SUS 5/2021

Außenklimaställe klug planen

Der eingehauste Außenklimastall gewährleistet die nötige Biosicherheit. Wie Sie den Offenstall clever planen.

Vor wenigen Wochen haben die Lebensmitteleinzelhändler Aldi Nord und Süd mit ihrer An­­kündigung für einen Aufschrei gesorgt. Sie wollen ab 2030 nur noch Frischfleisch von Schweinen verkaufen, die in den Haltungsstufen 3 und 4 ge­­mästet worden sind. Andere LEH-Ketten zogen mit ähnlichen Aussagen nach.

Auch wenn viele hinter der Ankündigung eine Werbeaktion der Händler vermuten, ist die Diskussion nicht zu unterschätzen. Denn von politischer Seite werden im Rahmen der Nutztierstrategie bzw. der Borchert-Kommission ebenfalls erhebliche Änderungen in der Schweinehaltung bis 2040 anvisiert.

Zudem ist bereits heute erkennbar, dass sich Lebensmittelhändler vereinzelt auf die Suche nach Schweinehaltern begeben haben, die Tierwohlschweine liefern können. Die Forderungen müssen also durchaus ernst genommen und sollten in die Entwicklungspläne der Betriebe einbezogen werden. Im Fokus steht dabei besonders die Haltungsform 3.

Offene Front

Im Gegensatz zu den Borchert-Plänen richtet sich der Blick der LEH-Ketten beim Schwein bislang ausschließlich auf die Mast. Wichtige Kriterien sind u. a. der zusätzliche Platz (+ 40 %), der Einsatz von Stroh oder ähnlichen Materialien sowie Außenklimareize. Zudem wird ein Schwerpunkt auf die Befunddatener­fassung und das Antibiotikamonitoring gelegt. Hinzu kommen GVO-freie Futtermittel. Um in die Haltungsstufe 3 ein­geordnet zu werden, ist oft die Teilnahme an einem hierfür registrierten Programm vorgeschrieben.

Bei der Umsetzbarkeit der neuen Haltungskonzepte stellt der Außenklimareiz einen Schwerpunkt dar. In den Vorgaben ist zwar der Zusatz „Offenfrontstall“ ergänzt und man geht hier von mindestens 30 % Wandöffnung aus. Letztendlich wird jedoch die Umsetzung des Kriteriums über die Teilnahme an einem regis­trierten Programm festgelegt. Hierdurch ergibt sich eine gewisse Spannbreite in den Vorgaben. So wird in der Stufe 2 des staatlichen Tierwohllabels (entspricht der Haltungsform 3) aktuell beim Kontakt zum Außenklima von einer Öffnung in der Traufenwand von mindestens 40 % ausgegangen.

Biosicherheit gewährleisten

Die Öffnung der Ställe führt zwangsläufig zum Thema Biosicherheit. Denn Krankheitserreger, wie das ASP-Virus, können wesentlich schneller in offene Ställe eingetragen werden. Neue Untersuchungen des Friedrich-Löffler-Instituts belegen eindeutig, dass die Gefahr des Erregereintrags in offene Ställe, z. B. über Vögel, gegeben ist. Dies muss insbesondere mit Blick auf die ASP-Gefährdungslage unbedingt verhindert werden.

Allein die EU-Vorgaben zur ASP-Bekämpfung erfordern, dass die Eckpunkte zur Biosicherheit bei offenen Ställen in der deutschen Gesetzgebung genau festgezurrt sind. Man darf nicht vergessen, dass Seuchenschutz auch Tierschutz ist und dieser immerhin als Staatsziel im Grundgesetz verankert ist.

Die genauen Vorgaben zur Biosicherheit in offenen Ställen sind noch festzu­legen. Klar ist aber: Diese Ställe müssen Vogel-sicher und von oben geschlossen sein. Dies hat inzwischen den Begriff „eingehauster Außenklimastall“ als Zielmarke geprägt.

Die Spannbreite der Ausgestaltung bleibt groß (siehe Übersicht). Eine Öffnung der Stallwände mit Netzausstattung oder ein innenliegender Auslauf sind ebenso denkbar wie angedockte Ausläufe, die überdacht und mit entsprechenden Vogelschutznetzen an den Seiten ausgestattet sind.

Herausforderung Lüftung

Die zweite Herausforderung bei Ställen mit Außenklimareizen ist die Lüftungssteuerung. Sie ist hochkomplex und muss jederzeit sicher arbeiten. Die größten Anforderungen dürfte der Winter stellen, in dem einerseits die Vermeidung von Zugluft, gleichzeitig eine sichere Raumdurchströmung gewährleistet sein muss.

Ställe mit innen und außen liegenden Ausläufen lassen sich in Warm- und Kaltbereiche aufteilen. Der Warmbereich entspricht in der Regel dem bisherigen konventionellen Stall. Hier kann die Lüftung mit Unterdruck mit den bewährten Verfahren oftmals weiter betrieben werden. Eventuell sind Anpassungen notwendig. Bei Bedarf kann der Warmbereich auch einen Abluftfilter erhalten.

Die Lüftung im Kaltbereich erfolgt separat – per Schwerkraft oder auch teilgesteuert. Die Tiere wechseln zwischen dem Kalt- und Warmbereich über Türen, Vorhänge, Klappen oder Schleusen, die mit der Unterdrucklüftung vereinbar sind. Natürlich gibt es auch Stallvarianten, die komplett auf eine Zwangslüftung verzichten und beispielsweise mit Liegekisten o. ä. arbeiten.

Werden die Seitenwände geöffnet, muss die bisher bestehende Lüftung da­rauf abgestimmt werden. Entscheidend ist, inwieweit die Zuluft durch die große Seitenöffnungen gesteuert werden kann. Hier kristallisieren sich in der Praxis u. a. Rollosysteme heraus, die mit einem permanenten Vogelschutznetz zur Gewährleistung der Biosicherheit arbeiten. Zudem kann das Rollo ein Windschutznetz zur Steuerung der Zuluft und bei Bedarf eine Folie zur Absicherung bei extremen Minustemperaturen beinhalten.

Wechsel zur Großgruppe

Da der Außenklimareiz für alle Schweine im Stall zur Verfügung stehen muss, hat dieses oft den Wechsel zur Groß- oder Megagruppe zur Folge. Das heißt, in der Regel muss die Struktur der Abteile komplett umgekrempelt werden. Dadurch ergeben sich allerdings auch mehr Möglichkeiten, die Funktionsbereiche stärker zu strukturieren.

Es stellt sich beispielsweise die Frage, inwieweit ein reduzierter Schlitzanteil im Liegebereich notwendig oder auch vorgegeben ist. Man darf nicht vergessen, dass in der Stufe 3 der Haltungsform Stroh oder entsprechende Materialien gefordert sind. Um die Funktion der Güllesysteme zu erhalten, soll davon möglichst wenig in den Kanälen ankommen.

Unterschätzen darf man auch nicht die Größe der Liegefläche, die je nach Programm in der Endmast in der Größenordnung von 0,6 m² liegt. Auch für Ausläufe gibt es z. T. Platzvorgaben. So wird beim staatlichen Tierwohllabel eine Größe von 0,4 m² je Schwein diskutiert. Im Stall bieten erhöhte Ebenen eine gute Möglichkeit, zumindest einen Teil der zusätzlichen bzw. über die gesetzliche Vorgabe hinausgehenden Buchtenfläche zu schaffen. Gleichzeitig erlauben sie eine weitere Struk­turierung der Buchten.

Probleme mit Genehmigung

Wer seinen Stall zur Haltungsform 3 umrüstet, kommt in der Regel nicht ohne Baugenehmigung aus. Hier liegt das Problem. Denn gerade die meist unverzichtbare Änderung der Lüftung kann zu erheblichen Genehmigungshürden führen. Nicht selten ist unter jetzigen rechtlichen Bedingungen ein Umbau zur Haltungsform 3 nicht genehmigungsfähig.

Was machbar ist, hängt vom Einzelfall ab. Hier spielen die Größe, Lage und Genehmigungsart der Ställe eine wichtige Rolle. Entscheidend ist auch, wie weit die Eingriffe in das Lüftungssystem gehen und inwieweit die Emissionspunkte verändert werden müssen. Die Genehmigungsfähigkeit sollte frühzeitig mit der zuständigen Behörde geprüft werden.

Hohe Umbaukosten

Ohne Frage wird der Umbau zur Haltungsform 3 viel Geld kosten. Eine generelle Einschätzung zur Höhe der Umbaukosten ist kaum möglich. Denn die Ausgangssituationen und die anvisierten Stallformen sind sehr unterschiedlich:

Soll ein Auslauf gebaut oder die Seitenwand geöffnet werden? Wie ändert sich das Lüftungssystem. Wie weit ist die Stalleinrichtung zu erneuern? Ist der Boden auszutauschen oder sind gar Änderungen am Güllesystem notwendig. Wie sieht es mit erhöhten Ebenen oder dem Fütterungssystem aus?

Vor allem die höheren Platzvorgaben kosten Geld. Denn entweder muss Platz durch die Erweiterung der Bausubstanz geschaffen werden oder die Tierzahl muss sinken. Unterschätzt werden dürfen neben den Investitionen auch nicht die laufenden Kosten für das organische Material, das GVO-freie Futter sowie die steigenden Arbeitskosten.

Trotz der Mehraufwendungen muss der Betrieb stabile Gewinne erzielen können. Sie sind für die weitere Betriebsentwicklung unverzichtbar. Ein reiner Kostenausgleich ist zu wenig. Erst wenn die betriebswirtschaftlichen Eckdaten stehen, kann unter Berücksichtigung der Genehmigungsfähigkeit eine Investitionsentscheidung getroffen werden.

Fazit

  • Außenklima ist einer der Haupt­aspekte bei Tierwohlställen.
  • Offenställe müssen den Biosicherheitsstandards genüge tragen.
  • Große Herausforderungen ent­stehen auch bei der Lüftung.
  • Der eingehauste Außenklimastall könnte eine Zielmarke werden.
  • Die Kosten für den Umbau zum Tierwohlstall sind erheblich.
  • Mäster sollten trotz schlechter Erlöse prüfen, welche Entwick­lungsschritte möglich sind.

Drei Konzepte für Ställe mit Haltungsform 3

Bei der linken und mittigen Umbauvariante wird der zusätzliche Platz teils über erhöhte Ebenen bereitgestellt. Bei der rechten Variante sorgt der angebaute Auslauf für zusätzlichen Platz. (Bildquelle: Thiemeyer)

Kommentar: Umbau jetzt ausloten

Bei der katastrophalen Marktlage geht es vielen Betrieben aktuell ums nackte Überleben. Da erscheinen Pläne für mehr Tierwohl fehl am Platze. Zumal beim Um- oder Neubau oft hohe Genehmigungshürden auftreten.

Dennoch kann es sinnvoll sein, für einen Teil der Mast neue Wege zu prüfen – auch um die Vermarktung des Rests zu sichern. Die Erfahrungen der Vorreiter sind wichtig, um Lösungen bei den technischen Hürden zu finden.

Wenn der LEH künftig seine Ziele bei den Haltungsformen 3 und 4 erreichen will, muss er auch heute die Schweine aus den Stufen 1 und 2 auskömmlich be­­zahlen. Sonst geht Vertrauen verloren und den Landwirten fehlt das Geld, um in mehr Tierwohl zu investieren.

Am Zug ist auch die Politik. Sie fordert Tierwohl und hat die Vorgaben so angehoben, dass deutsches Fleisch an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Jetzt muss die Politik den Umbau der Ställe genehmigungsrechtlich ermöglichen und für einen auskömmlichen finanziellen Ausgleich sorgen.

Dr. Karl-Heinz Tölle, ISN