Dr. Josef Schulte-Wülwer, Schweinegesundheitsdienst der LWK-Niedersachsen So stoppen Sie frühe Geburten. Infektionen und Stress können die Ursache für zu frühes Abferkeln sein. Mit dem richtigen Maßnahmenpaket lassen sich vorzeitige Abferkelungen vermeiden. I mmer wieder kommt es vor, dass Sauen bereits einige Tage vor dem eigentlichen Geburtstermin abferkeln. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, und wenn weniger als 10 % der Sauen bereits am 112. oder 113. Trächtigkeitstag ihre Ferkel zur Welt bringen, ist alles in Ordnung. Je nach Wurfgröße, Sauenalter oder auch Jahreszeit ist dieses Phänomen als physiologisch anzusehen. In jüngster Zeit jedoch scheint das vorzeitige Abferkeln zuzunehmen. Eine Ursache sind die Fruchtbarkeitsleistungen der Sauen, die in den letzten Jahren sehr stark zugenommen haben. Bekanntlich weisen gerade Sauen mit großen Würfen kürzere Tragezeiten auf. Das zu frühe Abferkeln stellt manchen Betriebsleiter vor große Probleme. So bewirken die niedrigen Geburtsgewichte unter anderem, dass die Ferkel nicht kräftig genug sind und daher Schwierigkeiten bei der Biestmilchaufnahme haben bzw. den Weg ins vorgewärmte Ferkelnest nicht finden. Untergewichtige Ferkel kühlen schneller aus. Mit jedem Tag, den die Ferkel zu früh auf die Welt kommen, fehlen den Tieren rund 100 g Gewicht. Landwirte und Tierärzte stehen der Problematik relativ hilflos gegenüber. Bis heute gibt es keine praxisreife Möglichkeit, den Geburtstermin hinauszuzögern. Zwar gibt es Versuche, Frühgeburten durch die Gabe von bestimmten Hormonen (Progesteron- Ersatz) zu verhindern, bislang zeigen sich hierbei aber noch zu viele Unsicherheiten, als dass solche Medikamente in absehbarer Zeit für den Einsatz im Sauenstall zugelassen werden könnten. Hormone geben Startschuss Auslöser der ganzen Problematik ist ein gestörter Hormonhaushalt der Sauen. Es ist bekannt, dass das Signal für den Geburtsbeginn von den Föten ausgeht. In Abhängigkeit von der Geburtsmasse und der damit vorhandenen räumlichen Enge in der letzten Trächtigkeitsphase steigt der fötale Kortisolspiegel stark an. Dieser Hormonanstieg bewirkt bei der Sau einen Anstieg der Prostaglandin F 2α-Ausschüttung (PGF 2α), wodurch wiederum die Rückbildung der Proges-teron-produzierenden Gelbkörper einsetzt. Durch den nun einsetzenden Abfall des trächtigkeitserhaltenden Hormons Progesteron werden die anderen Hormone wie Östrogen, Prostaglandin und Oxytocin aktiv, der weiche Geburtsweg wird dehnbar und schließlich setzen die Kontraktionswellen an der Gebärmutter ein. Wenn diese Hormonkaskade nun gestört ist, kommt es zu den bekannten Problemen mit Früh-, Spät- oder auch verlängerten Geburten. Bei der Suche nach den Ursachen, die die hormonellen Veränderungen auslösen, treten immer wieder krankheits- bzw. stressbedingte Faktoren in den Vordergrund. Bei den krankheitsbedingten Störungen spielen vor allem Infektionen eine Rolle. Insbesondere solche, die mit Fieber einhergehen, führen zu Aborten und zu Frühgeburten. Fiebrige Erkrankungen belasten das Tier, und damit kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung der Nebennierenhormone, durch die dann wie oben beschrieben die Geburt in Gang gesetzt wird. Zudem kennt man heute verschiedene Toxine, die ebenfalls schädlich wirken. PRRS häufige Ursache Treten Frühgeburten vermehrt auf, gilt es zunächst, die Tiere auf das Vorhandensein bestimmter Infektionserreger, insbesondere des PRRS-Virus zu untersuchen. Gerade bei unterschwellig verlaufenden PRRS-Infektionen kommt es immer wieder vor, dass einzelne Sauen früher als normal abferkeln. Die Ferkel sind meist lebensschwach, die Zahl der Totgeburten ist erhöht. An PRRS sollte man auch dann denken, wenn die Sauen länger als 115 Tage tragen bzw. wenn vermehrt Spätaborte zu beobachten sind. Eine Absicherung der Verdachtsdiagnose PRRS erfolgt über die Untersuchung von Or-ganmaterial eingeschläferter Ferkel (Organentnahme bei Sektion im Labor) oder mittels Blutproben von betroffenen Tieren. Immer dann, wenn PRRS als Ursache für die Geburtsprobleme festgestellt wurde oder zumindest wahrscheinlich ist, bietet sich die Impfung der Sauen an. Zur Verfügung stehen Tot- und Lebendimpfstoffe, wobei den Lebendimpfstoffen ein besserer PRRS-Schutz zugeschrieben werden kann. In Betrieben mit hohem PRRS-Druck hat sich in den letzten Jahren die sogenannte 6/60Methode bewährt. Im Gegensatz zur Bestandsimpfung erhalten die Sauen bei dieser terminorientierten Impfmethode während der Säugezeit um den sechsten Laktationstag und als Wiederholung in der Mitte der Trächtigkeit ab dem 60. Tragetag eine PRRS-Impfung (siehe Übersicht 1). Der Vorteil dieser Methode ist, dass neben der engen Impffolge und dem damit verbundenen durchgehend hohen Impfschutz kein Impfstress in den sensiblen Produktionsphasen der Früh- und Spätträchtigkeit aufkommt. Auch an Leptospiren denken Weitere, im Zusammenhang mit dem frühen Abferkeln diskutierte Infektionen sind unter anderem Circoviren- und möglicherweise auch Leptospiren-Infektionen. Wenn Sauen sich mit bestimmten Leptospiren infizieren, kommt es zur Bakterienvermehrung im Sauenkörper, insbesondere in den Nieren. Die Infektion kann mit kurzzeitigem Fieber einhergehen, wobei die Tempera-turerhöhung Stress für das Tier bedeutet und dadurch geburtsauslösend sein kann. Während der Erregervermehrung dringen die Keime auch in den Fötus ein, und sie können sich hier um so schneller ausbreiten, je intensiver der Kontakt zwischen den Föten sowie zwischen der Gebärmutterwand und den Früchten ist. Neben der Geburt von toten oder lebensschwachen Ferkeln können auch Aborte auftreten. Gegen Leptospiren gibt es bislang in Deutschland keinen zugelassenen Impfstoff. In Problembeständen führt daher an einer Bestandsbehandlung mit einem leptospirenwirksamen Antibio- tikum kein Weg vorbei. Hierbei handelt es sich um Arzneimittel mit den Wirkstof- fen Doxycyclin, Tetracyclin oder auch Streptomycin. Inwieweit Circoviren primär für Aborte und Frühgeburten verantwortlich sind, ist noch nicht endgültig geklärt. Klar ist aber: Gerade Circoviren sind oft Wegbereiter für andere Infektionen, die wiederum Fruchtbarkeitsprobleme auslösen. Nach jetzigem Kenntnisstand bietet die Mutterschutzimpfung die seit Ende Juni in Deutschland offiziell zugelassen ist Vorteile. Die Impfung soll vor allem die Ferkel schützen. Ob auch eine Nebenwirkung für die Sau selber abfällt, ist ungewiss. Influenza stärker im Kommen Aktuell bereitet die Influenza zunehmende Probleme. Während die Krankheit früher typischerweise bestands- oder abteilweise auftrat und die Tiere hohes Fieber bekamen, das nach wenigen Tagen wieder zurückging, gibt es in den letzten Jahren immer mehr schleichende Influenzaverläufe. Im Sauenbestand fällt die Erkrankung häufig gar nicht auf, lediglich einzelne Sauen hüsteln leicht. Hin und wieder finden sich auch Tiere mit lediglich leichter Temperaturerhöhung. Stehen die Sauen bei einer Influenza- Infektion kurz vor der Abferkelung und müssen sich die Tiere zu diesem Zeitpunkt mit der Erkrankung auseinandersetzen, reagieren sie oftmals sehr empfindlich. Zumeist setzen sie die Ferkel dann frühzeitig ab. Auch gegen Influenza gibt es verschiedene Impfstoffe auf dem Markt. Die Erfahrungen mit diesen Impfstoffen sind sehr unter schiedlich. In einigen Betrieben hat sich mit der Impfung die Problematik deutlich gebessert, andere Betriebsleiter sehen kaum einen Effekt. Der Erfolg der Influenza-Impfung hängt maßgeblich davon ab, wie nah der Impfstoff an das im Betrieb grassierende Feldvirus herankommt. Daher ist bei einem Verdacht eine ausgiebige Diagnostik nötig. Dabei ist wichtig, zuerst den Influenza-Typ festzustellen. Erst dann kann entschieden werden, inwieweit eine Impfung überhaupt angebracht ist. Gerade bei der Influenza-Impfung zeigen die Schweine häufig starke Impfreaktionen wie kurzzeitige Temperaturerhöhungen. Hier ist also Vorsicht geboten, und im Zweifelsfall sind lieber die leeren Sauen in der zweiten Laktationshälfte zu impfen. Selbstverständlich müssen bei allen unklaren Erkrankungen mit Aborten oder Frühgeburten auch Schweinepest- und Aujeszky- Erkrankungen abgeklärt werden. Dem Stress ein Ende setzen Die Erfahrungen in Betrieben, in denen das zu frühe Abferkeln überhand genommen hat, zeigen, dass etwa in einem Drittel der Fälle eine oder mehrere Infektionen für das Geschehen verantwortlich gemacht werden können. In den meisten Fällen verlaufen die Untersuchungen negativ. Das bedeutet: Hier ist von anderen, nichtinfektiösen Ursachen auszugehen. Besonders problematisch wirkt sich zu großer Stress aus. Jede übermäßige Stressbe-lastung ist eine potenzielle Ursache für Früh-geburten. Das können sowohl Haltungsfeh-ler, Rangordnungskämpfe, Temperaturextre-me oder auch Fütterungsfehler sein. Daher muss bei einer länger anhaltenden Problematik das ganze Umfeld der hochtragenden Sauen kritisch durchleuchtet werden. Zunächst gilt es, extreme Temperaturen im Stall zu vermeiden. Ideal ist der Temperaturbereich zwischen 16 und 20 °C. Steigen die Werte mehrere Wochen im Jahr deutlich darüber bzw. fallen sie im Winter längere Zeit ab, muss der Stall entsprechend wärmegedämmt bzw. mit einer entsprechenden Heizungsanlage nachgerüstet werden. Auch ist zu prüfen, ob es zu übermäßigen Kämpfen während der Fütterungszeiten kommt. Wenn ja, muss die Zahl der Sauen, die über eine Futterstation versorgt werden, reduziert werden bzw. es ist eine zusätzliche Station nachzurüsten. Jeder Landwirt sollte in der Gruppenhaltung außerdem ein Auge darauf werfen, ob der zur Verfügung stehende Platz ausreicht und ob alle Sauen genügend Rückzugsmöglichkeiten Liegekessel oder ähnliches haben. Auch Spiel- und Beschäftigungsmaterialien helfen, den Stress zu reduzieren. Im nächsten Schritt ist zu beurteilen, ob nur Sauen aus bestimmten Stallabteilen oder vielleicht auch nur Tiere aus einzelnen Buchten von der Problematik betroffen sind. Zum Beispiel könnte es sein, dass einzelne Sauen in bestimmten Buchten bei fehlerhafter Luftführung einem andauernden Zug ausgesetzt sind. Auch direkte Sonneneinstrahlung bei Buchten, die im Fensterbereich liegen, ist eine mögliche Ursache. Sind möglicherweise vermehrt Alt- oder Jungsauen betroffen? Sind eher dickere Sauen oder aber Sauen im schlechteren Futterzustand betroffen? Kennen die Sauen den Ferkelschutzkorb? Zu hinterfragen ist auch, ob die Futter- und Wasserversorgung in Ordnung ist? Keine Frage, schlechtes Futter schlägt auf den Magen. Doch damit nicht genug. Schlechtes Futter, hervorgerufen durch Schimmelbildung oder Ähnliches, wirkt sich ebenso negativ auf die Trächtigkeit aus, weil nicht nur die Pilze selber, sondern häufig auch die durch Pilze produzierten Mykotoxine ihre krankmachende Wirkung entfalten. Flüssigfütterung reinigen Vor allem die Flüssigfütterung im Abferkelstall ist in dieser Hinsicht sehr kritisch zu sehen. Bakterien und Schimmelpilze können sich in dem feucht warmen Milieu besonders gut vermehren. Die negative Wirkung vergrößert sich weiter, wenn bedingt durch den geringen Futterdurchsatz in der Vorgeburtsphase größere Restmengen für mehrere Stunden in den Leitungen stehen bleiben. Beim Einsatz dieser Technik müssen daher alle Vorratsbehälter und die Leitungen regelmäßig kritisch überprüft werden vor jeder Neubelegung. Vor allem die Ablaufrohre in den Futtertrog sind alle drei bis vier Wochen zu reinigen und zu desinfizieren. Bei einer Neuinvestition in eine Flüssigfütterung indes gilt, auf Anlagen zu setzen, bei denen die Leitungen nach jeder Fütterung restlos entleert und durchgespült werden. Im Zusammenhang mit der Fütterung wirkt sich auch eine Mutterkornvergiftung negativ auf den Trächtigkeitsverlauf aus. Dieser bereits von früher her bekannte Pilz scheint in den letzten Jahren wieder größere Bedeutung zu erlangen. Es mehren sich die Berichte, dass inzwischen neben Roggen- auch immer mehr Triticale- und Weizenpartien belastet sind. Bekanntlich sind im Mutterkorn Alkaloide enthalten, die einerseits die Trächtigkeitsdauer verkürzen und andererseits zu einer mangelhaften Gesäugeentwicklung und damit Milchmangel führen. Bereits bei Mutterkorngehalten ab 0,1 % ist mit negativen Auswirkungen auf die Trächtigkeit zu rechnen! Eine intensive Reinigung des Getreides ist hier notwendig, löst das Problem aber trotzdem häufig nicht. Belastetes Getreide darf auf keinem Fall im Sauenfutter eingesetzt werden, Mastschweine sind diesbezüglich unempfindlicher. Inwieweit andere Pilztoxine wie Zearalenon oder Deoxynevalenol Aborte auslösen oder zu Frühgeburten führen, ist fraglich. Auf jeden Fall haben aber auch diese Toxine eine zumindest indirekte Wirkung auf das normale Geburtsgeschehen. Daher ist bei der Ursachenforschung auch immer eine Futtermitteluntersuchung notwendig. Niemals zu früh einleiten! Um Arbeitsabläufe zu vereinfachen und die Geburten besser überwachen zu können, setzen viele Sauenhalter auf die hormonelle Geburtseinleitung. Hierbei wird den Sauen Prostaglandin F 2α verabreicht, das zum Gelbkörperabbau führt und damit die Hormonkaskade in Gang setzt. Für die Geburtseinleitung hat sich der Einsatz von analogen Prostaglandinpräpa- raten bewährt. Im Gegensatz zum natürli- chen Prostaglandin entfaltet das Präparat keine oder nur geringe Wirkungen auf die übrige glatte Muskulatur im Darmtrakt oder der Harnblase. Die Gabe von Oxytocin in geringer Dosis ca. 20 bis 24 Stunden nach der Prostaglandingabe engt den Geburts- zeitpunkt weiter ein. Sie sollte aber nur dann erfolgen, wenn noch keine unmittel- baren Geburtsanzeichen vorhanden sind! Um keine künstlichen Frühgeburten zu provozieren, ist es bei der hormonellen Ge- burteneinleitung unabdingbar, dass der Be- legzeitpunkt exakt bekannt ist. Denn die generelle hormonelle Einleitung sollte nie- mals vor dem 114. Trächtigkeitstag, besser sogar erst am 115. Tag passieren! Bewährt hat sich folgendes Vorgehen: Alle Sauen, die montags und dienstags belegt worden sind und die in der Geburtswoche am Don- nerstagmorgen noch keine Geburtsanzei- chen zeigen, erhalten donnerstags morgens eine Prostaglandinspritze. Am nächsten Morgen erhalten dann die Sauen, bei de- nen noch keine Anzeichen einer Abferke- lung zu erkennen sind, eine Oxytocinga- be. Die Dosierungen sind je nach Präparat und Sauengewicht mit dem Tierarzt abzu- stimmen. Aber Vorsicht: Pros- taglandinpräpa- rate werden über die menschliche Haut absorbiert, daher sollten bei der Applikation immer Handschu- he getragen wer- den. Schwangere Frauen sollten jeg- lichen Umgang mit solchen Präparaten vermeiden! Fazit Das Problem früher Geburten nimmt zu. Oft liegt es an den großen Würfen und wenn weniger als 10 % der Sauen zu früh ab- ferkeln, ist dies zu akzeptieren. Ferkeln deutlich mehr Sauen zu früh ab, muss den Ursachen näher auf den Grund gegangen werden. Folgendes ist zu beachten: Frühe Geburten werden durch Infektio- nen ausgelöst. PRRS-, Infl uenza- oder Cir- coviren können die Ursache sein. Ein ge- zieltes Impfregime kann Abhilfe leisten. Hochtragende Sauen sollten möglichst wenig Stress ausgesetzt sein. Vor allem bei Gruppenhaltung ist auf Ruhe zu achten. Futterqualitätsmängel spielen eine gro- ße Rolle. Durch Pilze gebildete Toxine kön- nen die vorzeitige Geburt auslösen. Auf die einwandfreie Futterqualität ist zu achten. Die hormonelle Geburtseinleitung er- leichtert viele Arbeitsabläufe. Sie darf aber niemals zu früh erfolgen. Der genaue Be- legzeitpunkt muss bekannt sein. Zusätzliche Vitamingaben stärken die Abwehrkräfte gegenüber krankmachenden Infektionen. Frühgeburten werden so indi- rekt reduziert. - Schulte-Wülwer,Josef -