Wo die Hebel für eine bessere Wasserhygiene anzusetzen sind, erklärt Prof. Dr. Marc Boelhauve von der FH Südwestfalen.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Gibt es Grenzwerte in puncto Keimbelastung im Tränkewasser?
Boelhauve: Für das Tränkwasser gibt es keine Grenzwerte wie dies im Trinkwasserbereich der Fall ist. Es existieren aber Empfehlungen, die die Anforderungen der Tränkwasserqualität nach Alter der Tiere in Stufen vorsieht. Prinzipiell sollten bei Absetzferkeln bis Ende Flatdeck die Grenzwerte aus der Trinkwasserverordnung herangezogen werden. Bei älteren Tieren wäre eine zehnfache Grenzwertüberschreitung der mikrobiologischen Werte noch vertretbar. Doch auch Masttiere profitieren von einem Tränkwasser, das der Trinkwasserverordnung entspricht.
Was bedeuten hohe Keimzahlen?
Boelhauve: Das Perfide an hohen Keimbelastungen ist, dass die Tiere nicht sofort sichtbare Krankheitssymptome zeigen. Vielmehr schleichen sich höhere Krankheitsanfälligkeiten, schlechtere Fruchtbarkeitsleistungen oder Futterverwertungen ein, also insgesamt sehr unspezifische Symptome. Diese Punkte werden aber häufig nicht dem Wasser zugeschrieben, sondern anderen Ursachen wie die Futterqualität, die Genetik oder die Jahreszeit.
Ist das der Grund, warum die Tränk-wasserhygiene oftmals so stiefmütterlich behandelt wird?
Boelhauve: Wären die Zusammenhänge direkt ersichtlich, würde vermutlich mehr getan. Dann wäre die Wasserhygiene schon längst fester Bestandteil in jedem Betriebsablauf.
Wie lässt sich die Eingangsqualität des Wassers bis zum Tier erhalten?
Boelhauve: Die Tränken müssen äußerlich sauber sein. Gerade bei Schalentränken ist darauf zu achten, dass dies gegeben ist. In bestehenden Systemen mit Stichleitungen sollte zudem ge-prüft werden, ob blinde Leitungen verbaut sind. Diese sind notfalls zu entfernen, da sich blinde Enden wunderbar für die Keimvermehrung und Biofilmbildung eignen.
Was ist beim Einstallen zu beachten?
Boelhauve: Direkt vor einer neuen Belegung des Abteils ist das Wassersystem zu spülen. Bei dieser Gelegenheit können alle Tränkepunkte überprüft werden, ob der Wasserdurchfluss noch den Empfehlungen entspricht. Tränkeleitungen, die anfangs noch nicht in Benutzung sind, weil die Tiere zunächst in einer Hälfte des Stalles untergebracht werden, sollten vor der Gruppenaufteilung erneut gespült werden!
Wie können Praktiker die Tränkwasserqualität kontrollieren?
Boelhauve: Sie sollten Wasser von einem äußerlich sauberen Tränkepunkt in ein durchsichtiges Gefäß füllen, um sich im Taschenlampenlicht die Reinheit anzuschauen. Es dürfen keine Trübungen oder festen Bestandteile im Wasser zu sehen sein. Wenn das Wasser sichtbar trüb ist, sollten die Leitungen nochmals gespült und die Prüfung wiederholt werden. Ist es optisch sauber, sollte die Keimbelastung nach unseren Erfahrungen geringer sein als der zehnfache Grenzwert für ältere Tiere. Dieser einfache Test ersetzt aber nicht die jährliche Untersuchung von mehreren Wasserproben im Labor. Wichtig ist dies vor allem bei Ferkeln, da die Orientierungswerte durch die höhere Empfindlichkeit der jungen Tiere deutlich niedriger als bei älteren Tieren liegen.
Kann man eine schlechte Wasserqualität schmecken?
Boelhauve: Sicherlich. Wenn man die Wasserprobe nicht selber trinken würde, sollte man damit auch keine Schweine versorgen. Dies kann aber nur eine grobe Orientierung sein.
Wann müssen die Leitungen gereinigt werden?
Boelhauve: Wenn das abgelassene Wasser sehr dreckig ist, sollten die Leitungen im unbelegten Stall mit geeigneten Reinigern gesäubert werden. Nach diesem Vorgang ist gründliches Spülen aller Tränken oberste Pflicht, da es sonst zu Schädigungen bei den Tieren durch Reste des Reinigers kommen kann! Doch es sollte nicht nur gespült, sondern bei sehr starker Verkeimung zudem die Ursache gesucht und gefunden werden. Wenn das Brunnenwasser nicht in Ordnung ist, ist eine Filteranlage vorzuschalten bzw., wenn möglich, auf Stadtwasser umzusteigen. Ist die Einspeisequalität in Ordnung, dann liegt die Ursache in einer aufsteigenden Biofilmbildung in den Leitungen. Sollte das Tränkesystem bereits sehr alt sein, ist dieses bei unbefriedigender Reinigungsleistung besser auszutauschen.
Was ist baulich zu beachten, damit eine effektive Reinigung möglich ist?
Boelhauve: Wir stellen fest, dass sich einzelne Leitungssysteme unterschiedlich für eine Reinigung eignen. Aus diesem Grund interessiert uns die Verteilung der ungünstigen Einzelelemente in den Praxisbetrieben, um die Konzepte nach Beratung und leichten Umbau vereinheitlichen zu können. Die komplette Wasseranlage sollte praktikabel und gleichzeitig geeignet sein, die Qualität des Tränkwassers über einen längeren Zeitraum auf sehr gutem Niveau zu halten.
Sollten die Landwirte sicherheitshalber, zum Beispiel bei Schalentränken, eine Chlordioxidanlage einbauen?
Boelhauve: Die höchste Keimbelastung kommt bei der Schalentränke nicht aus der Leitung. Es sind vor allem die Verunreinigungen der Schale mit Kot, die diese Tränkeart als untauglich erscheinen lassen. Eine Chlordioxidanlage kann Koteinträge in der Schale nicht verhindern oder beseitigen bzw. den Keimdruck nennenswert senken. Es wird aber die weitere Biofilmbildung in den Leitungen reduziert.