Nach der Novellierung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung haben jetzt die Tierschutzreferenten der Bundesländer im national gültigen Handbuch die Ausführungshinweise für die Amtsveterinäre angepasst. Diese Hinweise sind zwar nicht rechtsbindend. Sie sollen aber den Interpretationsspielraum bei der Umsetzung der Verordnung eingrenzen und bei den behördlichen Kontrollen der Betriebe als Leitplanken dienen. Damit haben sie auch für die Landwirte eine sehr hohe Bedeutung. Denn neben der Einhaltung der unterschiedlichen, aber klar gesetzten Fristen wird es bei der betriebsindividuellen Umsetzung der Haltungs-VO darauf ankommen, dass Schweinehalter und Amtsveterinäre die Vorgaben gleich auslegen.
Rechenformel für Nestgröße
Angefangen bei der Gestaltung des Ferkelnestes in neu- bzw. umgebauten Abferkelställen. Dieses soll allen Tieren ein gleichzeitiges, ungestörtes Ruhen ermöglichen. Der geschlossene Boden ist wärmegedämmt und beheizt oder mit einer geeigneten Einstreu bedeckt. Bei der Festlegung der Nestgröße wird auf eine Rechenformel verwiesen, die sich auf das mittlere Absetzgewicht und die Durchschnittszahl abgesetzter Ferkel bezieht. Daraus ergeben sich Größen, die selbst in Bewegungsbuchten von 6,5 m² eine Herausforderung darstellen werden (siehe Übersicht 1). So muss der Liegebereich bei einer mittleren Wurfgröße von zwölf Absetzferkeln und einem durchschnittlichen Absetzgewicht von 7,5 kg bereits eine Größe von 1,5 m² aufweisen (siehe Übersicht 2). In vielen Altanlagen sind die Nester auf 0,6 bis 0,8 m2 ausgelegt. Etwas abgemildert wird diese Vorgabe dadurch, dass die Liegefläche nicht komplett beheizt, sondern lediglich wärmegedämmt und planbefestigt sein soll. Sie muss auch nicht zusammenhängend sein. Allerdings wird davon losgelöst vorgeschrieben, dass im Bereich des Ferkelschutzkorbes ein nennenswerter Teil des Bodens einen maximalen Schlitzanteil von 7 % aufweisen darf.
5 m2 frei verfügbare Fläche
Auch die Vorgaben zur Fixierung von Sauen werden in den Ausführungshinweisen aufgegriffen. So dürfen die Sauen im Deckzentrum bis zum Ende der Übergangsfrist in acht Jahren (siehe Übersicht 3) in Kastenständen gehalten werden. Voraussetzung ist, dass sie sich in beidseitiger Seitenlage ohne ein bauliches Hindernis hinlegen können. Im Handbuch ist festgelegt, dass die Eignung der Kastenstände im Einzelfall zu prüfen ist und sich an der Länge und der Rumpftiefe der Sau orientiert. Wandständige Kastenstände können gegebenenfalls nicht mehr genutzt werden. Ab dem Jahr 2029 bzw. für Neu- und Umbauten sofort wird die Fixierungsdauer im Deckzentrum stark eingegrenzt. Dann darf eine Festsetzung nur noch zur Brunstkontrolle, zum Besamen und für medizinische Behandlungsmaßnahmen erfolgen. Zudem gilt bis zur Besamung, dass den Alt- und Jungsauen 1,3 m² Liegefläche und insgesamt 5 m² frei verfügbare Fläche angeboten wird. Mit Ausnahme der Flächen unter dem Trog und den Gittern wird der Platz in frei zugänglichen Fress-Liegebuchten als uneingeschränkt nutzbare Fläche gewertet.Um als Liegefläche vom Zeitpunkt des Absetzens bis zum Belegen anerkannt werden zu können, muss der Platz in den Buchten (lichtes Maß) aber mindestens 1,3 m² betragen. Die Vorgaben im Deckzentrum gelten auch für Zuchtläufer in der Woche vor der Erstbelegung.
Längere Frist für Abferkelung
Die Platzvorgaben für die Gruppenhaltung im Wartebereich bleiben im Kern unangetastet, werden aber durch einen neuen Passus zu Kranken- und Separationsbuchten berührt. So müssen diese Buchten zukünftig in Neu- und Umbauten in der Größenordnung von 5 % der in Gruppe gehaltenen Sauen vorgehalten werden und mindestens 4 m² pro Tier bieten.Deutlich gravierender soll die Haltung im Abferkelstall angepasst werden. So dürfen die Sauen spätestens in 15 Jahren nur noch für fünf Tage rund um die Geburt fixiert werden. Auch hier gilt, dass Betriebe, die vor Fristende in einen Neu- bzw. Umbau mit mindestens 6,5 m² großen Bewegungsbuchten investieren, diese Vorgaben sofort umsetzen müssen.
Faserreiche Beschäftigung
Beim Beschäftigungsmaterial schreibt die neue Haltungs-VO vor, dass ab dem 1. August dieses Jahres allen Schweinen, einschließlich der Saugferkel, organisches und faserreiches Beschäftigungsmaterial vorgelegt wird. Wichtig ist, dass die organischen Materialien untersuchbar, bewegbar und in der Struktur veränderbar sind. Diese Eigenschaften erfüllen z. B. Stroh, Heu oder Sägemehl. Bei Pellets, Cobs oder gemischtem Raufutter wird ein Rohfasergehalt von 20 % in der Trockensubstanz vorgegeben.Auch Holz zählt in eingeschränkter Anwendung weiter zu den anerkannten Beschäftigungsmaterialien. Allerdings ist bei dessen Einsatz sicherzustellen, dass es innerhalb weniger Tage zerkaut werden kann. Dafür muss es sich um weiches Holz handeln und die Materialstärke ist dem Alter der Schweine anzupassen. Außerdem gilt ein Beschäftigungsmaterial nur als untersuchbar, wenn die Tiere es mit hebelnden bzw. wühlenden Bewegungen bearbeiten können. Das setzt auch beim Holz eine bodennahe Darbietung voraus. Baumwollseile und Jutesäcke sind unter diesen Bedingungen ebenfalls zugelassen.
Strohraufe für zwölf Tiere
Klar definiert ist der Umfang an Beschäftigungsmaterial. So reicht z. B. ein Stück Holz, ein Kauseil oder eine Knabberstange für zwölf Tiere. Wird das Material über Raufen, Automaten oder andere Verabreichungsformen mit mehreren Plätzen vorgelegt, gilt ebenso ein Tier : Platz-Verhältnis von 12 : 1.Bei Schwanzbeißen muss dem Handbuch zufolge extra Beschäftigungsmaterial angeboten werden. Dabei ist sicherzustellen, dass Einzelgaben von Stroh oder anderen Materialien bis zur nächsten Gabe ausreichen. Deswegen wird empfohlen, zusätzlich dauerhafte Beschäftigungsobjekte wie Kauseile einzusetzen.Auch wenn sich bezüglich des Nestbaumaterials im Rahmen der Gesetzesnovellierung nichts geändert hat, ist dieses Thema im Handbuch aufgegriffen worden. So soll den Sauen spätestens ab dem 112. Trächtigkeitstag entsprechendes Material angeboten werden. In Altställen, in denen der Einsatz von Stroh nicht möglich ist, lässt sich diese Vorgabe mit Jutesäcken oder Ähnlichem erfüllen. Bei neu- bzw. umgebauten Abferkelställen wird erwartet, dass „optimal geeignetes“ Material eingesetzt wird.
Beratung bei schlechter Luft
Im Zuge der Verordnungsnovellierung wurde das Wort „dauerhaft“ im Zusammenhang mit der Überschreitung von Schadgas- und Lärmgrenzwerten entfernt. Die Ausführungshinweise verweisen in Bezug auf die Schadgase auf die Empfehlungen für Stallklimaprüfungen des LAVES. Dort werden neben der Einordnung der Messverfahren die Anzahl und Positionen der Messpunkte beschrieben. Hierbei ist entscheidend, dass die Messungen im Liegebereich und auf Kopfhöhe der Tiere vorgenommen werden. Der Kotbereich wird als ungeeigneter Messort bezeichnet.Darüber hinaus wird im Handbuch zwar gefordert, dass bei einem Verdacht auf hohe Schadgaskonzentrationen eine Überprüfung durch einen Stallklimaexperten erfolgen muss. Kurzzeitige Überschreitungen des Grenzwertes von 20 ppm Ammoniak, z. B. beim Gülleablassen, werden allerdings toleriert. Auch bezüglich des in der Verordnung formulierten Lärmgrenzwertes von 85 dB wurde versucht, auf die Rahmenbedingungen in der Praxis Rücksicht zu nehmen. So bezieht sich diese Vorgabe ausschließlich auf technisch bedingten Lärm und nicht auf Lautäußerungen der Tiere. Genau hingeschaut werden muss auch bei den in der Verordnung veranschlagten Regeln zur Beleuchtung. Als Maßstab gelten 80 Lux über acht Stunden am Tag. In abgegrenzten Buchtenzonen wie der Liegefläche sind 40 Lux vorgeschrieben.Aus fachlicher Sicht wird diese Lichtintensität zwar immer noch als zu hoch angesehen, um den Tieren z. B. in Bettenställen einen angenehmen Ruhebereich einrichten zu können. Sie muss aber wie die Vorgaben zu den Schadgasen und Lärm sofort umgesetzt werden.
Diskussionen um Sensortrog
Für Diskussionen bei den Tierhaltern sorgt der Umstand, dass in der Haltungs-VO nur noch in restriktive Fütterung mit einem Tier : Fressplatz-Verhältnis von 1 : 1 und der ad libitum-Fütterung mit dem Verhältnis 4 : 1 unterschieden wird. Breiautomaten, Abrufstationen und ähnliche Fütterungsvorrichtungen sind hiervon ausgenommen. Die tagesrationierte Fütterung mit dem Verhältnis von 1 : 2 wurde gestrichen. Obwohl Sensorfütterungen mit Kurztrog auch zuvor nicht in diese Kategorie fielen, ist eine Diskussion über dieses System entfacht. Laut Handbuch ist diese Fütterungstechnik als ad libitum-Fütterung mit einem Tier : Fressplatzverhältnis von 4 : 1 und einem praktisch nie leeren Trog einzustufen. Und genau letzteres ist das Problem. Denn das widerspricht zum einen dem Funktionsprinzip einer Kurztrogfütterung, bei der sich Futtermenge und Ausdosierzeitpunkte nach dem Appetit der Tiere richten. Zum anderen wurde für die Nacht keine Ausnahme gemacht. Dabei ist aus der Praxis bekannt, dass die durchgehende Fütterung die Hygiene verschlechtert und die Nachtruhe stört. Ein Lösungsweg könnte die Raufutterversorgung sein, denn deren Ausdosiervorrichtungen werden als Futterplätze anerkannt. So würde immer Futter zur Verfügung stehen und die Sensor-Kurztrogfütterung ließe sich wie bisher praktizieren. Sollte dieser Weg gewählt werden, sind diese benötigten Raufutterplätze gleichzeitig nicht zur Bereitstellung von Beschäftigungsmaterial anrechenbar.
Plateaus bleiben außen vor
Auch zum Umgang mit sogenannten Schweinebalkonen und Ausläufen wird Stellung bezogen. So werden Flächen auf einer erhöhten Ebene weiterhin nicht zur uneingeschränkt nutzbaren Fläche gezählt. Auf der unteren Ebene müssen alle Mindestanforderungen an Fläche, Versorgungseinrichtungen etc. erfüllt sein. Allerdings wird auf Flächenabzüge für die Rampen verzichtet. Die zunehmend an Bedeutung gewinnenden Ausläufe können nur zur uneingeschränkt nutzbaren Bodenfläche gerechnet werden, wenn sie im Seuchenfall unter Einhaltung der Mindestanforderungen betrieben werden oder die Tiere anderweitig untergebracht werden können. Um den Platz anrechnen zu können, müssen Ausläufe also überdacht und bei jeder Wetterlage nutzbar sein.