Prof. Grethe mit scharfer Kritik an Haltungskennzeichnung ​ ​

Eine Premiumstufe ausschließlich für Ökobetriebe lehnt Prof. Grethe als fachlich unbegründet ab.

Aus den Reihen der Borchert-Kommission wächst der Druck auf die Politik, beim Umbau der Tierhaltung voranzukommen. „An einer erfolgreichen Umsetzung noch in dieser Legislaturperiode werden sich die Akteure messen lassen müssen“, sagt der Berliner Agrarökonom Prof. Harald Grethe im Interview mit AGRA-EUROPE. Das Mitglied der Borchert-Kommission kritisiert wenig sachdienliche Ideen des Bundeslandwirtschaftsministeriums zur Haltungskennzeichnung sowie eine fortdauernde Unklarheit hinsichtlich der Finanzierung. „Wenn in dieser Legislaturperiode kein Finanzierungs- und Honorierungsmodell für die Anhebung der Tierwohlstandards in Deutschland beschlossen würde, wäre das eine agrarpolitische Bankrotterklärung der Koalition“, warnt Grethe. Wenn dafür die Kraft fehle, werde das auf die gesamte Koalition zurückfallen, und zwar „nicht nur auf diejenigen, die für die Agrarpolitik Verantwortung tragen, sondern auch auf diejenigen, die jedes sinnvoll umsetzbare Finanzierungsmodell ablehnen“. Der Wissenschaftler bekräftigt den Vorschlag, den Umbau über eine Herausnahme tierischer Produkte vom reduzierten Mehrwertsteuersatz zu finanzieren. Dies wäre seiner Ansicht nach eine Steuervereinfachung und der Abbau einer Steuersubvention.

Bei der Haltungskennzeichnung hält Grethe eine enge Abstimmung zwischen Staat und Privatwirtschaft für unverzichtbar: „Eine völlig andere Haltungskennzeichnung als die, die wir haben, wäre im besten Fall ein Rohrkrepierer, im schlechtesten ein Rückschritt für die Bemühungen um mehr Tierwohl und eine Preisgabe der bislang erreichten Erfolge in der ITW“, warnt der Agrarökonom und bekräftigt die Forderung der Borchert-Kommission nach einer Einstiegsstufe und einer „kompatiblen Kennzeichnung“. Die Forderung von Ökoverbänden, die Premiumstufe ausschließlich Ökobetrieben vorzubehalten, lehnt Grethe als fachlich unbegründet ab. Ein hohes Tierwohlniveau könne sowohl in der konventionellen als auch in der ökologischen Landwirtschaft erreicht werden. Erstaunt zeigt sich Grethe vom Ausscheren des Ökovertreters aus den Borchert-Empfehlungen: „Eine Transformation der Nutztierhaltung darf nicht ausschließlich auf den Ökolandbau setzen, der im Bereich Fleisch Marktanteile zwischen 2 % und 5 % hat.“ AgE


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