Die Bank spielt bei der Betriebsentwicklung eine immer größere Rolle. SUS und ISN haben mit drei Bankern über große Ställe, Risiken und Zukunftsstrategien diskutiert.Viele Schweinehalter wollen trotz der angespannten finanziellen Lage weiter wachsen. Der Zwang zu großen Vermarktungspartien und die Sorge um die Genehmigungspraxis treiben sie an. Die Wachstumsschritte werden immer größer. Oft sind sie nur mit viel Fremdkapital zu stemmen. Wie sehen Banker die Entwicklung? SUS und die Interessengemeinschaft ISN haben drei Spezialisten aus der Agrar-Finanzierung an einen Tisch geholt. SUS: Wie ist die aktuelle Investitionsbereitschaft der Schweinehalter? Kalverkamp: Nach dem Bauboom der letzten Jahre sind die Investitionen zurückgegangen. Kapitalbedarf spüren wir allerdings im Sauenbereich bei der Umrüstung für die Haltungsauflagen 2013. Beim Neubau dominiert die Mast. Hoffrogge: Etliche Ferkelerzeuger wollen im Zuge der Umrüstung z. B. von 300 auf 600 Sauen verdoppeln, um vorhandene Kastenstände als Deckzentrum zu nutzen. Andere Sauenhalter wollen ins geschlossene System. Investitionen zahlreicher Schweinehalter in Biogas haben im Vergleich zum Vorjahr abgenommen. SUS: In welchen Größenordnungen investieren die Betriebe? Hoffrogge: Die Größe der Bauprojekte hat weiter zugelegt. Typische Familienbetriebe mit 200 bis 400 Sauen streben eine Verdoppelung an. Kleinere Betriebe mit 200 Sauen tendieren zur eigenen Mast. Um alle Ferkel selbst mästen zu können, steht oft eine 2 000er-Einheit im Raum. Bei Mästern geht es häufig ebenfalls um Erweiterungen um 2 000 Plätze. Knijnenburg: Den Trend zu großen Investitionen sehen wir auch in Holland. Wobei unsere Betriebe größer sind. Es geht oft um Schritte von 400 auf 800 Sauen oder 3 000 auf 6 000 Mastplätze. Vermehrt wollen Sauenhalter selbst mästen. In größeren Betrieben ist das Wachstum so ausgelegt, dass man einen weiteren Mitarbeiter auslasten kann. SUS: Was treibt die Betriebe zu derartigen Schritten? Kalverkamp: Der Hauptgrund ist die enorme Nachfrage nach großen Vermarktungspartien. Große Schweineställe bieten zudem Kostendegressionen beim Bau und Betriebsmitteleinkauf. Nicht wenige Betriebe fürchten auch, dass größere Ställe künftig nicht mehr genehmigt werden. SUS: Das Wachstum hat unsere Selbstversorgung auf 115 % katapultiert. Ist das noch gesund? Hoffrogge: Bei hohen Exportquoten steigt das Marktrisiko. Dennoch sehe ich die Entwicklung positiv. Wir erzeugen ausgezeichnetes Fleisch, das international gefragt ist. Zudem spielt uns der Anstieg der Futterpreise in die Karten. Denn bei der Futterverwertung stehen wir deutlich besser als viele unserer Fleischabnehmer. Letztlich erfolgt die Produktion dort, wo sie am günstigsten ist. SUS: Wo sehen Sie die größten Hemmnisse für wachstumswillige Betriebe? Hoffrogge: Das ist die Genehmigung neuer Ställe. Was einige Landkreise bezüglich Brandschutz, Zufahrtswegen etc. fordern, ist Überregulierung, die Wachstum verhindert. Geplante Verschärfungen zur Privilegierung spitzen die Lage zu. Knijnenburg: Unterschätzen dürfen wir nicht die wachsenden Widerstände bei Anwohnern und Tierschützern. Hier müssen wir unser Image verbessern. SUS: Ein Kraftakt sind auch die Haltungsauflagen 2013. Was sind die Folgen? Hoffrogge: In der Mast erwarte ich stabile Bestände. Zwar steigen kleinere Betriebe aus, weil sich z. B. das Umrüsten der Spaltenböden für sie nicht lohnt. Die Ställe werden aber vermutlich günstig verpachtet und von größeren Mästern nach der Umrüstung weiter betrieben. Kalverkamp: Vermutlich werden insbesondere viele kleinere Ferkelerzeuger mit 100 bis 200 Sauen aussteigen. Hier fehlen oft das Geld und die Perspektive für teure Umrüstmaßnahmen. Die Sauenbestände könnten sich nach einem leichten Rückgang in 2013 aber wieder erholen, weil größere Betriebe weiter aufstocken. SUS: Dennoch bleibt die Lage im Sauenbereich angespannt. Sind Investitionen hier noch sinnvoll? Kalverkamp: Ferkelerzeuger mit Spitzenleistungen haben immer Geld verdient. Die größte Stabilität sehe ich im Familienbetrieb mit 300 bis 400 Sauen. Denn sie haben kaum Festkosten durch Mitarbeiter. Wichtig ist, dass man seine Ferkel auch künftig zu Top-Konditionen vermarkten kann. Hier können Familienbetriebe mit dem Wechsel zum Mehrwochenrhythmus noch besser werden. Knijnenburg: Auf jeden Fall! In den Niederlanden haben die Sauenhalter in den letzten Jahren sogar etwas mehr verdient als die Mäster. Wobei die Bandbreite enorm ist. Spitzenbetriebe haben in schlechten Jahren noch mehr verdient als weniger erfolgreiche in guten Jahren. SUS: Wie viel Eigenkapital sollte man bei Investitionen mitbringen? Knijnenburg: Die Kreditvolumen sind stark gewachsen, das mitgebrachte Eigenkapital oft aber nicht. Wir sehen uns aus diesem Grund das gesamte Betriebskonzept an. Hierzu gehört auch die Unternehmerfamilie – insbesondere der Hofnachfolger. Bei sehr guten Konzepten kommen wir auch mit 10 % Eigenkapital oder weniger aus. Wichtig ist natürlich, dass die biologischen Leistungen spitze sind! SUS: Welche Leistung setzen Sie voraus? Kalverkamp: Je höher die Fremdkapitalquote, desto besser muss die Leistung sein. Extremfall ist die Vollfinanzierung eines Sauenstalls. Dann brauchen wir mindestens 28 verkaufte Ferkel pro Sau, um den Kredit zu tragen. Entscheidend ist auch, dass die Kosten im Griff bleiben. Hoffrogge: Wichtig ist uns eine realistische Prognose des zukünftigen Leistungsniveaus. In Projektbeschreibungen wird oft von 30 abgesetzten Ferkeln ausgegangen – egal wo der Betrieb heute steht. Solche Anfragen können wir natürlich nicht bedienen. Knijnenburg: Wert lege ich auch auf die persönliche Einschätzung des Bauherrn. Ich frage ihn, ob er sich ein höheres Leistungsniveau zutraut. Zudem frage ich: Was wollen Sie tun, wenn die Leistung einbricht und Sie die Raten nicht zahlen können? Wer keine schlüssige Antwort hat, sollte nicht investieren. SUS: Wie beurteilen Sie Projekt-Finanzierungen? Kalverkamp: Bei dieser Art der Finanzierung wird der Stall auf ausparzellierten Grundstücken errichtet. Zur Besicherung kann die Verknüpfung zum Stammbetrieb erfolgen. Wir begrüßen diesen Weg, da er besonders im Fall einer Veräußerung mehr Flexibilität bietet. Landwirte machen das auch im eigenen Interesse. Wenn z. B. die Mast in zehn Jahren nicht mehr ins Betriebskonzept passt, kann man sich leichter von ihr trennen. Hoffrogge: Projektfinanzierungen nehmen zu, sie machen etwa 30 % unserer Aufträge aus. Oft kommen wir als Zweitbank hinzu, weil die Hausbank die Finanzierung z. B. eines 2 000er-Maststalls nicht stemmen will oder kann. Ich sehe den Trend positiv. Denn externe Standorte bieten auch in puncto Tiergesundheit und Erweiterbarkeit Vorteile. SUS: Wie werten Sie gewerbliche Ställe? Hoffrogge: Derartige Projekte sehe ich kritisch. Das Problem ist insbesondere die Gülleverwertung, die schnell 5 € und mehr je Tier kostet. Bis zu 5 € gehen zudem durch den Steuernachteil verloren. Wenn der Stall noch einen Abluftfilter braucht, wird das Schwein leicht 15 € teurer als in anderen Betrieben. Das frisst den Großteil des Gewinns auf. Kalverkamp: Ich sehe das ebenfalls kritisch. Die Expansion im Gewerbe ergibt nur Sinn, wenn der Stammbetrieb exzellente Leistungen hat. Denn der neue, gewerbliche Stall wird insbesondere in den ersten fünf Jahren wenig verdienen. Ich muss das als Investition in die Zukunft zum Erhalt der Marktfähigkeit sehen. SUS: Brauchen Schweinehalter ein zweites Standbein? Hoffrogge: Nein! Ich sehe das eher als Nachteil, weil die Hygienerisiken steigen. So können z. B. Hähnchen Salmonellen auf die Schweine übertragen. Kalverkamp: Ich bin ebenfalls gegen ein zweites Standbein. Denn man braucht auch das Know-how für weitere Betriebszweige. Es ist eher unwahrscheinlich, dass ein Betrieb mit zwei Standbeinen in beiden zur Spitzengruppe gehört. SUS: Sollte man Marktrisiken an der Börse absichern? Knijnenburg: Das halten wir nicht für zwingend notwendig. Wir folgen der Devise, dass höhere Produktionskosten auch höhere Erlöse nach sich ziehen. Die Landwirte haben in der Regel große Vorbehalte. Wer dennoch Risiken minimieren will, sollte den Einkauf und Verkauf gleichermaßen absichern. Kalverkamp: Unser Haus hält Preisabsicherungen für sinnvoll und fordert sie bei Finanzierungen zunehmend ein. Allerdings benötigt man dafür Wissen. Wir bieten unseren Kunden das als Dienstleistung an. Ideal ist es, wenn der Handelspartner die Absicherung übernimmt, zum Beispiel der Vieh- oder Futtermittelhändler. SUS: Sollte man sich gegen Ertragsausfälle versichern? Hoffrogge: Bei Vollfinanzierungen verlangen wir in den ersten zwei bis vier Jahren auf jeden Fall eine derartige Versicherung. Sind danach Rücklagen gebildet, kann der Landwirt entscheiden, ob er das Risiko trägt oder sich versichert. SUS: Wie viel Rücklagen empfehlen Sie? Hoffrogge: Viele Landwirte können kein Geld auf dem Konto liegen sehen. Unsere Empfehlung lautet dennoch: Den Kapitaldienst eines Jahres sollte man insbesondere in den ersten Jahren der Finanzierung zurücklegen. Teilweise schreiben wir dies im Kreditvertrag fest. Knijnenburg: Im Idealfall führt der Landwirt beispielsweise mit Excel eine monatliche Liquiditätsplanung. So sieht man frühzeitig, wann Engpässe auftreten. Kalverkamp: Im 400er-Sauenbetrieb bringen allein schwankende Futter- und Ferkelpreise bis zu 300 000 € Gewinnunterschied! Ich plädiere deshalb dafür, die Finanzierung nicht auszuschöpfen. So bewahren wir Spielraum, um in Problemfällen nachfinanzieren zu können. Niemand kann ausschließen, dass der erste Mastdurchgang in die Hose geht oder PRRS die Ferkelzahlen verhagelt. SUS: Was ist zu tun, wenn eine Finanzierung aus dem Ruder läuft? Hoffrogge: Wichtig ist, dass der Landwirt Probleme frühzeitig erkennt und Kontakt mit uns aufnimmt. So lassen sich nicht genehmigte Überziehungen sowie schlechtere Ratings vermeiden. Zudem können wir gemeinsam Lösungen erarbeiten. Kalverkamp: Wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, wird es schwer, nachzujustieren. In Einzelfällen kann es je nach betrieblicher und familiärer Situation sinnvoll sein, den Betrieb komplett zu entschulden. Leider kommt der Entschluss zum Ausstieg oft zu spät. SUS: Wie oft müssen Sie Kreditanfragen ablehnen? Hoffrogge: Dies kommt häufiger vor, als man meint. Nicht wenige Betriebsleiter überschätzen ihre Möglichkeiten. Oft gibt es auch ein Altschulden-Problem. Da hilft es wenig, bei einer anderen Bank nach Geld zu fragen. Knijnenburg: Eine abgelehnte Kredit-Anfrage ist auch eine Chance, sich neu auszurichten. Für die strategische Entscheidung, nicht weiter zu wachsen bzw. mittelfristig auszusteigen, muss sich niemand schämen. Im Gegenteil: Es geht um den Erhalt des Eigenkapitals. SUS: Sollte man sich die günstigen Zinsen für die Zukunft sichern? Kalverkamp: Es kann sinnvoll sein, sich die günstigen Zinsen mithilfe eines Forward-Darlehens zu sichern. Dies verursacht aber Kosten. Man muss sich daher absolut sicher sein, dass die geplante Investition umsetzbar ist. Eine Baugenehmigung ist unverzichtbar! Knijnenburg: Aufgrund der historisch niedrigen Zinsen sollte man bei Krediten lange Zinsbindungen z. B. über 10 Jahre vereinbaren. Ich denke, dass die Euro-Krise noch eine Weile für günstiges Geld sorgt. Wann die Zinsen steigen, weiß niemand. Wenn die Zinsen wieder steigen, wird das vermutlich rasant sein. SUS: Vielen Dank für das Gespräch. Interview: Fred Schnippe, SUS; Matthias Quaing, ISN-Interessengemeinschaft.