Da auch russische Mega-Anlagen von ASP betroffen sind, stockt in einigen Regionen die Fleischversorgung. Droht ein Desaster?
Vladislav Vorotnikov, Moskau
Die Afrikanische Schweinepest (ASP) grassiert seit mehr als zehn Jahren in Russland. Mehr als 2 Mio. Schweine wurden seit dem ersten Ausbruch im Südwesten des Landes gekeult. Ein Ende der Seuche ist nicht in Sicht.
Im Gegenteil: In letzter Zeit hat das ASP-Virus auch zahlreiche professionell geführte Großanlagen getroffen. Für die russischen Schweinehalter und für die Veterinäre ist dies eine neue Eskalationsstufe. Denn lange Zeit galten die Mega-Betriebe als gut geschützt.
So wurden die Großanlagen mit staatlichen Geldern stark gefördert und sind erst wenige Jahre alt. Viele Betreiber haben umfangreiche Hygiene- und Abschottungseinrichtungen installiert. Schließlich gibt es in den Anlagen mit 20000 und teils deutlich mehr Schweinen große Werte zu schützen.
Doch auch den professionellen Konzernen gelingt es nicht, das ASP-Virus aus den Ställen zu halten. Für Aufsehen sorgte insbesondere der Pestfall im Betrieb Baltic Pork Invest in der Enklave Kaliningrad. Im Juli diesen Jahres ließen die Behörden den Standort der dänischen Inhaber insgesamt mit mehr als 111000 Schweinen keulen (siehe Übersicht). Hierbei handelt es sich um den größten russischen Pestfall seit dem Erstausbruch im Jahr 2008.
Im selben Monat dieses Jahres brach die Pest auch in einem Großbetrieb von Novgorod Bacon aus. Mit mehr als 30000 Tieren wurde hier ebenfalls einer der größten Schweinebestände Russlands gekeult.
Über 450000 Tiere gekeult
Auch Russlands größter Fleisch- und Schweinekonzern Miratorg blieb nicht verschont. Ende letzten Jahres gelangte das Virus in den Standort Invitsa-2 mit mehr als 24000 Schweinen. Das Fatale: Der infizierte Großbestand liegt im Oblast Belgorod – dem Herzen der russischen Veredlung. Hier konzentriert sich ein Viertel des landesweiten Schweinebestandes. Doch alle Bemühungen, Belgorod frei von ASP zu halten, blieben ohne Erfolg.
Die Schäden durch die Schweinepest sind enorm. So wurden allein in den zehn größten betroffenen Anlagen in den vergangenen vier Jahren mehr als 450000 Schweine gekeult. Laut Experten könnte der Bruttoverlust an Tieren sogar bis zu 25% höher liegen. Denn oft verzögert sich die Keulung. Erhebliche Teile der Herde können dann bereits verendet sein und erscheinen nicht in der Keulungsstatistik.
Nach Schätzungen russischer Fleischkonzerne führt die ASP inzwischen zu einem Rückgang der jährlichen Fleischerzeugung um bis zu 3%. Demgegenüber steht der enorme Wille Moskaus, die heimische Veredlung auszubauen. Auch 2018 flossen enorme Fördermittel in die Tierhaltung. Der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch ist daher in den letzten Jahren trotz ASP weiter gestiegen und liegt aktuell bei knapp 95%.
Fleischversorgung stockt
Betrachtet man die Gesamtversorgung Russlands mit Schweinefleisch, ist bislang kein gravierender Einfluss durch den Seuchenzug erkennbar. Das heißt: Pestbedingte Bestandsverluste werden durch neu aufgebaute Betriebe weitgehend ausgeglichen.
Allerdings treten regional größere Probleme bei der Versorgung mit Schweinefleisch auf. Das gilt besonders für die Enklave Kaliningrad. Denn durch die Lage abseits der russischen Förderation kann Kaliningrad nicht so leicht Rohwaren aus anderen Landesteilen beziehen. Die Keulung der Großanlage Baltik Pork Invest mit mehr als 110000 Schweinen hat daher in Kaliningrad Engpässe bei der Versorgung mit Schweinefleisch ausgelöst, die bis heute anhalten.
Fleischpreise ziehen an
In den ersten Wochen nach dem Ausbruch schnellten die Verbraucherpreise für Schweinefleisch um 30 bis 40% nach oben. Inzwischen hat sich die Lage zwar etwas entspannt. Doch bis heute sind Produkte vom Schwein in Kaliningrad deutlich teurer als üblich. Auch kommt es vor, dass beliebte Artikel wie Würstchen vergriffen sind. Denn wiederholt geht Verarbeitungsbetrieben die Rohware aus.
Ähnliche Probleme gibt es in Sibirien. Denn hier sind einzelne Großanlagen häufig für die Versorgung ganzer Landstriche verantwortlich. Auch in Sibirien sind größere Schweineanlagen durch die Pest aus der Produktion gefallen. Aufgrund der enormen Entfernung zu anderen Erzeugern und Schlachtbetrieben sowie fehlender Infrastruktur lässt sich die fehlende Ware oft nur schwer ersetzen. Auch östlich des Uralgebirges gibt es daher Regionen mit einer Unterversorgung und hohen Preisen beim Schweinefleisch.
Lange Ausfallzeiten
Dass gekeulte Betriebe schnell wieder die Produktion starten, ist unwahrscheinlich. Dies hat mehrere Gründe:
- Für infizierte Standorte verhängen die Behörden Produktionsverbot für mindestens zwölf Monate.
- Wegen der großen Anzahl erkrankter Schweine und der hohen Viruslast am Standort sind umfangreiche Reinigungs- und Hygienemaßnahmen nötig.
- Gekeulte Betriebe, insbesondere bei ausländischen Inhabern, erhalten kaum Entschädigungen. Ein Pestausbruch führt daher nicht selten zum Konkurs des Standortes.
Neben den Versorgungsenpässen am heimischen Markt hat die ASP auch Russlands Pläne für den Fleischexport nach China zerstört. Denn seitdem sich die Pest im letzten Jahr nach Sibirien ausgebreitet hat, ist China nicht mehr an Fleisch aus Russland interessiert.
Selbst den ASP-freien fernen Osten der russischen Föderation bewerten Experten inzwischen nicht mehr als Gebiet für Fleischausfuhren nach Asien. Denn mit dem ASP-Ausbruch im angrenzenden China wächst die Gefahr, dass die Pest auch den östlichsten Teil Russlands erreicht.
Aufgrund der verheerenden Folgen der ASP versuchen viele Großbetriebe ihre Biosicherheit weiter zu optimieren. Neben einzelbetrieblichen Maßnahme wie Zäunen, Hygieneschleusen und Desinfektionssystemen für Fahrzeuge zielen die Mega-Betriebe auf Seuchenvektoren im Umfeld ihrer Anlagen.
Kampf gegen Kleinstbetriebe
Zum einen geht es um die zahlreichen Hinterhofbetriebe, die oft große hygienische Mängel aufweisen. Nicht selten kommen die Hausschweine hier in direkten Kontakt mit Wildschweinen. Die Großanlagen wollen daher alle Hinterhofbetriebe im Umkreis von 10 bis 20 km um ihre Anlage zur Aufgabe der Schweinehaltung bewegen. Hierzu nutzen sie ihre politischen Kontakte und üben Druck auf die Kleinstbetriebe aus. Gleichzeitig bieten die Großanlagen den Hinterhofbetrieben einen finanziellen Ausgleich an, wenn sie z.B. auf die Rinderhaltung umstellen.
Der zweite Ansatz zielt auf die Wildschweine. Nach einem ehrgeizigen Plan wollten die Mega-Betriebe alle Wildschweine im europäischen Teil Russlands ausrotten. Dies scheiterte am Widerstand von Umweltschützern. Dennoch ist es den Großbetrieben mithilfe politischen Drucks und dem Einsatz eigener Jäger gelungen, den Wildschweinebestand im westlichen Russland merklich zu dezimieren.
Wie groß die Sorge vor der Schweinepest ist, zeigt auch der Bezug von Futtermitteln. So kaufen etliche Großanlagen nur noch Futter, das durch Erhitzung hygienisiert wurde.
Doch die Gefahr eines ASP-Einbruchs in Großbetrieben ist damit nicht gebannt. So fürchten russische Veterinäre, dass auch 2019 weitere Großanlagen der ASP zum Opfer fallen.
Fazit
In Russland wütet die ASP zehn Jahre nach Erstausbruch weiter. Auch Mega-Betriebe sind betroffen. Allein in den zehn größten Anlagen wurden über 450000 Schweine gekeult.
Regional kommt es zu Versorgungsengpässen bei Fleisch. Die Ausbreitung der ASP nach Osten hat Russlands Pläne zum Fleischexport nach China zerstört.
Die Megabetriebe wollen sich durch drastische Maßnahmen gegen Wildschweine und Kleinstbetriebe schützen. Dennoch ist mit weiteren ASP-Fällen in Großanlagen zu rechnen.