung der Borchert-Kommission, ihre Arbeit zunächst ruhen zu lassen. Die Ministerin erwartet von der FDP, „dass sie endlich ihren Widerstand gegen eine verlässliche Finanzierung des Umbaus der Nutztierhaltung aufgibt“. Anders werde man den tierhaltenden Betrieben keine Zukunftsperspektive und keine Planungssicherheit geben können. „Statt die Transformation der Landwirtschaft zu gestalten, schaut man tatenlos zu und lässt die Landwirtinnen und Landwirte völlig alleine“, so Otte-Kinast an die Adresse der Regierungskoalition in Berlin. Wenn das so weitergehe, müsse man von „einem Totalausfall der Ampel“ sprechen.

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) äußerte Verständnis, dass die teilnehmenden Akteure der Borchert-Kommission frustriert seien. Deren Gesamtkonzept sei von den politischen Akteuren „vollkommen filetiert und damit komplett ausgehebelt“ worden, kritisierte ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack mit Blick auch auf die aus seiner Sicht völlig mangelhaften Entwürfe für eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung. „Gerade deshalb ist es trotz des Frustes keinesfalls zielführend, jetzt die Pausetaste in der Borchert-Kommission zu drücken“, mahnte Staack und fragte: „Wer wird denn nun die von fast allen Seiten geäußerte Kritik an den mit gravierenden Mängeln behafteten Entwürfe zum Tierhaltungskennzeichengesetz und zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung aus dem Bundesministerium aufarbeiten und wieder zu einem Gesamtkonzept zusammenführen?“ Allen müsse klar sein, „ohne Gesamtkonzept mit Finanzierung und Abbau der Genehmigungshürden bleibt nur noch das Ordnungsrecht übrig“. Staack: „Für eine Pause ist überhaupt keine Zeit, wenn man das Abwandern der Schweinehaltung in Deutschland noch bremsen will."