Schweinebetriebe sind zunehmend auf Arbeitskräfte angewiesen. Die Uni Göttingen hat 74 Betriebsleiter zu ihren Erfahrungen befragt.
Mone Kuhlmei, Uni Göttingen
Viele Schweinehalter haben ihre Bestände in den letzten Jahren spürbar aufgestockt. Insbesondere in der betreuungsintensiven Ferkelerzeugung sind die Betriebsleiter zunehmend auf familienfremde Arbeitskräfte angewiesen.
Dieser Trend ist zwar besonders ausgeprägt auf den großen Sauenbetrieben in Ostdeutschland. Doch mittlerweile beschreiten gerade im viehintensiven Nordwesten immer mehr Schweinehalter einen ähnlichen Weg. Die erfolgreiche Beschaffung, Motivation und Führung von Mitarbeitern wird daher auch dort immer wichtiger.
Vor diesem Hintergrund hat die Uni Göttingen im Rahmen einer Master-Arbeit eine Praxis-Umfrage durchgeführt. Die Arbeit widmet sich dem Einsatz von Fremd-Arbeitskräften in Schweine haltenden Betrieben.
74 Betriebsleiter befragt
An der online durchgeführten Erhebung nahmen 74 Betriebsleiter teil. Die Umfrage umfasste dabei drei Themenschwerpunkte mit insgesamt 48 Fragen. Deren Beantwortung dauerte durchschnittlich knapp eine halbe Stunde.
Bis auf einen nahmen ausschließlich konventionell bewirtschaftete Schweinebetriebe teil. Unterschieden nach Produktionsrichtungen machten die Mäster mit knapp 45% den Großteil aus. Dahinter folgen Betriebe im teilgeschlossenen System und die reine Ferkelerzeugung mit 19 bzw. 18%. Hinsichtlich der Bestandsgrößen liegen die Teilnehmerbetriebe deutlich über dem nationalen Niveau. So halten die Mäster im Schnitt mehr als 2200 Tiere, während die teilnehmenden Ferkelerzeuger auf 555 Sauen kommen.
Von den befragten Betriebsleitern beschäftigen 53 sowohl Familien- als auch Fremd-Arbeitskräfte. Sechzehn Betriebe werden ausschließlich von Familien-AK betrieben und auf fünf Betrieben arbeiten nur Fremd-AK.
Bei der Bedeutung der Fremd-Arbeitskräfte ist ein deutlicher Unterschied zwischen den alten und neuen Bundesländern feststellbar. So sind in den befragten westdeutschen Schweinebetrieben durchschnittlich 2,3 Familien- und 3,2 Fremd-AK beschäftigt. Auf den Teilnehmer-Betrieben im Osten sind es 1,4 Familien- und 8 Fremd-AK.
Neben den überdurchschnittlichen Tierbeständen macht auch die große Mitarbeiterzahl deutlich, dass sich vornehmlich größere Betriebe an der Umfrage beteiligt haben. Die Zahlen stellen daher kein repräsentatives Bild der deutschen Schweinehaltung dar.
Mehrheit in Vollzeit
Im ersten Teil der Umfrage sollten die Betriebsleiter angeben, in welchen Arbeitsverhältnis die Mitarbeiter stehen. Dabei kam heraus, dass mit 62 % die Mehrheit in Vollzeit angestellt ist. Bei rund 23 % handelt es sich um ständig Beschäftigte in Teilzeit und 15 % sind als Saisonarbeitskräfte angestellt. Bei einem Großteil davon handelt es sich um Deutsche (65 %), gefolgt von Polen (20 %) und Rumänen (10 %).
Rund ein Drittel der Beschäftigten erhält ein festes Monatsgehalt. An zweiter Stelle steht mit 21 % die Entlohnung der geleisteten Stunden durch einen fixierten Stundenlohn. Sonn- und Feiertagszuschläge sowie Prämien bemessen nach der Anzahl lebend geborener Ferkel pro Sau und Jahr oder täglichen Tageszunahmen werden nur von 8 % bzw. 4 % der Betriebe gezahlt.
Ins Auge sticht die Entlohnung der Familien-Arbeitskräfte. So sind zwar 60 % von ihnen in Vollzeit im Betrieb tätig, aber fast 30 % erhalten keine direkte Bezahlung.
Lohnabfall von West nach Ost
Der zweite wichtige Punkt der Befragung war die Höhe der Bezahlung der Mitarbeiter. Fakt ist: Die Landwirtschaft zählt in Deutschland zum Niedriglohnsektor. Das bedeutet, dass ein Großteil der Beschäftigten unter 1715 € brutto im Monat verdient.
In der Umfrage lag das Lohnniveau der Betriebsleiter deutlich darüber (siehe Übersicht). Sie gaben an, sich selbst durchschnittlich 25,14 € brutto/Stunde beizumessen. Bei den angestellten Betriebsleitern im Osten bzw. in größeren Betrieben handelt es sich dabei um ein real ausgezahltes Gehalt. Der Lohn eines Betriebsleiters im Westen, der meist auch Inhaber ist, kann dagegen eher als kalkulatorische Größe eingestuft werden. Nach der Bezahlung der Betriebsleiter erfolgt eine merkliche Abstufung, angefangen beim Bereichsleiter mit 16,46 €, der Fachkraft mit 13,71 € und der ungelernten Arbeitskraft, die bei 9,87 € brutto/Stunde liegt.
Auffallend waren erneut die Unterschiede, aufgeschlüsselt nach den alten und neuen Bundesländern. Über alle Stufen hinweg verdienen die Mitarbeiter in westdeutschen Schweinebetrieben mehr. So erhält der Betriebsleiter dort im Schnitt 27,86 € brutto/Stunde, während es im Osten nur 20,38 € sind. Ähnlich signifikant ist die Differenz bei den Fachkräften. Mit 14,39 € zu 11,33 € liegen über 3 € zwischen dem Stundenlohn einer gelernten Kraft in West- und Ostdeutschland.
Flache Hierarchie
Die nächste Frage zielte darauf ab, ob auf den Höfen verschiedene Hierarchiestufen bestehen. Mehr als die Hälfte der Betriebsleiter (54,1 %) verneinte dies, über 40 % stimmten dem zu. Bei den übrigen Befragten herrschte diesbezüglich Unsicherheit.
Von den 30 Betriebsleitern, deren Mitarbeiterstruktur hierarchisch aufgebaut ist, gaben 50 % an, dass es auf ihrem Betrieb zwei Hierarchiestufen gibt. In diesem Fall sind die Arbeitskräfte dem Betriebsleiter direkt unterstellt. Die zweithäufigste Antwort lag mit knapp 37 % bei drei Führungsstufen. Wobei unter den Mitarbeitern selbst nach Aussage der Betriebsleiter meist keine strenge Hierarchie praktiziert wird.
Es wird gerne delegiert
An erster Position steht in allen Hierarchien der Betriebsleiter bzw. der Betriebseigentümer. Darauf folgen der Bereichsleiter, die Familien-AK und die landwirtschaftliche Fachkraft. Die letz-te Stufe wird zumeist von Auszubildenden und ungelernten Kräften besetzt. Daraus ist erkennbar, dass die Stellung einer Arbeitskraft vor allem mit dessen Qualifikation und Ausbildung verbunden ist.
Im weiteren Verlauf der Umfrage ging es um die Arbeitsorganisation sowie die Entscheidungsspielräume und Verantwortungsbereiche der Arbeitskräfte.
Dabei kam heraus, dass die Arbeitsorganisation zumeist von den Betriebsleitern übernommen wird und die Mehrheit der Angestellten einen festen Aufgabenbereich besitzen.
Außerdem wurde deutlich, dass die Betriebsleiter bestimmten Mitarbeitern gerne Verantwortung übertragen und Weisungsbefugnisse einräumen. Über 70 % der Befragten gaben zudem an, dass sie Entscheidungen, die einen bestimmten Arbeitsbereich betreffen, vorher mit der jeweiligen Kraft absprechen. Strategische Entscheidungen, z.B. zur Betriebsentwicklung, werden dagegen häufig (67 %) ohne Einbeziehung der Mitarbeiter getroffen. Allerdings verlangen rund 30 % der Führungsspitzen, dass die Mitarbeiter alle Entscheidungen mit ihnen absprechen.
Insbesondere in hierarchisch strukturierten Betrieben werden von Arbeitskräften mit Führungsaufgaben eigenständige Entscheidungen erwartet. Gleichzeitig wird dort von Mitarbeitern ohne Führungsaufgaben in der Regel nicht erwartet, dass sie die wirtschaftlichen Zusammenhänge im Betrieb überblicken.
Ehrlichkeit besonders wichtig
Im nächsten Punkt der Umfrage ging es um die persönlichen und fachlichen Qualifikationen der Mitarbeiter. Eines steht fest: Heute prägen in der modernen Schweinehaltung weniger körperlich belastende Tätigkeiten, sondern viel mehr ein intensiver Umgang mit den Tieren den Aufgabenbereich. Daher stehen bei den Betriebsleitern neben der Berufsbildung die Erfahrungen im Umgang mit Tieren hoch im Kurs.
Bei den persönlichen Eigenschaften achten die Teilnehmer der Umfrage insbesondere auf Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Motivation. Einige Betriebsleiter nannten auch die Bereitschaft, über mehrere Jahre im Betrieb arbeiten zu wollen, als mitentscheidendes Kriterium. Das Geschlecht oder die Nationalität wurden dagegen als unerheblich eingestuft.
Fachkräftemangel spürbar
Abschließend ging es um die Verfügbarkeit von qualifizierten Arbeitskräften. Für knapp die Hälfte der befragten Betriebe bahnt sich ein Fachkräftemangel an. Diese Meinung wird insbesondere von denen vertreten, die in den nächsten Jahren einen Ausbau der Schweinehaltung planen.
20 % der Befragten konnten diese Einschätzung nicht teilen. Anstatt zusätzliches Personal einzustellen, wollen rund 37 % der Betriebsleiter die Automatisierung ihrer Produktion weiter vorantreiben. Die Beschäftigung von Fremd-AK in überbetrieblichen Kooperationen ist nur für Einzelne ein gangbarer Weg.
Auch die Einstellung und anschließende Einarbeitung ungelernter Ar-beitskräfte wird tendenziell abgelehnt. Es können sich aber rund 30 % der Befragten vorstellen, darauf in Zukunft stärker einzugehen.
Denn die Mehrheit der Verantwortlichen stuft die Suche nach geeignetem Personal bereits heute als schwierig ein. Nur 15 % haben keine Probleme qualifizierte Fremd-AK zu finden. Dafür wird von über 50 % der Betriebe die Gewinnung ungelernter Fremd-AK als gut oder sehr gut bezeichnet.
Fazit
Die gewachsenen Betriebe sind immer häufiger auf familienfremde Arbeitskräfte angewiesen. Eine Umfrage unter 74 Betriebsleitern lässt folgende Trends erkennen:
- Die mehrheitlich in Vollzeit arbeitenden Mitarbeiter werden in den alten Bundesländern besser bezahlt.
- Meist herrschen flache Hierarchiestrukturen. Strategische Entscheidungen trifft die Führungsspitze häufig alleine.
- Bei den Anforderungen an Mitarbeiter dominieren Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Motivation.
- Der prognostizierte Fachkräftemangel ist insbesondere für die wachstumswilligen Betriebe spürbar.
- Weil ein Großteil der Einstellung ungelernter Kräfte eher kritisch gegenüber stehen, setzen einige Betriebe auf eine fortschreitende Technisierung ihrer Produktionsprozesse.