Der Antibiotika-Einsatz muss weiter sinken. Welchen Beitrag können hochwertige Ferkelrationen und Futterzusätze leisten?
Kajo Hollmichel, LLH Hessen
Der Einsatz von Antibiotika bei Nutztieren steht in der öffentlichen Kritik. Auch die Schweinehalter selbst wollen die Verwendung antibiotisch wirksamer Mittel weiter senken. Denn mit den Datenbanken geraten auffällige Betriebe zunehmend unter Zugzwang.
Der überwiegende Anteil der antibiotischen Behandlungen erfolgt in der Ferkelaufzucht. Das größte Problem sind hier wiederkehrende Absetzdurchfälle. Sie lassen sich oft nur antibiotisch erfolgreich behandeln.
Vor dem Hintergrund der Antibiotika-Einsparung sollten die Betriebe die Fütterung ausloten. Nicht selten lässt sich über verschiedene Fütterungsmaßnahmen und nicht antibiotische Futterzusätze dem Einsatz von Medikamenten entgegenwirken.
Diätfutter gegen Durchfall
Eine große Bedeutung haben in der Ferkelaufzucht sogenannte Diätfutter. Dies sind Futter mit einem höheren Rohfaseranteil von mindestens 4 %. Experten empfehlen sogar Rohfasergehalte von über 6 %. Diese fördern die Darmtätigkeit, indem sie die Aktivität von Verdauungsenzymen verstärken.
Der Futterbrei quillt stärker auf und durchmischt sich stärker. Das beschleunigt die Dickdarmpassage und die bakterielle Fermentation. Die damit einhergehende pH-Absenkung verbessert die Eiweißverdauung. Unerwünschte Stoffwechselprodukte werden gebunden und Durchfallprobleme gemindert. Kurzum: Rohfaser ist Nahrung für die guten Dickdarmbakterien und dient der Salmonellen- und Keimabwehr.
In bayerischen Versuchen mit Ferkelrationen mit 5 % Rohfaser wurden sehr hohe Leistungen erzielt. Bei den Zunahmen und dem Futterverzehr waren die Rationen mit hohen Rohfasergehalten sogar leicht überlegen. Gleichzeitig war der Durchfalldruck geringer. Die Futterkosten waren allerdings fast 30 Cent pro Ferkel höher. Bei häufigen Durchfallbehandlungen ist dieses Geld jedoch gut investiert.
Als zweites wichtiges Merkmal weisen Diätfutter niedrige Protein- sowie Calciumgehalte auf. In der Ferkelaufzucht sollten etwa 16,5 % Rohprotein und 0,65 % Calcium nicht überschritten werden. Denn die verringerte Pufferkapazität des Futters unterstützt die Darmstabilität und kann u.a. der Ödemkrankheit entgegenwirken. Der optimale pH-Wert eines Diätfutters sollte bei 4,5 bis 4,8 liegen.
Säuren senken pH-Wert
Der pH-Wert des Futters lässt sich mit Säurezusätzen steuern. Neben den klassischen organischen Produkten wie Ameisen- und Propionsäure hat die Benzoesäure an Bedeutung gewonnen. Viele Hersteller bieten auch Säuremixe an, um die Vorteile der Produkte zu kombinieren.
Die Benzoesäure ist eine aromatische Carbonsäure und zählt zu den teureren Futtersäuren. Sie hat den Vorteil, dass sie bis in die hinteren Bereiche des Dünndarms wirkt. Dies liegt daran, dass Benzoesäure im Gegensatz zur Ameisen- und Propionsäure im wässrigen Magen-Darm-Milieu schwer löslich ist.
Die gesundheitsfördernde Wirkung organischer Säuren sowie deren Salze beruht darauf, dass sie den pH-Wert im Magen absenken, zu einer Erhöhung der Stickstoffretention führen und damit die Pufferkapazität des Futters verringern. Die im Darm befindlichen Mikroorganismen werden gehemmt und scheiden weniger Toxine aus. Das entlastet das Immunsystem.
Die Art und Konzentration der Futtersäuren sollte sich auch nach der Problemlage des Betriebes richten. Wer Säuren selbst einmischen will, benötigt ein HACCP-Konzept.
Häufig kommen in Kombination mit Futtersäuren auch ätherische Öle zum Einsatz. Sie gehören zur Gruppe der Aromastoffe und werden aus Kräutern extrahiert. Die Inhaltsstoffe sollen den Appetit anregen und haben zum Teil antimikrobielle Wirkung. Beliebt ist das Oreganoöl, das wie das Thymianöl, über hohe Phenolgehalte verfügt, die zu den antimikrobiell wirksamsten Substanzen in ätherischen Ölen gehören.
Saugferkel sollten ätherische Öle per Drencher oral erhalten. Ansonsten können sie über den Prämix dem Mineral- oder Ergänzungsfutter sowie über das Tränkewasser zugeteilt werden.
Oreganoöl ist teuer. Daher reicht es, den Einsatz über den Dosierer auf den Zeitraum von einer Woche nach Aufstallung im Ferkelaufzuchtabteil zu begrenzen. 1 l des gebrauchsfertigen, wasserlöslichen Produkts reicht über sieben Tage für etwa 300 Ferkel.
Versuchsergebnisse zur Wirksamkeit von ätherischen Ölen zeigen allerdings ein uneinheitliches Bild. Oft sind die genauen Wirkmechanismen unbekannt. Interessierte Betriebe sollten die Wirkung ätherischer Öle daher in ihrem Bestand genau festhalten.
Zink lindert Durchfälle
Unbestritten ist die Wirkung von Zink. Insbesondere bei Durchfallproblemen kann der Zusatz von Zink im Ferkelfutter Vorteile bringen. Denn das Spurenelement ist an der Wirkung von über 300 Enzymen sowie an der Zellteilung beteiligt. Auch die Abwehrzellen benötigen es. Insofern stärkt eine bedarfsdeckende Aufnahme die Abwehrkräfte. Weiterhin wirkt Zink antioxidativ. Es fördert die Futterverwertung sowie das Wachstum.
Der Zinkbedarf liegt bei Ferkeln zwischen 80 und 100 mg/kg Futter. Der zulässige Höchstgehalt beträgt 150 mg/kg Futter. Der native Zinkgehalt der Futterkomponenten reicht in der Regel nicht zur Bedarfsdeckung aus. Das heißt: Zink muss über das Mineralfutter oder den Ergänzer zugefügt werden.
Allerdings hat eine bedarfsüberschreitende Beimischung bis zum zulässigen Höchstgehalt auch Nachteile. Zum einen kann die Verfügbarkeit anderer Mengen- und Spurenelemente nachlassen. Zum anderen können höhere Zinkgaben die Schmackhaftigkeit des Futters vermindern.
Nicht zu unterschätzen sind zudem die Umweltschäden. Denn über die Gülle ausgeschiedenes Zink reichert sich im Boden als Schwermetall an.
Die Industrie versucht, die negativen Nebenwirkungen hoher Zinkgaben durch neue Formulierungen zu mildern. Hier ist z.B. mikrogekapseltes Zinkoxid zu nennen. Aufgrund der Kapselung wird das Zink erst im Darm freigesetzt. Dadurch soll es bis zu zehnmal so wirksam wie normales Zinkoxid sein und kann in geringerer Dosierung zur Durchfallprävention beitragen.
Alternativ zu dem üblichen, schlecht verfügbaren anorganischen Zinkoxid oder Zinksulfat kann organisch gebundenes Zink in Form von Chelaten, Proteinaten und Polysaccharid-Komplexen verwendet werden. Die angestrebte bessere Bioverfügbarkeit ist jedoch teilweise umstritten. Hinzu kommt: Organische Zinkverbindungen sind teuer.
Neu auf dem Markt ist ein Produkt mit freien Zinkionen, die ebenfalls sehr gut verfügbar sind. Diese sollen bewirken, dass die Darmschleimhaut weniger Exo- und Endotoxine durchlässt und sich weniger pathogene Keime wie E.coli am Darm anheften.
Probiotika für stabilen Darm
Zur Stabilisierung des Darms können auch sogenannte Probiotika beitragen. Hierbei handelt es sich um lebende Organismen wie Milchsäurebakterien oder Hefen. Erstgenannte schützen die Darmschleimhaut durch eine Art von Biofilm. Weiterhin produzieren sie Schleimstoffe, die u.a. den pH-Wert senken. Weiterhin setzen Milchsäurebakterien antimikrobielle Stoffe frei, die krank machende Keime hemmen. Insgesamt schaffen sie dadurch im Darm eine sogenannte Eubiose. Dies ist ein ausgewogenes Gleichgewicht der Darmkeime.
Hefen sind z.B. als Bierhefe in der Sauenfütterung bekannt. Die Bierhefe wird wegen ihres hohen Nährstoffgehaltes aber in abgetöteter Form verfüttert. Probiotisch wirksame Hefen unterscheiden sich diesbezüglich von der Bierhefe. Diese werden nach der Aufnahme vom Tier im Magen-Darm-Trakt aktiv und sterben in den hinteren Darmabschnitten wieder ab. Sie schädigen die pathogenen Keime, indem sie ungünstige Lebensbedingungen für sie schaffen. Denn Hefen verbrauchen viel von dem im Darm vorhandenen Sauerstoff, den pathogene Keime ebenfalls benötigen.
Fütterungsversuche zeigen, dass Probiotika in der Ferkelaufzucht und in der Mast die Zunahmen sowie die Futterverwertung optimieren. Da Leistungssteigerungen nur durch eine Verbesserung der Tiergesundheit möglich sind, lassen sie indirekt auf Einsparungen bei Antibiotika schließen.
Zusätzlich Präbiotika
Mit den Probiotika in Verbindung gebracht werden die Präbiotika. Dabei handelt es sich um unverdauliche Kohlenhydrate. Hier sind insbesondere das Inulin und die Laktulose zu nennen. Das Schwein kann diese Substanzen nicht verdauen. Insofern stehen die Präbiotika nur den Mikroorganismen als Nahrungsquelle zur Verfügung.
Das dadurch verursachte verstärkte Wachstum von vornehmlich nichtpathogenen Keimen wirkt sich unterdrückend auf die pathogenen Keime aus. Denn Keime wie E.coli und Clostridien sind nicht oder kaum in der Lage, Präbiotika für sich zu nutzen.
Hingegen stellen Präbiotika ein hervorragendes Nährmedium für Hefen bzw. Milchsäurebakterien dar. Weiterhin fördert der süße Geschmack die Futteraufnahme. Zum Teil kommen Pro- und Präbiotika daher in Kombinationsprodukten als sogenannte Synbiotika zum Einsatz.
Fettsäure stärkt die Abwehr
Neben den bekannten kurzkettigen organischen Säuren wie Ameisen-, Propion- und Milchsäure wird der Einsatz mittelkettiger Fettsäuren mit sechs bis zwölf Kohlenstoffatomen diskutiert. Diese sollen speziell zur Regulation von robusten grampositiven Bakterien wie Clostridien, Streptokokken und Staphylokokken eingesetzt werden. Dies soll das Wirkungsspektrum besonders im schwach sauren Milieu verbessern.
Mittelkettige Fettsäuren kommen in natürlichen Fetten wie Kokosöl oder Palmfett vor, die unter anderem zu deren Gewinnung dienen.
In einem niederländischen Versuch konnten mittelkettige Fettsäuren in der Ferkelaufzucht die Zahl der Behandlungen in den ersten fünf Wochen halbieren. Gleichzeitig waren etwas höhere Zunahmen zu beobachten. Es wurde geschlussfolgert, dass mittelkettige Fettsäuren nicht nur positiv auf die Darmgesundheit wirken, sondern auch die allgemeine Widerstandskraft der Tiere verbessern können.
Eine weitere Alternative zu Antibiotika können Isozyme sein. Hierbei handelt es sich um natürlich auftretende, antimikrobiell wirkende Enzyme. Isozyme kommen bereits länger bei der Herstellung von Getränken und Lebensmitteln zum Einsatz.
In der Ferkelfütterung können Isozyme die Futterverwertung und das Wachstum positiv beeinflussen. In US-amerikanischen Fütterungsversuchen konnten Ferkel mit Isozymen gleich gute Tageszunahmen erzielen wie Vergleichstiere, die ein Breitbandantibiotikum über das Futter als Leistungsförderer erhielten.
Fazit
Viele Betriebe wollen den Antibiotika-Einsatz weiter senken. Insbesondere in der Ferkelaufzucht gibt es Einsparpotenziale. Hier können auch ausgefeilte Futterstrategien und Futterzusatzstoffe einen Beitrag leisten.
In der Praxis ist insbesondere der Einsatz von Diätfutter, Säuren, Zink und Probiotika verbreitet. Die Betriebe sollten prüfen, welche Strategie bei ihnen am besten funktioniert.
Gleichzeitig gilt es, die Betriebshygiene sowie die Futter- und Wasserqualität weiter zu optimieren.