Die Einbrüche in Schweineställe häufen sich. Über die Hintergründe und Gegenmaßnahmen hat SUS mit ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack diskutiert.
Fred Schnippe, SUS
Warum hat die Zahl der Stalleinbrüche derart zugenommen?
Staack: Die Schweinehaltung steht stark in der Diskussion. Darauf haben die Tierrechtler offenbar ihr Geschäftsmodell aufgebaut. Die jüngsten Vorfälle beruhen nämlich zumeist nicht auf konkreten Hinweisen auf Tierschutzverstöße. Vielmehr gehen die Tierrechtler quasi in Schleierfahndungen gegen die gesamte moderne Schweinehaltung vor. Dies kann jeden Betrieb treffen.
Welche Betriebe stehen im Fokus?
Staack: Die Tierrechtler nehmen gezielt Vorzeigebetriebe aufs Korn. Das können nicht nur Schweinehalter im Ehrenamt oder Modell- und Demonstrationsbetriebe sein. Auch Betriebe, die z.B. online mit einer besonderen Fleischqualität oder speziellen Haltungsverfahren werben, stehen im Fokus. Also diejenigen, die beim Tierwohl vorangehen.
Worum geht es den Tierrechtlern genau?
Staack: Zunächst geht es den Aktivisten um eine vegane Lebensweise und die Abschaffung der Tierhaltung. Hauptziel der Tierrechtler ist daher ein großes Medien-Echo. Wer einen Vorzeigebetrieb bloßstellt, kann mit mehr Aufmerksamkeit rechnen. Die Vermarktung von Fotos und Videos z.B. ans Fernsehen spielt dabei eine wichtige Rolle. Damit werden zwar keine direkten Einnahmen generiert. Unsere Recherchen zeigen aber deutlich, dass es darum geht, potenzielle Spender auf die eigenen Seiten im Internet und den sozialen Medien zu locken. Sie finden dort prominent fast immer einen Spenden-Link. Man kann dort sogenannte Recherchepatenschaften übernehmen oder der Organisation sein gesamtes Hab und Gut vermachen!
Wie sind die Tierrechtler organisiert?
Staack: Wir haben es offenbar mit einer geschickten Arbeitsteilung zu tun. So übernimmt eine Organisation die „Drecksarbeit“ und dringt in die Ställe ein. Die nächste Organisation verschafft sich z.B. über das Verbandsklagerecht Zugang zu sensiblen betrieblichen Daten. Die Dritte gibt den medialen Saubermann und stellt die Strafanzeigen.
Warum werden die Tierrechtler immer dreister?
Staack: Die Tierrechtler achten darauf, möglichst nicht mehr als Hausfriedensbruch zu begehen, um die rechtlichen Konsequenzen gering zu halten. Zudem verliefen verschiedene Anzeigen wegen Hausfriedensbruch im Sande, weil die konkreten Personen oder Zeitpunkte nicht identifizierbar waren. Häufig kommt es gar nicht zur Anzeige, weil die Bilder lange Zeit nach der Tat veröffentlicht werden. Einige Tierrechtler fühlen sich daher inzwischen so sicher, dass sie auf Videos keine Vermummung tragen.
Was bedeutet der Freispruch vor Gericht in Magdeburg?
Staack: Die Magdeburger Richter haben die Tierrechtler trotz nachweislicher Hausfriedensbrüche freigesprochen, weil angeblich ein Notstand bestanden haben soll. Die Tierrechtler fühlen sich dadurch bestätigt und treten noch selbstbewusster auf. Die Staatsanwaltschaft hat Revision eingelegt. Bleibt zu hoffen, dass das Oberlandesgericht das Urteil nun korrigiert. Dass bereits gegenteilige Richtersprüche getroffen wurden, zeigt z.B. ein rechtskräftiges Urteil gegen Tierrechtler aus Heilbronn. Übrigens: Vor Gericht standen die führenden Köpfe einer Tierrechtsorganisation.
Wie beugt man Einbrüchen vor?
Staack: Betriebsleiter müssen noch sensibler für den Tierschutz sein. Es kommt nun aber besonders darauf an, kranke oder verletzte Tiere frühzeitig zu identifizieren, richtig zu behandeln und korrekt unterzubringen. Diese Schritte sind genau zu dokumentieren. Wichtig ist zudem ein sensibler Umgang mit dem Nottöten. Wer unsicher ist, sollte den Tierarzt hinzuziehen.
Wie erkenne ich, dass mein Stall gefährdet ist?
Staack: Es gibt wenig Sinn, den Hof zum Hochsicherheitsbereich zu machen. Entscheidend ist vielmehr, dass alle Familienmitglieder, Mitarbeiter und Nachbarn sensibilisiert sind. Einfach gesagt: Eine aufmerksame Großmutter am Fenster ist weitaus effektiver als viel Technik. Hilfreich sind Türsensoren. Hof- oder Stallkameras bringen wenig, da sie das Vorgehen meist nur im Nachhinein dokumentieren können.
Wie arbeiten die Einbrecher?
Staack: Meist bereiten sie ihre Besuche gut vor, indem sie das Gelände zuvor erkunden. Hinweise können z.B. auffälliger Fahrzeugverkehr auch am Tag oder vermehrte Fußspuren vor dem Stallfenster oder Kadaverlager sein. In einem Fall war eine gelöste Dachplatte ein Hinweis.
Was muss ich nach einem Einbruch zuerst tun?
Staack: Erwischen Sie jemanden auf frischer Tat, vermeiden Sie auf jeden Fall jegliche Konfrontation. Rufen Sie die Polizei! Häufig erfahren Sie erst im Nachgang, dass jemand bei Ihnen war. Wichtig ist dann, dass sich der Betrieb unmittelbar professionelle Hilfe holt. Ansprechpartner können die ISN oder der jeweilige Bauernverband sein. Dann sollte man unbedingt den Amtsveterinär und QS informieren. In der Regel bietet das QS-System ein Sonderaudit an. Ob das Veterinäramt die Tiere ebenfalls begutachtet, ist im Einzelfall zu klären. Sinnvoll ist zudem, das nähere Umfeld und die lokale Presse proaktiv über die Vorfälle zu informieren. Oft lässt sich mit den Pressevertretern zunächst ein Hintergrundgespräch abstimmen. Das erspart Falschmeldungen und Gerüchte. Machen Sie das bitte nicht alleine, sondern holen Sie sich professionelle Hilfe dazu!
Was ist mit Bildern im Netz oder TV?
Staack: Die Tierrechtler sind hier sehr vorsichtig und verzichten z.B. bewusst auf die Nennung von Namen. Selbst wenn es aus juristischer Sicht erfolgversprechende Ansatzpunkte gibt, ist man oft machtlos, da die Daten mitunter von Servern im Ausland verbreitet werden. Auch kommen diese Schritte meist zu spät, weil die Bilder bereits über das Internet verteilt und von zahlreichen Nutzern abgerufen wurden. Diese Bilder bekommt man dann kaum wieder aus dem Internet. Umso wichtiger ist es, dass der Landwirt frühzeitig erkennt, wenn sein Stall für weitere Maßnahmen ausspioniert wird.
Was tut die ISN?
Staack: Es kann nicht angehen, dass Aktivisten unter dem Deckmantel des Tierschutzes Gesetze missachten und steuerlich privilegiert in großem Stil auf Spendenjagd gehen! Wir haben uns der Sache daher sehr breit angenommen. Ein zentraler Punkt ist die Betreuung betroffener Betriebe. Darüber hinaus haben wir umfangreiche Recherchen über die Verfahrensweisen dieser Organisationen durchgeführt. Darauf fußt auch eine Petition an den NRW-Landtag. Wir fordern diesen auf, die Praktiken und das Geflecht der Tierrechtsorganisationen kritisch zu durchleuchten. Insbesondere stellen wir die Gemeinnützigkeit der Organisationen in Frage. Zudem haben wir die zuständige Finanzbehörde und das Innenministerium über unsere Recherchen in Kenntnis gesetzt.
Was kann die Politik tun?
Staack: Die Politik muss den Rechtsstaat verteidigen! Angesichts der vielen Verflechtungen in der Tierrechtlerszene sehen wir die Gefahr, dass sich eine Parallel-Gesellschaft bildet, welche die Autorität des Staates miss- achtet. Es geht ja nicht um den Hausfriedensbruch. Höhere Strafen hierfür wie in den USA bringen daher wenig. Es geht darum, dass die Akteure anlasslose Schleierfahndungen veranstalten und teils mit den generierten Bildern Cyber-Mobbing auslösen oder betreiben. Dabei bleibt völlig außen vor, ob der Betrieb überhaupt nachweislich schuldig im Sinne des deutschen Rechtssystems ist!