Martin Volke mästet jährlich 4000 Schweine. Die Hälfte davon für die eigene Direktvermarktung. Tierwohl und Lebensmittelsicherheit sind hier gleichermaßen gefragt.
Michael Werning, SUS
Auf dem Familienbetrieb Volke im hessischen Fritzlar sind die Aufgabenbereiche klar verteilt. Während Hofnachfolger Martin Volke sich um die Landwirtschaft kümmert, steht sein Vater Erwin der Direktvermarktung vor. „Anders würde es nicht gehen, weil beide Betriebszweige sehr vielschichtig sind“, erklärt Martin Volke.
Im eigenen Hofladen, auf drei Wochenmärkten und über den Partyservice und Schulverpflegung veredeln Volkes ihre Erzeugnisse. Dazu zählen Kartoffeln, Gemüse und Eier. Großes Aushängeschild ist aber das eigene Schweinefleisch. „Hier muss bei uns alles passen, von der Haltung bis zum fertigen Produkt. Schließlich steht auf jedem Schnitzel unser Name“, betont der 27-Jährige.
Neuer Stall für mehr Tierwohl
Verteilt auf zwei Ställe halten Volkes gut 1800 Mastschweine. Wie wichtig ihnen dabei das Tierwohl ist, lässt sich sehr gut an dem 2016 gebauten Stall für rund 1200 Tiere erkennen. Den hat der Junglandwirt im Rahmen seiner Bachelorarbeit geplant und später mit Fördermitteln des Landes Hessen gebaut.
Von außen stechen neben großen Fensterflächen sofort die Kühltürme an den Giebelseiten des Stalles ins Auge. „Die Zuluft wird erst durch die gelochte und bewässerte Klinkerwand gezogen, bevor sie in den Zentralgang und von dort in die Abteile gelangt“, erläutert Volke. Eine Investition von geschätzten 30000 €, die sich für den Hessen aber insbesondere in einem Sommer wie 2018 bezahlt macht. „Wir senken auf diese Weise die Zulufttemperatur um rund 10°C, bevor sie in die Abteile strömt. Das wirkt unheimlich stressmildernd auf die Tiere“, so der Junglandwirt.
Im Stall selbst fällt das enorme Platzangebot auf. Laut den Fördervorgaben des Landes muss jedem Tier 0,9 m² zur Verfügung stehen. Volkes gehen da deutlich drüber hinaus. Sie stallen bereits die 30 kg-Ferkel mit 1,1 m² auf. Das großzügige Platzangebot halten die Hessen für wichtig, damit sich die Tiere ihre Bucht in die Funktionsbereiche Liegen, Fressen, Aktivität und Kotecke einteilen können.
Saubere Buchten
Eine Erkenntnis zur Buchtenstrukturierung hat Martin Volke dabei durch Zufall gewonnen. So hatte er im hinteren Teil aller 25er-Gruppenbuchten eine kurze Trennwand gesetzt, um mithilfe einer einsetzbaren Tür bei Bedarf eine Selektionsbucht einrichten zu können. „Schnell stellte sich heraus, dass die Tiere diese geschützte Ecke gerne zum Abkoten nutzen. Das ist mir recht. Denn so bleibt die restliche Buchtenfläche sauber“, schmunzelt Volke.
Das ist besonders vor dem Hintergrund wichtig, dass die Buchten mit Ökospalten ausgelegt sind. Deren Schlitzanteil liegt bei unter 10%. Einen Strohstall zu bauen kam für die Familie dagegen aus hygienischen Gründen nicht infrage. „Wir verarbeiten und vermarkten knapp die Hälfte unserer Schlachtschweine selbst. Da wäre es eine Katastrophe, würden wir durch belastetes Stroh unseren Salmonellenstatus Kategorie 1 verlieren“, erklärt Erwin Volke.
Die Schweinehalter verzichten zwar auf eine Einstreu. Dass die Tiere Zugang zu Raufutter haben, ist ihnen aber sehr wichtig. Hier setzen Volkes auf selbstangebautes Luzerneheu, welches in Raufen angeboten wird. Vor dem Verfüttern wird das Heu, wie alle anderen Futterkomponenten, beprobt. Selbst beim zugekauften Sojaschrot vertraut Martin Volke nicht allein auf die Deklaration. „Um eine gute Ration mischen zu können, muss ich genau wissen, was in den Rohwaren drinsteckt. Das geht nur über aktuelle Analysewerte“, erklärt der Agraringenieur.
Verzicht auf Kupieren
Weil er sich ohnehin schon seit Jahren viele Gedanken über die Haltungsbedingungen gemacht hatte, wurde für Martin Volke früh ein schrittweises Kupierverzicht zum Thema. Die Initialzündung kam 2017, als der Hesse auf die Modell- und Demonstrationsvorhaben Tierschutz der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung aufmerksam wurde. Im Rahmen des Programms werden Landwirte dabei unterstützt, innovative Maßnahmen, wie beispielsweise die Haltung unkupierter Schweine, zu erproben. Mithilfe ihrer Praxiserfahrungen wird später das Nachahmungspotenzial für andere Betriebe bewertet.
Der junge Betriebsleiter war sofort interessiert. Auch sein langjähriger Ferkelerzeuger, der mit seinem Betrieb nur 12 km entfernt liegt, signalisierte Bereitschaft. Mittlerweile beschäftigen sich beide Betriebe seit Juni 2018 mit der Langschwanzhaltung. Bereut haben sie die Teilnahme nicht. „Du hinterfragst deine gesamte Produktion. Lüftung, Fütterung, Genetik – wo lässt sich noch etwas optimieren? Dabei lernt man sehr viel, und es entwickelt sich ein Blick für Details“, so der Mäster.
Pflanzenkohle gegen Beißen
Da Volkes kontinuierlich Schweine für die eigene Vermarktung brauchen, sind die zehn Großabteile im neuen und alten Maststall mit verschiedenen Altersgruppen belegt. Die Zahl der unkupierten Tiere pro Gruppe schwankt dabei zwischen 50 und 100 Tieren. Bei den Langschwanztieren ist es allerdings nicht immer so, dass alle auch wirklich zu der jeweiligen Altersgruppe gehören. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese Schweine nicht zwangsläufig alters-, sondern eher gewichtsbezogen zu den kupierten Tieren der Gruppe passen müssen“, erklärt Martin Volke.
Neben der Zusammenstellung möglichst homogener Gruppen sieht er eine intensive Tierbeobachtung als Schlüssel für eine erfolgreiche Langschwanzhaltung. „Allgemeine Unruhe oder vermehrtes Flanken ziehen sind erste Warnsignale. Treten dazu gerötete bzw. borstenlose Ohren und Schwanzspitzen auf, bahnt sich definitv was an“, erläutert der Landwirt.
Dann ist es wichtig, die Tiere durch neue Reize abzulenken. Volke stellt in solchen Fällen einen schweren Futterautomat in die Bucht. Den können die Tiere zwar hin und her schieben, aber nicht umschmeißen. Gefüllt ist er mit einem Gemisch aus Rübenschnitzel, Pflanzenkohle und Gesteinsmehl. Diese Rohstoffe wecken von ihrer Beschaffenheit her Interesse bei den Tieren, fördern die Darmgesundheit und liefern obendrein noch wertvolle Struktur und Mineralien.
Schwere Metzgerschweine
Martin Volke hat zwar schon Rückschläge erlebt, wo nur 30% der Tiere am Mastende einen unversehrten Schwanz aufwiesen. Deutlich häufiger erreicht er allerdings eine Quote von 100% heile Langschwänze. Ein Erfolg, den er auch auf die etwas andersgelagerte Produktion zurückführt.
So füttert er in der Endmast ein sehr energiearmes Futter und verzichtet damit bewusst auf höhere Tageszunahmen. Damit will Volke verhindern, dass die Tiere verfetten und an Wert für die eigene Direktvermarktung verlieren. „Wir sind mit durchschnittlichen Tageszunahmen von 840 g zufrieden. Viel mehr ist sowieso nur schwer möglich, da wir bei den Tieren für die eigene Verwertung ein Schlachtgewicht von 130 kg und einen Magerfleischanteil von 61% anstreben“, erklärt der junge Agraringenieur.
Das ungewöhnlich hohe Schlachtgewicht sorgt zwar dafür, dass der Betrieb im Jahr nur auf 2,3 Stalldurchgänge kommt. Für die eigene Verarbeitung und Vermarktung bringt es aber gleich mehrere Vorteile mit sich. Denn neben niedrigeren Schlachtkosten verbessert sich mit zunehmenden Schlachtgewicht das Fleisch-Knochen-Verhältnis und die größeren Edelteile machen sich besser in der Frischtheke des Hofladens. Zudem ist das Fleisch älterer Tiere rötlicher als das jüngerer Schweine, was bei den Kunden als Qualitätsmerkmal gilt.
Eigene Zerlegung
Der hessische Familienbetrieb liefert jede Woche seine Schweine selbst beim Schlachthof in Bad Wildungen ab. Das Besondere dabei ist, dass Volkes den Schlachtbetrieb zusammen mit anderen Metzgern aus der Region als Gesellschafter führen. Eigentümer des Standortes ist die Stadt Bad Wildungen.
Für ihre Direktvermarktung und das Catering lassen Volkes wöchentlich 25 bis 35 Schweine schlachten. Hinzu kommen die überzähligen Tiere, die sie nicht selbst verarbeiten können und die auch deutlich leichter als die „Metzgerschweine“ über die ortsansässige Viehverwertung vermarktet werden.
Die Feinzerlegung der Schlachthälften erfolgt in Volkes eigener Metzgerei. Spätestens hier zeigt sich, ob die Tiere dem hohen Qualitätsanspruch gerecht werden. Denn für die Verarbeitung brauchen die Hessen Schlachtschweine mit hoher Fleischfülle, mageren Bäuchen und langen, dicken Kotelettsträngen. Großen Einfluss darauf hat neben der Fütterung die Genetik. Volkes Ferkelerzeuger setzt hier auf die Genesus-Sau und eine eng abgestimmte Auswahl an fleischreichen Piétrain-Ebern.
Liegt das fertige Stück Fleisch in der Frischtheke des Hofladens, ist es wichtig, dass Volkes und ihr gut geschultes Verkaufspersonal ihre tierwohlgerechte Schweinehaltung dem Kunden gegenüber kommunizieren. Dabei spielt die Langschwanzhaltung aktuell keine zentrale Rolle. „Das sind momentan nur circa ein Viertel unserer Tiere. Wenn wir es schaffen, mehr unkupierte Tiere zu halten, wollen wir das stärker in den Fokus rücken“, so Martin Volke.
Immer wieder betont er dagegen die kurzen Transportzeiten für die Schweine. „Vom Ferkelerzeuger zu uns sind es 20 Minuten und dieselbe Zeit stehen die Tiere auch auf dem Transporter zum Schlachthof“, so der Schweinehalter.
Außerdem verzichtet er auf den Einsatz von Antibiotika. „Ich versuche Krankheitsprobleme sehr früh zu erkennen und diese mit Homöopathie in den Griff zu bekommen“, so Volke Junior.
Regelmäßige Stallführungen
Für den jungen Betriebsleiter kann die Aufklärung seiner Kunden und anderer Interessierter nicht allein an der Ladentheke stattfinden. Deshalb hat er im neuen Maststall einen Besucherraum eingerichtet. Der 25 m² große Raum kann ohne Stallkleidung betreten werden und ermöglicht durch große Fenster den direkten Blick in ein Abteil.
„Anfangs wollten wir den Raum frei zugänglich halten. Wir haben aber schnell gemerkt, dass viele Dinge sehr erklärungsbedürftig sind und Infotafeln nicht ausreichen“, so Volke. Deshalb bietet er seit zwei Jahren fast jeden Samstag rund einstündige Führungen an. „Manche melden sich vorher im Laden an, andere kommen spontan“, erzählt der engagierte Schweinehalter.
Die Fragen der Besucher sind sehr unterschiedlich und hängen stark von deren Vorkenntnissen ab. Eine häufige Frage lautet, warum die Schweine nicht auf Stroh stehen. Hier argumentiert der Landwirt, dass die Strohhaltung zwar ein Mehr an Tierwohl verspricht, aber auch ein Gesundheitsrisiko für die Tiere ist. „Die Leute sollen verstehen, dass die Nutztierhaltung immer ein guter Kompromiss zwischen Tierwohl und Lebensmittelsicherheit sein muss“, so Martin Volke.
Fazit
Der Betrieb Volke mästet rund 4000 Schweine im Jahr. Die Hälfte der Tiere wird in der eigenen Metzgerei und im Hofladen verarbeitet bzw. vermarktet.
Martin Volke setzt voll auf Tierwohl. Die Tiere haben deutlich mehr Platz und als Raufutter wird selbstangebautes Luzerneheu vorgelegt. Seit über einem Jahr hält er zudem erfolgreich Langschwänze.
Um die besondere Haltung auch den Kunden vermitteln zu können, haben Volkes in ihrem neuen Stall einen Besucherraum eingebaut. Den nutzen sie regelmäßig für Stallführungen.