Die Müller Gruppe will ihre Regionalprogramme im Süden ausbauen. SUS hat mit den Geschäftsführern Stefan Müller und Rolf Michelberger diskutiert.
Fred Schnippe, SUS
Sie schlachten 30% mehr Schweine als 2012. Geht das Wachstum weiter?
Müller: Wir möchten unser organisches Wachstum fortsetzen und jährlich rund 5% mehr Schweine schlachten. Bis 2023 könnte unsere Jahreskapazität um etwa ein Viertel auf knapp 2,8 Mio. Schlachtschweine steigen. Neben dem mengenmäßigen Wachstum wollen wir die Produktqualität weiter verbessern und den Tierschutz im Schlachtprozess optimieren.
Welche Standorte sollen wachsen?
Michelberger: Der Fokus liegt auf Ulm, wo wir den wesentlichen Anteil unserer Schweine schlachten. Logistische Vorteile liegen in Ulm zum einen in der Nähe zur Rohstoffbeschaffung. Zum anderen befindet sich der Standort in der Mitte zwischen den beiden stärksten Verbraucherzentren Süddeutschlands. Für Ulm sind alle baurechtlichen Voraussetzungen gegeben. So haben wir bereits begonnen, die Kapazitäten in mehreren Bauabschnitten um 25% zu erhöhen. Unsere Betriebe in Bayreuth und Birkenfeld werden wir ebenso modernisieren und in einzelnen Bereichen gezielt erweitern.
Steigt auch die Verarbeitungstiefe?
Müller: Ja, am Stammsitz in Birkenfeld stellen wir seit Jahren erfolgreich Fleisch in Endverbraucherverpackungen für den süddeutschen LEH und Discount her. Die Sparte legt weiter zu. Wir setzen auf Spezialprodukte, um im In- und Ausland weniger abhängig von einzelnen Märkten zu sein. Dies können auch Nischen sein, wo wir z.B. für die Industrie fertig konfektionierte Ware mit speziellem Zuschnitt liefern. Es geht auch um Endverbraucherverpackungen, die wir teils mit unserer Eigenmarke „Süddeutsches Schweinefleisch“ anbieten.
Wie laufen Ihre Regionalprogramme?
Michelberger: Bis zu 80% unserer Schweineschlachtung in Ulm erfolgt unter Nutzung von Regionalprogrammen mit entsprechendem Mehrwert für die Kunden und die Erzeuger. Wir erfüllen hiermit die Kundenbedürfnisse nach regional erzeugtem Schweinefleisch und Produkten daraus. Diese haben insbesondere in Bayern und Baden-Württemberg erhebliche Marktbedeutung. Die Ware besetzt schon lange keine Nische mehr. Vielmehr beliefern wir kontinuierlich den Le- bensmitteleinzelhandel, den Discount sowie die süddeutschen Fleischwarenhersteller mit entsprechenden Qualitäten und Mengen. In allen Regionalprogrammen sehen wir noch Wachstumspotenzial.
Was sind die wichtigen Kriterien der Regionalprogramme?
Müller: Ferkelerzeugung, Schweinemast und Schlachtung erfolgen in Bayern oder Baden-Württemberg. So darf der Transport zum Schlachthof maximal vier Stunden dauern. Zudem sind verschiedene Parameter zur Fleischqualität und zur Tiergesundheit bzw. den Organbefunden einzuhalten.
Sind weitere Kiterien geplant?
Michelberger: Baden-Württemberg fordert im landeseigenen Qualitätszeichen QZBW jetzt zusätzlich GVO-freies Futter. Das verteuert die Produktion erheblich, weil die Mast und die Ferkel- aufzucht betroffen sind. Wir planen für GVO-frei gefütterte Tiere einen Bonus von bis zu 10 Cent/kg SG. Das bayerische GQB-Label macht Tests mit der GVO-freien Fütterung.
Wie sehen Sie die Antibiotika-freie Mast?
Müller: Wir sehen hierin aktuell keinen Ansatz. Denn wir dürfen die Umsetzbarkeit auf Erzeugerstufe nicht überstrapazieren. Jedoch respektieren wir die Verbraucherentscheidungen, wenn diese auch bezahlt werden.
Warum wurde der Bonus für die Regionalprogramme im Mai um 1 Cent erhöht?
Michelberger: Wir senden damit ein positives Signal, das die regionale Ferkelerzeugung und Mast stärken soll. Für uns geht es hier um Rohstoffsicherung. Zumal wir den Wachstumsschritt in Ulm im Wesentlichen mit süddeutschen Tieren umsetzen wollen.
Der Gesundheitsbonus steigt ebenfalls?
Müller: Richtig, wir wollen den Tiergesundheitsbonus bis Ende des Jahres von 50 Cent auf bis zu 1 € pro Schwein anheben. Im Gespräch sind auch neue Parameter, welche wir mit den Lieferanten, den amtlichen Veterinären, Hoftierärzten und den Beratungsorganisationen abstimmen. Ziel ist, die Befundung weiter zu standardisieren und dem Erzeuger mehr Grundlagen zur Optimierung an die Hand zu geben.
Wie sind Regionalprogramme und der Absatz im Discount vereinbar?
Michelberger: Der LEH bietet unser regional erzeugtes Fleisch wie GQ-Bayern exklusiv an. So generieren wir auf Verbraucherstufe einen Mehrerlös, wovon die ganze Produktionskette profitiert. Gleichzeitig müssen wir als Mittelständler auch den Discount bedienen, um uns mengenmäßig abzusichern. Im Discount haben wir über unsere Rohstoffmarke Süddeutsches Schweinefleisch (SDS) eine regionale Auslobung. Im SDS-Programm erlaubt die Kosten- struktur, dass wir größere, preisorientierte Abnehmer bedienen.
Die Mast im Süden schrumpft. Wie sichern Sie den Rohstoffbezug?
Müller: Über die Regionalprogramme sind rund 1500 Mäster vertraglich mit unserem Unternehmen verbunden. Das entspricht mehr als drei Viertel unserer Schlachtmenge. Mithilfe der Vermarktungsorganisationen wollen wir weitere Mäster an uns binden. Uns ist bewusst, dass es vor allem in Baden-Württemberg zum Rückgang der Mast kommen kann. Doch auch in der Schlachtstufe hält der Strukturwandel an. Wir sind im Wettbewerb allerdings gut aufgestellt. Hierzu gehört, dass wir uns regelmäßig mit Landwirten, Vermarktern und Verbänden austauschen.
Der Bezug regionaler Ferkel wird noch schwerer?
Michelberger: Richtig, der Ferkelbezug ist die Achillesferse unserer regionalen Programme. Schon jetzt können einige Mäster nicht teilnehmen, weil süddeutsche Ferkel nicht in ausreichender Qualität oder Partiegröße bereitstehen. Durch die erheblichen Herausforderungen wie die Kastration, den Kastenstand etc. kann sich das Problem in Zukunft sogar noch vergrößern.
Wie wollen Sie gegensteuern?
Michelberger: Wir müssen über die Gestaltung unserer Programme sicherstellen, dass die Regional- und Gesundheitsboni stärker an die Ferkelerzeuger durchgereicht werden. Zudem wollen wir verstärkt mit den Ferkelerzeugern in Dialog treten und gemeinsam innovative Beratungskonzepte entwickeln und umsetzen.
Wie wichtig ist für Sie der Export?
Müller: Wir führen 20% des Schweinefleisches in EU-Länder und 6% in Drittländer aus. So sind wir weniger abhängig vom Export als größere Mitbewerber. Der süddeutsche Raum bietet eine hohe Kaufkraft, die für uns im Fokus steht. Gleichwohl brauchen auch wir das Drittlandgeschäft, um mit einem ordentlichen Preis für die Nebenprodukte den Wert unserer heimischen Schweine zu unterstützen. Der Standort Ulm hat daher Exportlizenzen für alle wesentlichen Abnehmer in Drittländern.
Wie reagieren Sie auf das Verbot der betäubungslosen Kastration?
Müller: Die Ebermast ist im Süden weniger verbreitet. Wir haben daher Luft, weitere Jungeber zu attraktiven Preisen zu kaufen und neue Abnehmer für das Fleisch zu gewinnen. Wir schlachten wöchentlich rund 1500 Jungeber. Hier sollte eine Verdoppelung möglich sein, da wir den entsprechenden Absatz bereits gesichert haben. Grenzen sehen wir eher in der Umsetzbarkeit beim Mäster, wo es teils Vorbehalte gegen die Ebermast gibt. Die Impfung gegen Ebergeruch ist aktuell nicht unser Weg.
Der LEH will die Herkunftskennzeichnung. Was sind die Folgen?
Michelberger: Die Programmvielfalt für Fleisch wird ein Kraftakt für jeden Schlachtbetrieb. Je mehr Programme bis hin zum einzelnen Mäster umgesetzt werden müssen, desto mehr steigen die Kosten. Wichtig ist, dass wir das staatliche Tierwohllabel und die Initiative Tierwohl unter einen Hut bringen. Nur so bekommen wir ausreichend große Chargen, um den steigenden Logistikkosten Rechnung zu tragen.
Wie stellt sich Müller Fleisch darauf ein?
Müller: Für uns ist das Thema nicht neu. Denn unsere Regionalprogramme erfordern bereits ein stark aufgesplittetes Sortiment. Doch auch wir müssen unsere Technik und die EDV permanent weiterentwickeln. Dieses stellt uns ebenfalls vor Herausforderungen. Der Strukturwandel in der Schlachtbranche kann sich verstärken.
Die großen Schlachthöfe verkünden vermehrt Hauspreise: Wie reagieren Sie?
Michelberger: Wir haben bis auf wenige Ausnahmen stets die Notierung bezahlt und setzen diese Linie fort. In Hauspreiswochen kostet uns das mitunter viel Geld. Doch eine zuverlässige Preisfindung ist für uns ein wesentlicher Punkt. Ein hoher, für die Erzeuger nachvollziehbarer Schlachterlös dient auch der Rohstoffsicherung. Für den Erfolg unserer Regionalprogramme ist das unverzichtbar.