Die Ferkelerzeuger müssen auch nach 2018 weiter selbst kastrieren können. Die Lokal-Anästhesie bietet zahlreiche Vorteile.
Dr. Andreas Randt, TGD Bayern
In Sachen Kastration stehen die deutschen Ferkelerzeuger mit dem Rücken zur Wand. Denn ab 2019 ist der Eingriff ohne Betäubung verboten. Und eine Alternative mit breiter Akzeptanz fehlt nach wie vor:
- Das Marktpotenzial der Ebermast scheint wegen Vorbehalten bei Fleischverarbeitern, Verbrauchern und im Export bei 20 % erschöpft. Hinzu kommen Tierschutzprobleme durch das Penisbeißen und Aufreiten.
- Die vorübergehende Funktionshemmung der Hoden mit Improvac hat ebenfalls Akzeptanzprobleme. Auch das Penisbeißen tritt weiter auf. Neue Versuche zeigen, dass bei der sogenannten Immunokastration jeder dritte Eber Penisverletzungen erleidet.
Kastration ohne Schmerz?
Sicher ausschließen lässt sich das schmerzhafte Penisbeißen nur bei den Börgen. Denn sie sind nicht in der Lage auszuschachten. Auch vor dem Hintergrund des Tierschutzes sollte die Kastration daher nach 2018 weiter möglich bleiben. Hierbei sind natürlich die Mittel zur effektiven Schmerzausschaltung bzw. Reduktion einzusetzen.
Mit der Narkose und der Lokalanästhesie können zwei Wege beschritten werden. Die Narkose schaltet das Bewusstsein des Tieres aus. Dies macht die Anwesenheit eines Tierarztes unumgänglich. Im Gegensatz dazu ist die lokale Anästhesie bzw. Betäubung ein deutlich kleinerer Eingriff. Denn das Tier bleibt bei vollem Bewusstsein.
Das einzige in Deutschland zulässige Narkoseverfahren beim Schwein ist die Injektion einer Kombination aus Azaperon und Ketamin. Diese schaltet die Schmerzen während und nach der Kastration sehr gut aus (siehe Übersicht 1). Der entscheidende Nachteil ist jedoch die lange Nachschlafphase von bis zu fünf Stunden. Aufgrund des regelmäßigen Milchbedarfs und der hohen Erdrückungsgefahr ist die Injektionsnarkose zur Kastration junger Ferkel nur eingeschränkt geeignet. Bei Ketamin besteht zudem ein erhebliches Missbrauchsrisiko.
Das zweite Narkoseverfahren zur Kastration ist die Maskeninhalation mit Isofluran. Diese ist derzeit nur mit Ausnahmegenehmigung möglich. Die kurze Nachschlafphase von zwei bis drei Minuten macht die Inhaltionsnarkose auf den ersten Blick praktikabel. Der gravierende Nachteil der Isofluran-Narkose ist aber die Schwäche bei der Schmerzausschaltung. So zeigt ein Teil der Ferkel weiterhin eingriffbedingte Reflexe. Hinzu kommen Gesundheitsrisiken für den Anwender.
Lokalanästhesie gutverträglich
Im Gegensatz dazu ist die lokale Betäubung auch für junge Ferkel sehr gut verträglich. Denn hier bezieht sich die Schmerzausschaltung lediglich auf den Bereich des Hodens und das umliegende Gewebe. Das Reaktionsvermögen des Tieres bleibt voll erhalten. Das heißt: Die Milchaufnahme wird nicht gestört und es besteht kein Risiko erhöhter Erdrückungsverluste.
Für die Lokalanästhesie bei Nutztieren ist derzeit nur der Wirkstoff Procain zugelassen. Das Lokalanästhetikum wird z.B. bei Kaiserschnitten oder Labmagenverlagerungen bei Kühen erfolgreich eingesetzt. Bei sachgemäßer Umsetzung erlaubt die lokale Betäubung mit Procain eine sehr gute Ausschaltung der Schmerzen während und nach der Kastration. Dies spiegelt sich in der guten Ausschaltung der eingriffsbedingten Reflexe wider.
Stressarm behandeln
Neben der sachgerechten Betäubung kommt es auf eine strikte Planung und Umsetzung der Kastration an. Damit das Tier möglichst wenig Stress erfährt und die lokale Betäubung ihre optimale Wirkung entfaltet, sind insbesondere vier Punkte zu beachten:
- Handling: Die Behandlung erfolgt wurfweise durch eine vertraute Person. Störungen durch andere Arbeiten oder Anrufe sind zu vermeiden. Planen Sie genug Zeit ein, um alle Schritte sowie das Umsetzen der Ferkel ruhig aber zügig ausführen zu können. Das Separieren sollte weniger als 60 Sekunden, die Kastration weniger als 15 Sekunden je Ferkel dauern.
- Injektion: Das Lokalanästhetikum (Procain) sollte auf zwei Gaben rechts und links in den Hodensack verteilt werden. Mit einer Hand wird das Ferkel an den Hinterbeinen hochgehalten, mit der zweiten Hand kann das Anästhetikum sicher verabreicht werden. Die mitunter diskutierte Injektion in den Samenstrang oder in den Hoden ist nicht erforderlich. Wichtig ist eine dünne, scharfe Injektionsnadel. Hier hat sich ein Durchmesser von 0,3 bis 0,8 mm und eine Länge von 3 bis 10 mm bewährt. Für eine schmerzarme Injektion sollte die Nadel regelmäßig gewechselt werden. Zusätzlich hat sich die Gabe von Meloxicam bewährt.
- Wartezeit: Nach der Injektion kommen die männlichen Ferkel zurück in die Bucht zur Muttersau. Denn bis zur vollen Wirkung der lokalen Betäubung sind im Idealfall 45 Minuten abzuwarten. Für eine sichere Schmerzreduktion muss die Kastration 90 Minuten nach Injektion abgeschlossen sein. Der Betrieb sollte daher die Zeit für die Kastration messen und die Größe der Betäubungsgruppen festlegen.
- Kastration: Der Hautschnitt erfolgt schnell und mit dem scharfen Skalpell. Gut für den Schnitt eignen sich Kastrationszangen, wie sie in Dänemark genutzt werden. Wichtig ist, dass der Hoden nur mit leichtem Druck vorgelagert und ohne Zug abgesetzt wird. Der Samenstrangschnitt erfolgt mit scharfer Klinge, der Emaskulator ist tabu. Ziel ist die minimal invasive Kastration!
Erste Praxiserhebungen
In bayerischen Praxisbetrieben wurden inzwischen umfangreiche Erfahrungen mit der Kastration unter lokaler Betäubung gewonnen. Hier flossen die Daten von nahezu 1000 behandelten Ferkeln ein. Diese zeigen, dass sich die Lokalanästhesie zuverlässig in die Arbeitsabläufe integrieren lässt. Auch der Tierschutz ist positiv zu bewerten. So zeigten die Ferkel bei der Gabe des Betäubungsmittels sowie beim Eingriff deutlich weniger eingriffsbedingte Abwehrbewegungen, die auf Schmerzen hindeuten.
Die korrekte Injektion des Lokalanästhetikums durch den Landwirt scheint nach entsprechender Schulung ebenfalls praktikabel. So reicht die Gabe in den Hodensack aus. Das Lokalanästhetikum verteilt sich dann in 30 Minuten im Gewebe und entfaltet seine betäubende Wirkung (siehe Übersicht 2).
Allerdings dürfen bisher nur Tierärzte die Lokalanästhesie durchführen. Was muss sich ändern?
- Es sind weitere Untersuchungen zur Wirksamkeit und Praktikabilität der Kastration mit Lokalanästhesie nötig.
- Es ist offen über den Tierarzt-Vorbehalt bei der Lokalanästhesie zu diskutieren. So zeigen Schwedens Erfahrungen, dass geschulte Landwirte die lokale Betäubung sicher praktizieren.
- Modernere Lokalanästhetika sind für Nutztiere freizugeben. So hat das für Heimtiere zugelassene Lidocain eine vierfach bessere Wirkung als Procain.
Fazit
Um die nationalen und internationalen Fleischkunden nicht zu verprellen, müssen deutsche Sauenhalter nach 2018 weiter Ferkel kastrieren. Für die geforderte Schmerzausschaltung bietet die lokale Betäubung die besten Voraussetzungen. Denn die Lokalanästhesie vereint eine gute Schmerzausschaltung und geringe Belastungen bzw. Risiken für die jungen Ferkel.
Wichtig ist, dass die Politik jetzt den Weg für die lokale Betäubung bei der Kastration von unter sieben Tage alten männlichen Ferkeln durch den Landwirt ebnet. Nur so bleibt der Eingriff praktikabel und bezahlbar. Das Vorbild Schweden zeigt, dass es geht.