Die künstliche Besamung erfordert vom Sauenhalter viel Feingefühl. Wer hier nach Schema F vorgeht, kann viel falsch machen. Nur wer das Verhalten der Sau richtig deutet, erwischt er den optimal passenden Zeitpunkt zum Einführen der Pipette. Wissenschaftler des Instituts für Tierzucht und Haustiergenetik, Uni Gießen, haben das Verhalten der Sauen rund um die Brunstkontrollen und Besamungen genauer unter die Lupe genommen. Dazu haben sie Video-Aufzeichnungen von insgesamt 2 736 Brunstkontrollen ausgewertet und interpretiert. Wie sie dabei vorgegangen sind, lesen Sie im Kasten. Drei wesentliche Ergebnisse ziehen die Wissenschaftler aus ihrer Arbeit: Erkenntnis: Die Sau kann bereits vor der direkten Stimulation durch einen Eber bzw. durch das Personal sexuell erregt sein. Auslöser sind die für die Brunstkontrolle bzw. Besamung typischen Handlungen im Stall. Dazu zählt u. a. das Hereinschieben des Besamungswagens ins Abteil. Beobachtung: Die Mehrzahl der Sauen (> 80 %) zeigte bereits während der Vorbereitungsphase Verhaltensparameter, die auf eine versuchte Kontaktaufnahme mit dem Eber hindeuten, nämlich „Rüssel durch Absperrung strecken“ und „Blickkontakt zum Eber“. Die Vorbereitungsphase umfasste das Betreten des Deckabteils durch den Besamungstechniker mit dem Besamungswagen sowie das Schließen der Tore im Eberlaufgang und endete, noch bevor der Eber vor den Sauen fixiert wurde. Auch das für den Duldungsreflex typische Krümmen des Rückens in Verbindung mit einem Aufstellen der Ohren und bewegungslosem Verharren in dieser Position zeigten über die Hälfte der Tiere bereits in der Vorbereitungsphase. Tipps für die Praxis: Es ist bekannt, dass die Phase der höchsten Stimulationsstufe bei östrischen Sauen intervallartig mit einem etwa 10- bis 15-minütigen Erregungsgipfel auftritt. Auf diesen Erregungsgipfel folgt eine etwa einstündige Latenzzeit, während der der Duldungsreflex schwächer ausgeprägt ist und eine Abnahme der Uterusmotorik beobachtet wird, die zu einer schlechteren Spermienaufnahme bei der Besamung führen kann. Vor diesem Hintergrund lässt sich aus den vorliegenden Beobachtungen die Empfehlung ableiten, in großen Beständen, bei denen sehr viele Sauen gleichzeitig zur Besamung anstehen, die Gesamtdauer der Besamungsarbeit zu verkürzen, indem mehrere Besamungstechniker parallel arbeiten. Oft ist das Deckzentrum mehrreihig aufgebaut. Dann sollte die Arbeit am besten so aufgeteilt werden, dass die Mitarbeiter an zwei bzw. allen Reihen gleichzeitig mit der Brunstkontrolle bzw. Besamung be-ginnen – möglichst mit mehreren Ebern. Erkenntnis: Die Anwesenheit eines Ebers im Stall ohne die Möglichkeit des direkten Kontaktes kann bei östrischen Sauen zu Stressreaktionen mit negativen Auswirkungen auf die Befruchtungsergebnisse führen. Beobachtung: Als Zeichen von Stress bzw. als Bewältigungsstrategie einer Stresssituation beurteilten die Wissenschaftler das Auftreten von Stangenbeißen. Dieser Verhaltensparameter trat am häufigsten in den Phasen auf, in denen die Brunstkontrolle vorbereitet wurde (55 % der Sauen) oder der Eber vor der Nachbargruppe fixiert war (40 %) – in den Phasen also, in denen für die Sauen keine direkte Kontaktaufnahme zum Eber möglich war. Einzelne Sauen bissen in diesen Phasen über 20-mal oder auch sogar über 40-mal in die Stangen vor ihnen. In den Phasen, in denen ein Eber vor den Sauen fixiert und somit Eberkontakt möglich war, fiel der Anteil an Sauen, die Stangenbeißen zeigten, deutlich geringe (</= 30 %). Die Sauen der 2-Eber-Gruppe zeigten statistisch absicherbar seltener Stangenbeißen als die Sauen, die durch nur einen Eber stimuliert wurden. Tipps für die Praxis: Durch den Einsatz von zwei Stimulierebern werden die Zeitphasen, in denen kein direkter Eberkontakt möglich ist, deutlich verkürzt. Der Einsatz mehrerer Stimulationseber zu den Besamungen kann somit die Stresswirkung reduzieren. Auch ein gut geplantes Vorbereiten des Besamungswagens mit ausreichender Anzahl Pipetten, Reinigungstüchern und Besamungshilfen und eine aufeinander abgestimmte Arbeitsweise verkürzen die Phasen ohne Eberkontakt. Erkenntnis: Kann sich der Eber im Eberlaufgang nicht umdrehen, werden die Sauen auf den jeweils zum Hinterteil des Ebers befindlichen Standplätzen nicht so intensiv stimuliert. Das führt bei diesen Tieren zu vermehrter Unruhe während der künstlichen Besamung. Beobachtung: Unabhängig vom Zyklusstand hatte der Standplatz der Sauen einen Einfluss darauf, wie häufig sie die einzelnen Verhaltensparameter zeigten. So hatten jeweils die Sauen der beiden zum Kopfende des Ebers hin gelegenen Standplätze (s. Übersicht 1, Seite 31, Platz Nr. 3 und 4 sowie 7 und 8) deutlich häufiger Rüsselscheibenkontakt zum Eber als die Tiere am Hinterende des Ebers (auf den Plätzen 1 und 2 bzw. 5 und 6). Entsprechend der geringeren Anzahl an Rüsselscheibenkontakten zum Eber wurde bei den Sauen auf den zum Hinterende des Ebers hin gelegenen Plätzen am häufigsten Unruhe während der künstlichen Besamung beobachtet. Dabei wurde zwischen gering- und hochgradiger Unruhe unterschieden. Geringgradige Unruhe während der KB verstanden die Wissenschaftler als leichtes Hin- und Hertreten, deutlich sichtbare Gewichtsverlagerung oder langsames Drehen des Kopfes ohne sonstige Bewegungen. Als hochgradige Unruhe während der KB wurden heftige Bewegungen mit deutlicher Lokalisationsveränderung oder gleichzeitiger Bewegung von Kopf und Beinen gewertet. Je Sau und Besamung wurde bei den Sauen in den zum Hinterteil des Ebers hin gelegenen Ständen durchschnittlich 1-mal mehr geringgradige und 0,5-mal häufiger hochgradige Unruhe während der Besamung beobachtet als bei den Sauen, die in den zum Kopfende des Ebers hin gelegenen Ständen standen. Insbesondere bei den Sauen auf dem Standplatz 1 trat hochgradige Unruhe mit durchschnittlich zwei Beobachtungen je KB etwa doppelt so oft auf wie bei den Sauen auf den übrigen Standplätzen. Der Vergleich zwischen den Besamungen der 1-Eber- mit denen der 2-Eber-Gruppe zeigt, dass durch den Einsatz eines zweiten Stimulierebers insbesondere bei den Sauen auf den Plätzen 1 und 5 sowohl der Anteil an Sauen, die während der Besamung Unruhe zeigen, als auch die Häufigkeit der gezeigten Unruhe je Sau während der KB deutlich reduziert werden kann. Tipps für die Praxis: Breitere Eberlaufgänge, in denen sich der Eber umdrehen kann, führen womöglich dazu, dass die Sauen, die auf den hinteren Standplätzen stehen, nicht benachteiligt werden. Erlauben die Laufgänge in Ihrem Betrieb dem Eber kein umgehindertes Umdrehen, ist der Einsatz eines zweiten Ebers unbedingt zu empfehlen. Denn dies verbessert die Stimulation der Sauen auf den Standplätzen auf Höhe des Hinterteils des Ebers. Um Jung- oder Erstlingssauen optimal zu stimulieren und zu besamen, stellen Sie diese nach Möglichkeit nicht auf den ersten oder zweiten, dem Hinterende des Ebers zugewandten Standplatz je Untergruppe. Gleiches gilt für Ihnen bekannte besonders nervöse Tiere. 1. Möglichst kurze Wartezeiten 2. Vorteile durch 2. Eber 3. Breiter Ebergang Fazit Die Besamung ist zügig abzuwickeln. Bereits das Betreten des Abteils kann zu einer Erregung der Sauen führen. Der Einsatz mehrerer Eber verbessert die Stimulation der Sauen wirksam. Breite Ebergänge ermöglichen eine bessere Stimulation der Sauen auf benachteiligten Standplätzen. -Dr. Corinna Zimmer, Uni Gießen- Die Erregung der Sauen beginnt schon bei den Vorbereitungsarbeiten zur Brunstkontrolle bzw. Besamung. Ein zweiter Eber kann die Stimulation verbessern.