Ab 2019 dürfen in Deutschland keine Ferkel mehr ohne Betäubung kastriert werden. Doch eine durchschlagende Lösung zeichnet sich nicht ab.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Nach dem deutschen Tierschutzgesetz wird ab dem Jahr 2019 die betäubungslose Kastration verboten sein. Gleichzeitig haben große Lebensmittelketten angekündigt, bereits ab dem 1.1.2017 kein Fleisch von kastrierten bzw. betäubungslos kastrierten Schweinen anbieten zu wollen. Diese Ankündigungen verstärken den Druck. Die Diskussionen zum Thema werden in den nächsten Monaten Fahrt aufnehmen.
Das heißt: Die chirurgische Kastration wird künftig nur noch dann fortgeführt, wenn ein Verfahren zur Ausschaltung des Kastrationsschmerzes angewendet wird. Oder die Ferkelerzeuger verzichten ganz auf den chirurgischen Eingriff. Welche alternativen Verfahren infrage kommen, wird im Schaubild dargestellt (siehe Übersicht 1).
Chirurgische Kastration fortführen
In der Vergangenheit sind verschiedene Verfahren getestet worden, den Kastrationsschmerz auszuschalten. Folgende Möglichkeiten werden diskutiert:
- Inhalations-Narkose (Anästhesie);
- Narkose per Injektion (Anästhesie);
- Örtliche Narkose (Lokalanästhesie);
- Schmerzausschaltung bei vollem Bewusstsein (Analgesie).
Zur Messung des Schmerzes wird häufig der Gehalt des Stresshormons Cortisol im Blutserum gemessen. Nachfolgend werden die Varianten mit ihren Vor- und Nachteilen vorgestellt.
Doch die CO2-Narkose hat gravierende Nachteile: So zeigen Studien, dass es nur zu einer geringen Cortisol-Absenkung kommt. Gleichzeitig steigt jedoch der Spiegel des Stresshormons Noradrenalin während der Einleitung der CO2-Narkose stark an. Demzufolge kann keine Schmerz- und Stressfreiheit erreicht werden. Die z.B. in den Niederlanden praktizierte Alternative wird hierzulande abgelehnt.
Die Inhalations-Narkose mit Isofluran durch den Tierarzt ist ein weitverbreitetes Verfahren in der Schweiz. Bei uns stößt es an Grenzen, da es keine für Schweine zugelassenen Präparate gibt und eine Umwidmung von einigen Bundesländern nicht akzeptiert wird. Auch kann die Arbeitssicherheit unter Stallbedingungen zum Problem werden. Zudem zeigen Praxisstudien, dass etliche Ferkel bei der Kastration nicht ausreichend anästhesiert waren. Alles in allem wird dieses Verfahren als nicht ausreichend sicher bewertet.
Allerdings hat auch diese Methode Nachteile. So beträgt die Nachschlafphase je nach Ferkel bis zu sechs Stunden. Während dieser Zeit müssen die Ferkel von der Sau getrennt werden, sodass es zu einem erhöhten Energiedefizit bei Ferkeln und einem Milchstau bei den Sauen kommen kann. Zudem ist das Risiko von Ferkelverlusten im Zusammenhang mit der Narkose deutlich höher als bei der betäubungslosen Kastration.
Tatsächlich ist beim Einhalten des Zeitfensters die Kastration nach der lokalen Anästhesie mit deutlich weniger Schmerz verbunden. Allerdings ist die Injektion des Anästhetikums in den Hoden äußerst schmerzhaft. Da das Verfahren insgesamt betrachtet werden muss, ist auch diese Methode aus fachlicher Sicht abzulehnen.
Deshalb wurden in den vergangenen Jahren Medikamente gesucht, die nicht unter das Betäubungsgesetz fallen, aber eine bessere Wirkung entfalten als Metacam. An der LMU München wurde kürzlich die Potenz von Butorphanol getestet, nach alleiniger Gabe oder in Kombination mit Meloxican. In beiden Fällen konnte jedoch keine vollständige Schmerzausschaltung nachgewiesen werden.
Auf Kastration verzichten?
Die Möglichkeiten zur Kastration unter Schmerzbehandlung sind also begrenzt. Somit rücken die Varianten in den Fokus, bei der gänzlich auf die chirurgische Kastration verzichtet wird. Hier kommen zwei Alternativen infrage: die Ebermast mit Geruchsdetektion am Schlachtband und die Impfung gegen Ebergeruch.
Auch in anderen Ländern wird von gleichen Problemen berichtet. Nur in England und Spanien hat sich die Ebermast in der Fläche durchgesetzt (s. Übersicht 2, Seite 31). Auch in Holland ist der Eberanteil hoch, allerdings jüngst wieder etwas rückläufig. Denn es gab negative Reaktionen aus der Fleischverarbeitung und dem Export.
Neben den Problemen der Vermarktung weisen Eber eine höhere Aggressivität als Börge auf. Auch das typische Eberverhalten mit Aufreiten und Ausschachten des Penis wird in einzelnen Betrieben in verstärktem Maße beobachtet. Dies kann zu einer hohen Rate an Penisverletzungen im Vergleich zu Kastraten führen.
Fazit
Eine Inhalations-Narkose mit CO2 oder Isofluran ist mit fachlichen und/oder rechtlichen Problemen behaftet. Bei der Narkose per Injektion ist der ausgedehnte Nachschlaf das Problem.
Weder bei der Lokalbetäubung noch bei der Verabreichung von Schmerzmitteln ist nach bisherigen Erfahrungen die vollständige Ausschaltung des Kastrationsschmerzes gegeben. Wobei die Hoffnung besteht, doch noch ein passendes Präparat zu finden.
Auch die zwei Verfahren ohne chirurgische Kastration, die Ebermast sowie die Impfung gegen Ebergeruch, weisen beim Tierschutz oder bei der Verbraucherakzeptanz derzeit noch Schwächen auf. Beide Verfahren müssen daher weiterentwickelt werden.