Nienhoff: Tierwohllabel muss vom Markt getragen werden

Kritisch bewertet der Geschäftsführer der QS Qualität und Sicherheit GmbH, Dr. Hermann-Josef Nienhoff, die bisherigen Aktivitäten des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Schaffung eines staatlichen Tierwohllabels. Zwar halte er den Ansatz im Grundsatz für richtig, mit Hilfe des Labels eine höhere Zahlungsbereitschaft für Tierwohl-Produkte abzuschöpfen, sagt Nienhoff im Interview mit AGRA-EUROPE. Die dazu getroffenen Annahmen hält er jedoch für nicht realistisch. So seien Aufschläge für Frischfleisch an der Ladentheke von bis zu 30 % bereits für die Einstiegsstufe nicht am Markt zu realisieren.Der QS-Geschäftsführer wirft dem Agrarressort vor, sich nicht ernsthaft mit den Wirtschaftsbeteiligten um einen gemeinsamen Weg bemüht zu haben. Nienhoff bekräftigt die Forderung nach einer nationalen Nutztierstrategie, in die ein Label eingebettet sein müsse. Ein Label könne ein wichtiges Element sein, „wenn wir uns über die Grundausrichtung klar geworden sind“. Nienhoff plädiert dafür, die Initiative Tierwohl schrittweise in ein Labelkonzept zu überführen. Den dafür notwendigen Zeitraum schätzt er auf fünf Jahre ein.Ausdrücklich betont Nienhoff die erfolgreiche Entwicklung der Initiative Tierwohl. Mit ihr sei ein Prozess angeschoben worden, „in dem sich sehr viele Landwirte sehr intensiv mit der Frage beschäftigen, wie sie ihren Betrieb für die Zukunft aufstellen“. Nach der Finanzzusage des Handels werde man in den kommenden drei Jahren die doppelte Zahl an Betrieben berücksichtigen können wie zuletzt; eine Warteliste werde es nicht mehr geben. Die Konzeption der Tierwohlinitiative sei nur bedingt übertragbar auf das Label. So müsse ein Label zwingend vom Markt getragen werden, eine Fondslösung sei allenfalls vorübergehend denkbar. Für nicht denkbar hält Nienhoff zudem ein Nebeneinander von Tierwohlinitiative und Label. Er plädiert für ein Hinübergleiten von der Tierwohl-Initiative in ein Label mit Nämlichkeit und Identität der Ware. Dafür müssten in den nächsten Jahren die Voraussetzungen geschaffen werden. Eine Einbeziehung von Vertretern des Tierschutzes bezeichnet Nienhoff als „wünschenswert, aber nicht zwingend“. Entscheiden über ein Label werde der Markt, „ob mit oder ohne Tierschutzverbänden“.
Positiv wertet der QS-Geschäftsführer das Bekenntnis von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, mit der Lokalanästhesie einen vierten Weg als Alternative zur betäubungslosen Ferkelkastration zu eröffnen. Die lokale Betäubung sei die praktikabelste Variante und könne dazu beitragen, Strukturbrüche in der Sauenhaltung insbesondere in Süddeutschland zu vermeiden. Allerdings müsse zuvor alles daran gesetzt werden, dass dieser Weg auch tier- und praxisgerecht umgesetzt werden könne. Beispielsweise müsse sichergestellt sein, dass die in Frage kommenden Betäubungsmittel die entsprechende Zulassung bekommen. Entscheidend für den Erfolg der lokalen Betäubung werde die richtige Anwendung durch die Landwirte sein. Bedenken von Tierschützern gegen die lokale Betäubung weist Nienhoff als wissenschaftlich überholt zurück. Vom Lebensmitteleinzelhandel erwartet er ein eindeutiges Bekenntnis, dass die vier zur Verfügung stehenden Verfahren - Eingriff unter Narkose, Immunokastration, Jungebermast und Lokalanästhesie - als gleichwertig anerkannt werden. „Andernfalls bekommen wir gespaltene Märkte mit Auswirkungen auf die gesamte Kette, die schwer vorhersehbar sind“, warnt der Leiter der Koordinierungsplattform „Verzicht auf betäubungslose Ferkelkastration“.