Eine Sau sollte in ihrem Leben im Schnitt 60 bis 70 Ferkel großziehen. Wird diese Marke nicht erreicht, sollte ein Fruchtbarkeits-Check in fünf Schritten erfolgen.
Prof. Dr. Steffen Hoy, Uni Gießen
Noch vor wenigen Jahren wurde vor allem auf die Wurfgröße geschaut. Die Beratung zielte auf Verbesserungen in diesem Merkmal. Inzwischen sind die Wurfleistungen um zwei bis drei Ferkel gestiegen, sodass neue Kenngrößen in den Fokus rücken. Dazu zählen solche, die die Nachhaltigkeit der Ferkelerzeugung berücksichtigen. Dies sind insbesondere die Verbleiberate bzw. Nutzungsdauer sowie die Lebensleistung.
Hier treten große Betriebsunterschiede auf, wie eine Auswertung von 49 VzF-Betrieben zeigt (s. Übersicht 1). Während in einem Betrieb nur 61 % der ehemaligen Jungsauen im zweiten Wurf im Bestand waren, waren es in einem anderen Fall erfreulicherweise noch alle Tiere. Der beste Betrieb erreichte in fünf Würfen 79,4 lebend geborene Ferkel je Sau, während es beim schlechtesten Betrieb fast 25 Ferkel weniger waren.
Defizite systematisch aufspüren
Sollten bei Ihnen im Betrieb zu viele Sauen vorzeitig ausscheiden und die mittlere Lebensleistung unter den Erwartungen bleiben, ist eine Analyse angebracht. Defizite bei der Verbleiberate und der Lebensleistung haben oft ihre Ursache in der Herdengesundheit oder beim Fütterungs- und Besamungsmanagement.
Wichtig ist, dass die Ursachenanalyse nach einem festgelegten Schema stattfindet. Das Grundgerüst für ein derartiges Vorgehen wird in der Übersicht 2, Seite 34 dargestellt, wobei Ergänzungen und Erweiterungen betriebsindividuell möglich sind.
Vor einem solchen Check sind möglichst zusammen mit dem Berater die Zielwerte für die Fruchtbarkeitsparameter festzulegen. Die Werte müssen realistisch sein und dürfen den Betriebsleiter nicht überfordern.
In unserem Beispiel sollte der Betrieb im Schnitt mindestens 75 lebend geborene Ferkel bzw. mindestens fünf Würfe je Sau erreichen. In leistungsschwächeren Betrieben könnte zumindest der Sollwert für die Lebensleistung etwas niedriger angesetzt werden, in Top-Betrieben auch etwas höher. Ihre derzeitigen Werte finden Sie im Sauenplaner.
1. Jungsauen-Abgänge prüfen
Überprüfen Sie zunächst die Verbleiberate der Jungsauen bis zum ersten Abferkeln. Sind mehr als 5 % der Tiere noch vor dem Abferkeln abgängig, muss die Jungsauen-Eingliederung auf den Prüfstand.
Hier die wichtigsten Punkte:
- Zum Schutz der Herde vor einer Einschleppung fremder Keime ist ein separater Eingliederungsstall erforderlich. Bewirtschaften Sie diesen möglichst im Rein-Raus-Verfahren.
- Prüfen Sie auch das Zukaufsalter der Jungsauen. Die Tiere sollten möglichst noch vor dem 180. Lebenstag von Ihnen bezogen werden. Mit Jungsauen unterschiedlichen Alters je Lieferung (Paketlösung) reduzieren Sie die Anzahl Lieferungen pro Jahr. Sprechen Sie die Termine früh genug ab, damit sich der Lieferant darauf einstellen kann.
- Es versteht sich von selbst, dass Sie den Erregerstatus im Zuchtbetrieb kennen müssen, um das Impfprogramm darauf abzustimmen. Die gemeinsam mit dem betreuenden Hoftierarzt angesetzten Impftermine sind strikt einzuhalten.
- Die Eingliederung sollte sich über je drei Wochen Isolations- und Akklimatisationsphase erstrecken, damit sich die Remontetiere ganz allmählich an das neue Keimmilieu gewöhnen.
- Oft liegen keine Infos darüber vor, wann die Pubertätsbrunst auftritt und wie viele Jungsauen bis zur Zuchtnutzung geschlechtsreif sind. Bei Problemen sollten Sie eine solche Kontrolle über drei Wochen hinweg durchführen, um einen Überblick über zyklische und nicht zyklische Jungsauen zu erlangen.
- Wenn die Jungsauen Brunst-synchronisiert werden sollen, müssen sie geschlechtsreif sein und mindestens einen Zyklus hinter sich haben. Die Gabe des Zyklusblockers erfolgt über einen Zeitraum von 18 Tagen.
2. Erstlingssauen begutachten
Beträgt die Abgangsrate vor dem ersten Wurf weniger als 5%, sollten Sie im nächsten Schritt die Gruppe der Sauen im ersten Wurf prüfen. Auch hier interessiert die Anzahl der Nicht- bzw. Umrauscher. Sind diese deutlich höher als bei den Altsauen, sollte das Herdenmanagement hinterfragt werden. Denn Managementfehler führen gerade bei Erstlingssauen zu Fruchtbarkeitsdepressionen.
Die erste Laktation ist oft eine große Belastung und nach der Aufzucht des ersten Wurfes können die Sauen stark abgesäugt sein. Sie sollten aber möglichst nicht mehr als 15 kg Lebendmasse verloren haben. Dies ist durch Wiegungen oder Konditionsbewertungen zu kontrollieren. Bei Defiziten sollten Sie die Futter- und Wasserversorgung überprüfen und ggf. optimieren.
Mit einer dreimal täglichen Fütterung unmittelbar nach der Abferkelung beginnend nehmen die Jungsauen fast genauso viel Futter wie die Altsauen auf. Die Futtermenge wird dabei von Tag zu Tag allmählich gesteigert, in den ersten beiden Säugewochen um etwa 350 g täglich, danach abnehmend.
Bei Sauen mit Puerperalstörungen (MMA) ist die Umrauscherquote um bis zu 5 % erhöht. Nur gesunde Sauen bringen demzufolge gute Fruchtbarkeitsleistungen. Durch tägliches Fieber messen nach der Geburt und schnelle Antibiotika-Behandlung kranker Sauen inklusive der Gabe eines Entzündungshemmers können die Auswirkungen der MMA begrenzt werden.
Die Fruchtbarkeitsleistung kann im Sommer bei Hitze beeinträchtigt sein. Die Installation von Ventilatoren im Stall zur Erhöhung der Luftgeschwindigkeit und das Versprühen von Wasser kühlen die Tiere.
3. Ursachen für Umrauschen aufspüren
Liegt die Umrauscherrate der Erstlingssauen unter 15 %, sollten Sie im nächsten Schritt den Besamungserfolg der Altsauen prüfen. Bei Werten über 15 % sollten Sie eine breite Palette möglicher Ursachen überprüfen.
Regelmäßiges Umrauschen kann mit der Durchführung der KB zusammenhängen. Überprüfen Sie diese anhand der in Übersicht 3 (Seite 34) aufgeführten Checkliste. Denken Sie auch an einen möglichen Besamer-Einfluss, wenn verschiedene Personen die KB durchführen.
Entscheidend ist der Besamungszeitpunkt. Bei zweimal täglicher Brunstkontrolle morgens und abends gelten für Normalrauscher folgende Empfehlungen:
- Duldung morgens: Besamung am Nachmittag (KB 1) und am nächsten Morgen (KB 2).
- Duldung abends: Besamung am nächsten Morgen (KB 1) und am nächsten Nachmittag (KB 2).
- Frührauschende Sauen mit Duldung am Tag 3 nach dem Absetzen werden 24 Stunden nach Duldung das erste Mal und zum nächsten Morgen- bzw. Nachmittagstermin das zweite Mal besamt.
- Spätrauscher mit Duldung an Tag 6 oder 7 sind baldmöglich zu besamen.
- Eine dritte KB kann, muss aber nicht zu Leistungsverbesserungen führen. Hier muss betriebsspezifisch entschieden werden.
Bei den Altsauen kann auch der Ort und der Zeitpunkt der Gruppenbildung ein Knackpunkt sein. Die nicht zu verhindernden Rangkämpfe können zu einem Anstieg der Umrauscherquote um mindestens 2 bis 3 % führen. In kleinen Sauengruppen mit 8 bis 12 Sauen empfiehlt sich eine Vorgruppierung über zwei bis drei Tage unmittelbar nach dem Absetzen in einer Arena oder Stimu-Bucht. Nach Abklingen der Rausche-Symptome können sie dann in derselben Gruppe zusammengestellt werden. Da sich die Sauen kennen, treten deutlich weniger Kämpfe auf.
In großen Gruppen bringt eine Vorgruppierung nichts, da sich die Sauen nicht individuell kennenlernen können. Hier werden Liegekessel und ein Flächenangebot von ca. 2,5 m2/Sau empfohlen. Auch hat sich bewährt, den Fütterungsstart in die Nachtstunden zu verlegen, um die Situation bei der Gruppenbildung zu entschärfen.
4. Anzahl Würfe checken
Liegt die Umrauscherquote im grünen Bereich, ist als Nächstes die Nutzungsdauer der Sauen zu analysieren. Liegt diese, unbeeinflusst durch eine hohe Selektionsschärfe, bei weniger als fünf Würfen, sollten Sie die Ursachen für die vorzeitigen Abgänge überprüfen.
Klären Sie, ob die Unfruchtbarkeit durch Infektionen ausgelöst worden ist oder ob z.B. Klauen- und Gliedmaßenprobleme vorliegen. Unzureichende Wurfleistungen könnten ebenfalls ein Grund sein. Prüfen Sie auch den Zeitpunkt des Ausscheidens. Ist die Sau nach wiederholter KB abgängig oder stellt sich im Wartestall heraus, dass die Sau nicht tragend ist?
Bei offensichtlichem Infektionsgeschehen sollten Sie mit dem Tierarzt das Impfprogramm unter die Lupe nehmen. Bei Lahmheiten spielt die Qualität des Fußbodens in Verbindung mit Rangkämpfen eine Rolle. Zum einen lässt sich der Fußboden ggf. durch eine neue Beschichtung sanieren, zum anderen muss darauf geachtet werden, die Kämpfe zu entschärfen.
Auch sollten Sie prüfen, ob bei der Zuteilung des Futters im Wartestall Besonderheiten beobachtet werden können. Auf Betrieben mit einer Flüssigfütterungsanlage kann es beispielsweise zu großen Unruhen vor den Mahlzeiten kommen. Bei der Abrufstation werden oftmals Kämpfe vor dem Stationseingang ausgemacht.
Das Sauenfutter selbst gehört ebenfalls auf den Prüfstand. Hier sind nicht nur die zugeteilten Mengen ausschlaggebend, sondern auch die Futterqualität. Bei langen Förderwegen kann es zu Entmischungen und damit zu einer unausgewogenen Ration kommen.
Zudem können Mykotoxine im Futter die Ursache für schlechte Fruchtbarkeitsleistungen und ein frühzeitiges Ausscheiden der Sauen sein. Dies sind Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, die man kaum sieht und riecht.
5. Wurfgrößen analysieren
Erreicht der Betrieb eine Nutzungsdauer von mehr als fünf Würfen, muss abschließend die Wurfgröße gesamt bzw. lebend geborener Ferkel unter die Lupe genommen werden. Liegt die mittlere Wurfgröße unter 14, ist die Frage nach der Leistung der Rasse zu beantworten. Es gibt nach wie vor Unterschiede zwischen den genetischen Herkünften, die aber zuletzt kleiner geworden sind.
Unzureichende Wurfgrößen könnten auch durch Fehler bei der künstlichen Besamung verursacht sein. Die Kondition der Sauen spielt ebenfalls eine Rolle. Selbstverständlich kann die Ursachenanalyse weitere Faktoren wie die Tiergesundheit einbeziehen, d.h. weiter „in die Tiefe“ gehen.
Dazu dienen Mykotoxin-Nachweise, Futtermittel- und Wasseruntersuchungen sowie Stallklima-Checks. Ein Indikator für die Wirkung der Impfungen können Antikörpernachweise für PRRS, PCV2 u.a. sein, die der Tierarzt in Auftrag gibt.
Fazit
- Zwischen Betrieben bestehen große Unterschiede in Nutzungsdauer und Lebensleistung, die im Wesentlichen durch Gesundheitsstatus und Management bedingt sind.
- Werden die Zielvorgaben für Lebensleistung und Nutzungsdauer deutlich unterschritten, sollte eine systematische Ursachenanalyse durchgeführt werden. Hierfür wird ein Handlungsschema vorgeschlagen.
- Bei dem Check werden zunächst die Jungsauen, die Erstlingssauen und die Umrauscher analysiert. Danach erfolgt die Überprüfung der Verbleiberate und der Wurfgrößen.