Beim Thema Gülle-Verwertung schrillen in den Veredlungsregionen die Alarmglocken. Auslöser sind massive gesetzliche Verschärfungen und Kontrollen beim Einsatz von Wirtschaftsdüngern. Erste Folgen waren bereits im letzten Herbst zu spüren. So mussten Betriebe mit Lager-engpässen für die kurzfristige Gülleabnahme mehr als 20 €/m3 berappen! Experten befürchten, dass sich die Kostenspirale künftig noch schneller dreht. Denn Umwelt- und Wasserverbände machen mächtig Druck. Sie kritisieren, dass die Nitratgehalte im Grundwasser regional wieder steigen. Als Verursacher sehen sie neben dem Maisanbau für Biogas die Gülleausbringung. Allerdings dürften auch hohe Intensitäten im Ackerbau ihren Teil beitragen. Dennoch: Im Fokus steht die Veredlung. Bund und Länder haben daher in jüngster Vergangenheit gleich mehrfach die Daumenschrauben beim Einsatz von Wirtschaftsdüngern angezogen: Neben den gesetzlichen Verschärfungen sind insbesondere die Veredlungshochburgen einem anhaltend hohen Nährstoffanfall ausgesetzt. Im Grenzgebiet zu den Niederlanden heizt der Import von Wirtschaftsdüngern die Lage zusätzlich an. Allein im letzten Jahr kamen mit Wirtschafsdüngern aus Holland mehr als 21 Mio. kg Stickstoff über die Grenze. Das entspricht einem zusätzlichen Bedarf an Nachweisflächen von mehr als 125 000 ha! Letztlich ist der Nährstoff-Überschuss auch ein Stück weit hausgemacht. So hat Deutschland bei der jüngsten Viehzählung im November 2012 mit 28,3 Mio. Schweinen einen neuen Rekordbestand erreicht. Hinzu kommt: Der Ausbau der Bestände konzentriert sich weiter auf den viehstarken Nordwesten. Neben der Aufstockung ist der Trend zur Mast ungebrochen. Das heizt die Gülle-Problematik zusätzlich an. Denn der Nährstoffanfall ist in der Mast deutlich höher als in der Ferkelerzeugung. Steigende Wachstums- bzw. Umtriebsleistungen verstärken den Trend. Das Zwischenfazit ist alarmierend: Der Nährstoff-Anfall in den Veredlungshochburgen ist weiter gestiegen. Gleichzeitig spülen gesetzliche Verschärfungen und Kontrollen das Problem hoher Nährstoffüberschüsse an die Oberfläche. Die Folgen sind dramatisch. So müssen viehintensive Landkreise immer größere Nährstoffmengen exportieren. Da im veredlungsstarken Nordwesten meist auch die Nachbarkreise hohe Viehdichten aufweisen, steigen die Transportentfernungen für Wirtschaftsdünger. Besonders zeigt sich das in der Region Weser-Ems. Hier fehlen rechnerisch 260 000 ha Nachweisflächen für die anfallende Gülle. Hauptventil für die Überschüsse war bislang der östlich an Vechta grenzende Kreis Diepholz. „Dort haben wir viele Abnehmer verloren, weil die Schweine- und Biogasproduktion ausgebaut wurden“, erklärt Bernd Stania, Geschäftsführer der Nährstoffbörse Vechta. Momentan versucht man daher, im weiter östlich gelegenen Kreis Nienburg bis hin zur Ackerbauregion um Hannover neue Abnehmer zu finden. Das ist nicht leicht. Denn reine Ackerbauern haben oft Vorbehalte gegenüber Gülle. Bei hohen Getreidepreisen wollen sie keine Ertragseinbußen durch Fahrspuren oder Lagergetreide riskieren. Zudem treiben die immer längeren Transporte die Kosten. Bislang mussten die Gülle-Lkw der Börse in Vechta im Schnitt 40 bis 50 km je einfacher Strecke fahren. Heute sind es 85 bis 100 km, in Einzelfällen sogar mehr. Hinzu kommt, dass auch die aufnehmenden Betriebe inzwischen mehr Vergütung fordern. „Derzeit ist die Gülleabgabe mit 8,50 bis 9 €/m3 bereits bis zu 2 € teurer als 2012. In naher Zukunft wird der Preis über 10 € steigen“, befürchtet Stania. Doch im besonders viehdichten Südoldenburg geht es längst nicht mehr nur um die Kosten. „Sollten Gärreste aus Biogas ab 2014 auch unter die 170 kg N-Grenze fallen, droht uns hier der Kollaps. Dann wird der Nährstoffüberschuss so hoch, dass wir zeitnah kaum Abnehmer finden bzw. die Gülle nicht zu vertretbaren Kosten abfahren können“, so Stania. Um gegenzusteuern, nimmt die Börse in Vechta seit letztem Herbst keine neuen Anfragen für gewerbliche Mastställe mehr an. Denn für jeden 2 000er-Maststall müsste man satte 120 ha Nachweisfläche beschaffen. Aus Sicht von Bernd Stania könnten die Kosten hierfür in Kürze so hoch sein, dass sich die gewerbliche Mast nicht mehr rechnet. Das gilt besonders für den Kreis Vechta. Hier verlangen die Genehmigungsbehörden bei Bauanträgen seit wenigen Monaten auch Nachweisflächen für das Reinigungswasser der Abluftfilter. Dabei sind 0,4 m3 je Mastschweineplatz sowie 4 kg N/m3 Reinigungswasser anzusetzen. Das erhöht den Bedarf an Nachweisflächen zusätzlich! In Nordrhein-Westfalen schnellen die Kosten für die Gülle-Abnahme ebenfalls in die Höhe. Das gilt insbesondere für die viehstarken Landkreise im Münsterland. Hier könnte jetzt vielerorts die magische Grenze von 10 €/m3 Gülle überschritten werden. „Vermutlich wird die Gülleabgabe in dieser Frühjahrskampagne rund 5 € mehr kosten als im Vorjahr“, schätzt Bernd Heselhaus von der Nährstoffbörse aus Borken im Westmünsterland. Hauptursache sind in NRW ebenfalls weitere Transportwege. So hat die Nährstoffbörse wichtige Abnehmer am Niederrhein verloren, weil dort Biogas- und Milchviehbetriebe gewachsen sind. Notgedrungen musste man neue Abnehmer aufbauen, die z. B. im nördlichen Ruhrgebiet liegen. „Bisher mussten wir bei überregionaler Vermarktung im Mittel rund 70 km Entfernung überwinden. Jetzt sind es im Einzelfall bis zu 150 km“, erklärt Heselhaus. Auch in NRW befürchten Fachleute, dass sich die Nährstoffproblematik weiter zuspitzt. Neben der Ausweitung der Tierhaltung bereiten die vielen Biogasanlagen Kopfzerbrechen. „Sollten Gärreste künftig komplett als Wirtschaftsdünger gelten, ist bei 170 kg N/ha Schluss! Pro Hektar eigener Silomaisfläche müssten dann im Schnitt 10 m³ Gärreste mehr abgegeben werden als bisher. Allein im Kreis Borken kämen ca. 100 000 m3 Gärreste zusätzlich auf die Straße und müssten aus dem Kreisgebiet transportiert werden“, rechnet Dr. Ludger Laurenz von der Landwirtschaftskammer NRW vor. Der massive Anstieg der Gülle-Kosten schlägt voll auf die Rentabilität der Schweinehaltung durch. Das gilt in besonderem Maße für gewerbliche Betriebe. Denn sie müssen die Gülle komplett abgeben. So ist bei einem Gülleanfall von 0,5 m3/Mastschwein und Kosten von rund 12 €/m3 Gülle mit Mehrkosten von 6 € je Schlachtschwein zu rechnen. Das heißt: Je nach betrieblicher Situation können bis zu 50 % des Gewinns für die Gülleverwertung verloren gehen! Es ist logisch, dass die Schweinehalter händeringend nach Auswegen suchen. Doch Fakt ist: Ein Allheilmittel gibt es nicht. Vielmehr müssen die Betriebe an vielen Schrauben drehen, um die Nährstoffströme zu optimieren: Die Schweinehalter sind gut beraten, wenn sie sich weiter intensiv mit dem Gülleabsatz beschäftigen. Denn schon jetzt gefährden die zusätzlichen Güllekosten die Rentabilität der Produktion. Das gilt allem voran für gewerbliche Betriebe ohne eigene Gülleflächen. Weiteres Ungemach droht mit der geplanten Novelle der Düngeverordnung im nächsten Jahr. Denn hier setzt Brüssel die Bundesregierung unter Druck. Hintergrund ist die Grundwasserqualität. Zwar ist seit den 90er-Jahren die Nitrat-Belastung gesunken. Bei rund 25 % der Mess-Stellen steigen die Nitratwerte in den letzten Jahren aber wieder an. Daher will Berlin mit der Novelle der Dünge-VO deutlich über die Verschärfungen der letzten Jahre hinausgehen. Relevant für die Veredlung ist: In Veredlungshochburgen sind die Kosten für die Gülleabgabe explodiert. Auslöser sind massive Verschärfungen beim Gülle-Einsatz und ein anhaltend hoher Viehbesatz. In Überschussregionen kostet die Gülleabgabe bereits mehr als 10 €/m3. Weitere Steigerungen sind zu befürchten. Das heißt: In viehintensiven Gebieten sind für die Gülleabgabe künftig zusätzliche Kosten von 5 bis 7 €/Mastschwein anzusetzen! Vor allem bei gewerblichen Bauvorhaben ist daher die Wirtschaftlichkeit kritisch zu prüfen. Die Frage nach dem richtigen Standort wird künftig noch wichtiger. Härtere Gülle-Vorschriften Mehr Vieh in Hochburgen Längere Transportwege Kollaps in Südoldenburg? NRW: mehr als 10 €/m3 Gülle Jetzt alle Reserven nutzen Berlin macht Druck Fazit Für alle Veredlungsbetriebe greifen neue Obergrenzen für die Stickstoff- und Phosphat-Überhänge in der Dünge-bilanz. Im laufenden Jahr darf der N-Saldo nur noch 60 kg/ha betragen, und zwar im Mittel der letzten drei Jahre. Noch härter trifft die Schweinehalter der Phospor-Saldo. Denn Schweinegülle enthält relativ viel Phosphor. Doch der zulässige P-Überschuss ist mit 20 kg/ha niedrig angesetzt. Beim Phosphor muss die Bilanz sogar im Mittel der letzten sechs Jahre passen. Die Prüfungen starten dieses Jahr! Weitere Einschränkungen gelten seit 2012 für die Gülle-Ausbringung im Herbst. So hat z. B. Niedersachsen die Kontrollen zur Herbstdüngung verschärft. In NRW regelt sogar ein Erlass, dass die Gülleausbringung im Herbst nur noch bei konkretem Düngebedarf zulässig ist. Doch das ist laut Erlass bei den meisten Winterfrüchten nicht der Fall. Auch die weit verbreitete Ausbringung von Gülle auf Maisstoppeln vor Winterweizen ist tabu. Nennenswerter Bedarf besteht demnach nur zu Winterraps. Zusätzliche Auflagen bringt die sogenannte Verbringungs-Verordnung, die seit Herbst 2010 gilt. Seither müssen jede Abgabe, Aufnahme und der Transport von Wirtschaftsdünger exakt dokumentiert werden. Seit 2012 besteht zudem eine gesetzliche Meldepflicht. Dies betrifft insbesondere Betriebe mit gewerblicher Tierhaltung. Denn sie geben große Güllemengen ab. Und auf die Nährstoff-ströme dieser Betriebe hatten die Behörden zuvor keinen direkten Zugriff. Ausscheidung senken: Zunächst gilt es, die Nährstoff-Ausscheidung der Tiere soweit wie vertretbar zu senken. Hierzu gehören die Phasenfütterung sowie der Einsatz Eiweiß- und Phosphor-reduzierter Rationen. Hochwertiges Futter und angepasste Verkaufsgewichte helfen zudem, die Futterverwertung zu verbessern. Auch in der Zucht wird der Fokus stärker auf Futtereffizienz gelegt. Düngung optimieren: Beim Einsatz von Wirtschaftsdüngern im eigenen Betrieb können viele Schweinehalter noch Reserven mobilisieren: Düngung nicht am Maximalertrag, sondern am ökonomischen Optimum ausrichten. Nährstoffgehalte in Gülle und Boden genau bestimmen. Ziel: Mineraldünger durch Wirtschaftsdünger ersetzen. Winterharte Zwischenfrüchte anbauen. Unterfußdüngung zu Mais reduzieren bzw. aussetzen. Getreidestroh verkaufen. Freie Gülleflächen nutzen: Auch in Veredlungsregionen gibt es noch Betriebe mit freien Güllekapazitäten. Oft lassen sich Vorbehalte gegen Wirtschaftsdünger im persönlichen Gespräch und durch Einsatz bodenschonender und emissionsarmer Ausbringtechnik abbauen. Schließlich können aufnehmende Betriebe durch eingesparten Mineraldünger und Aufnahme-Erlöse profitieren. Gleichzeitig sparen abgebende Betriebe Transportkosten, wenn die Gülle im näheren Umfeld bleibt. Sinkschicht abgeben: Trotz der Optimierungsansätze kommen viele Schweinebetriebe nicht umhin, Gülle über die Börse abzugeben. Bei Problemen mit P-Überhängen kann es sinnvoll sein, die dünne Gülle aus dem Hochbehälter selbst zur Düngung zu nutzen. Die Sinkschicht mit bis zu 90 % des Phosphors wird abgegeben. Sie erreicht mit 10 bis 12 % TS-Gehalt eine höhere Transportwürdigkeit. Das Verfahren ist relativ günstig und hält den Stickstoff und das Kalium weitgehend im Betrieb. Man benötigt jedoch zwei separate Güllebehälter. Weiteres Manko: Bei N-Überschüssen bringt das Verfahren kaum Entlastung. Die zulässigen P-Überhänge sollen weiter gekürzt werden. Bei stark versorgten Böden (Stufe D und E) soll gar kein Überhang mehr zulässig sein. Die Sperrfrist zur Gülleausbringung könnte künftig direkt nach der Ernte der Hauptfrucht beginnen. Aufgrund längerer Sperrfristen müssen die Lagerkapazitäten steigen. Bei gewerblichen Betrieben ohne eigene Gülleflächen sind neun Monate im Gespräch. -Fred Schnippe, SUS- Hohe Viehdichten und Verschärfungen bei der Düngung heizen die Gülle-Kosten extrem an. Droht der Kollaps?