Dr. Christina Jais: Hauptfokus ist Tierwohl!

Ein Gespräch mit Dr. Christina Jais über bäuerlich moderne Tierhaltung im Spannungsfeld zwischen Tierwohl, Wirtschaftlichkeit und der Arbeitsbelastung der Landwirte.

Frau Dr. Jais, die konventionelle Schweinehaltung steht in der Kritik. Wie sehen Sie das als Wissenschaftlerin?
Themen, die noch vor zehn Jahren nur in Tierschutzkreisen diskutiert wurden, sind jetzt in der gesamten Gesellschaft angekommen. In der Forschung und beim Bauern vor Ort ging es lange Zeit in erster Linie um die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und eine effizientere Erzeugung. Ziel war es fast ausschließlich, möglichst kostensparend Schweinefleisch zu erzeugen. Der Blick hat sich aber schon vor einigen Jahren geändert.

Zur Kritik tragen Diskussionen zur Kastration, zum Schwänzekupieren oder zur Sauenhaltung im engen Kastenstand bei.
Das sind alles Themen, die im Grunde unsere aktuellen Produktionsverfahren teilweise in Frage stellen. Aber genau daran arbeiten wir in unseren Forschungsprojekten, indem wir neue Stallkonzepte entwickeln, wissenschaftlich untersuchen und auf ihre Praxistauglichkeit testen. Unser Hauptfokus ist schon seit Jahren das Tierwohl. Auch angesichts des veränderten Verbraucherverhaltens müssen wir den Bauern helfen, wirtschaftlich vertretbar mehr Tiergerechtigkeit in den Stallungen umzusetzen. Nur so erreichen wir langfristig wieder eine breite gesellschaftliche Akzeptanz.

Machen die Bauern mit?
Unterschätzen Sie nicht vor allem die jüngere Generation. Ich muss hier eine Lanze für die Landwirte brechen. Natürlich gibt es schwarze Schafe, aber grundsätzlich haben unsere Landwirte ein großes Interesse, dass sich ihre Tiere wohlfühlen. Geringe Tierverluste sind eines der wichtigsten Ziele in der Schweinehaltung, egal ob bio oder konventionell. Ich kenne Familienbetriebe, die an der Grenze der Belastbarkeit arbeiten, gerade weil sie sich für ihre Schweine einsetzen. Da gibt es Bauern, die nachts im Stall schlafen, wenn die Sauen werfen. Wenn ich von Wirtschaftlichkeit spreche, berührt das ja auch die Frage: Ist die zeitliche und körperliche Belastung des Landwirts noch vertretbar? Auch darum berücksichtigen wir selbstverständlich weiterhin neben der Tiergerechtheit die Arbeitsbedingungen und Ökonomie bei unseren Forschungsprojekten.

Welche Themen bearbeiten Sie gerade konkret?
Bei der Ferkelerzeugung beschäftigen wir uns nun schon seit Jahren mit verschiedenen Typen sogenannter Bewegungsbuchten. Damit wollen wir erreichen, dass Sauen schon wenige Tage nach der Geburt ihrer Ferkel wieder frei laufen dürfen. Aber da hängen natürlich neue Fragen dran. Haben die neuen Buchten Gefahrenstellen? Funktionieren die Buchten auch praktisch und sind sie anwenderfreundlich? Wie können wir verhindern, dass die Sauen ihre Ferkel versehentlich erdrücken? Solche Fragen lassen sich nur in vielen Versuchen und Tests beantworten.Bei der Mast ist der Verzicht auf das Kürzen der Ferkelschwänze ein großes Thema in unserer Forschungstätigkeit. Aktuell arbeiten wir an sogenannten Komfort-Plus-Buchten mit Liegebereichen, Heu als Beschäftigungsmaterial, Mikrosuhle und höherem Platzangebot je Tier.

In Schwarzenau werden derzeit neue Demonstrations- und Versuchsställe gebaut. Wo sehen Sie perspektivisch ihre Forschungsarbeit?
Der Neubau der Tierwohlställe ist für uns ein Glücksfall. Damit bekommen wir noch bessere Möglichkeiten, herkömmliche und alternative Haltungssysteme in ihren Auswirkungen auf Tierverhalten und Tiergesundheit zu untersuchen. Bei unserer Forschungsarbeit wird uns das Thema artgerechte Schweinehaltung sicher noch einige Jahre erhalten bleiben. Aus der Umstellung von Haltungssystemen ergeben sich automatisch neue Fragestellungen, auf die die Forschung Antworten finden muss. Wo gibt es Einsparpotenziale in der Schweinehaltung, die das Tierwohl nicht einschränken? Wie viel Technologie braucht der Schweinestall? Wie gehen wir arbeitstechnisch mit den neuen Entmistungsproblemen um, wenn der Spaltenboden wegfällt. Lassen sich Stallbauten entwickeln, die sich flexibel an neue Haltungsanforderungen anpassen lassen? Die Schweinehaltung ist ein herausforderndes Geschäft, da werden uns die Themen sicher nicht ausgehen. (Quelle: LfL-Jahresbericht)