China hat sich zum größten Drittlandsmarkt für deutsche Fleisch-Exporte gemausert. Welche Chancen und Risiken bietet der Markt im Reich der Mitte?
Dr. Albert Hortmann-Scholten, LWK Niedersachsen
Deutsche Fleischprodukte sind auf der ganzen Welt gefragt. Traditionell liegen die größten Abnehmer für Schweinefleisch in der Europäischen Union. Jedoch ist der EU-Absatz im letzten Jahr immer schwieriger geworden. Der 2014 verhängte russische Import-Stopp verschärft die Lage zusätzlich.
Chinas Erzeuger im Umbruch
Drittlandsmärkte wie China werden seither immer wichtiger. So hat sich die Volksrepublik für hiesige Exporteure zum wichtigsten Drittlandsmarkt entwickelt. Im letzten Jahr konnte Deutschland seine Ausfuhr nach China auf fast 380000 t Schweinefleisch hochschrauben (siehe Übersicht 1). Das sind fast 80 % mehr als im Vorjahr. Dabei verfügt China über die größte Schweinehaltung der Welt. So hat das Land im Mittel der letzten Jahre rund 50 Mio. t Schweinefleisch produziert. Das ist etwa doppelt so viel wie die gesamte Europäische Union.
Allerdings befindet sich die Erzeugungsstufe in einem gravierenden Umbruch. Steigende Lohn- und Futterkosten sowie immer wieder auftretende Seuchenzüge – vor allem PRRS, ASP und MKS – führen zum massiven Ausstieg der Kleinproduzenten.
Auf der anderen Seite beschleunigt sich der Aufbau integrierter Produktionssysteme. Das gilt insbesondere seit dem der US-Schweinefleischkonzern Smithfield Foods durch das chinesische Unternehmen Shuanghui übernommen wurde. Damit einher geht eine zunehmende Professionalisierung der Produktion. Die Systeme sind bezüg-lich der biologischen und ökonomischen Leistungen im globalen Wettbewerb durchaus konkurrenzfähig.
Dennoch ist der Schweinebestand in China zuletzt merklich gesunken. Die niederländische Rabobank geht davon aus, dass die chinesischen Sauenherden im letzten Jahr um etwa 10 Mio. Tiere bzw. 20 % geschrumpft sind. Bleibt der Pro-Kopf-Verbrauch von Schweinefleisch bei 36 kg, müssen die Importe dieses Jahr deutlich steigen.
Fleisch-Importe verdreifacht
Die von China importierte Menge an Schweinefleisch stieg in den letzten fünf Jahren auf mehr als das Dreifache. Im letzten Jahr hat das Land der Mitte mit 778000 t eine neue Rekordmenge an Schweinefleisch importiert (siehe Übersicht 2) Deutschland gehört seit 2012 zu den großen Lieferanten. Möglicherweise hat Deutschland 2015 mengenmäßig die USA und Kanada unter den Hauptlieferanten überholt.
Betrachtet man die Gesamtmengen, importiert China hauptsächlich gefrorenen Schinken, Schultern oder Teile davon. Frisches Schweinefleisch bzw. halbe oder ganze Schlachtkörper machen nur einen geringen Anteil aus.
Aus deutscher Sicht spielen Teilstücke wie Pfoten, Köpfe, Schwänze, Vorderfüße, Zungen und Innereien eine besondere Rolle. Denn sie werden zu weit über dem EU-Niveau liegenden Preisen gehandelt. Doch die Importpreise sind sehr volatil. Auswertungen des Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) zeigen, dass die Importpreise zwischen den Lieferländern sowie den Jahren stark schwanken.
Made in Germany ist gefragt
Dabei haben deutsche Exporteure in China recht gute Karten. Denn made in Germany steht auch bei Schweinefleisch und Verarbeitungserzeugnissen für Qualität und Sicherheit. Insbesondere in Schwellenländern wie China ist das Verbrauchervertrauen in heimische Produkte mehrfach durch Skandale erschüttert worden. Deutschland ist Exportweltmeister für Schweinefleisch und genießt in China als hochentwickelte arbeitsteilige Wirtschaft einen sehr guten Ruf.
Allerdings ist der Schweinefleischhandel an klare internationale Regelungen gebunden. Zudem müssen sich die Exporteure auf Anforderungen des jeweiligen Einfuhrlandes einstellen.
In dieser Hinsicht kommt dem Bundesministerium eine besondere Verantwortung bei Exportbemühungen der Fleischwirtschaft zu. Denn gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist es kaum möglich, alle formalen und rechtlichen Hürden für Agrarexporte allein zu bewältigen.
Erstmals im Jahre 2010 hat das BMEL ein Exportförderprogramm aufgelegt. Damit sollen bestehende Auslandsmärkte erhalten und neue erschlossen werden. Ebenfalls soll das Image deutscher Produkte und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen verbessert werden.
Momentan werden Veterinärinspektionen der Volksrepublik China in deutschen Fleischbetrieben und Schlachthöfen vorbereitet. Diese sollen im Frühjahr 2016 dazu führen, dass bis zum Jahresende zehn bis zwölf weitere Betriebe eine Exportzulassung für China erhalten. Vor der Registrierung steht allerdings eine Überprüfung durch chinesische Behörden.
China bleibt aufnahmefähig
Das Engagement ist zu begrüßen. Denn in den nächsten Jahren wird China ein wichtiger Netto-Importeur von Fleisch bleiben. So geht das US-Landwirtschaftsministerium USDA davon aus, dass China seine Importe im laufenden Jahr auf 830000 t Schweinefleisch ausbaut. Das ist ein Plus von 7 % gegenüber 2015. Bis zu 70 % diesesFleisches könnten aus der EU stammen.
Vor allem in den Ballungszentren gibt es Versorgungsengpässe, die mitunter zu starken Preissteigerungen führen. Da der Preisanstieg teils inflationär ist, versucht Peking immer wieder gegenzusteuern. Durch Investitionsbeihilfen will man die eigene Erzeugung stärken und langfristig die Selbstversorgung mit Schweinefleisch sichern. Wenn allerdings die Verbraucherpreise zu stark ansteigen, muss die Regierung die Handelsbarrieren wieder lockern, wie z.B. im Jahr 2014. Sonst droht das politische System zu destabilisieren.
Politik bleibt unberechenbar
Zu den mittelfristigen Absatz- und Marktperspektiven des chinesischen Marktes gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Zum einen hat die chinesische Regierung ein elementares Interesse, die Inlandsproduktion zu stärken. So hat Peking Beschlüsse zur Modernisierung der Landwirtschaft auf den Weg gebracht, die vor allem neue Inte- grationssysteme beinhalten.
Zum anderen wird der Pro-Kopf-Verbrauch weiter steigen. So wird es kaum möglich sein, die Selbstversorgung mit Schweinefleisch sicher zu stellen. Die Hauptprobleme werden in steigenden Futterpreisen bei knapperen Inlandsressourcen gesehen.
Allerdings unterliegt das Importverhalten Chinas großen Schwankungen. Letzten Endes ist der Markt unbe-rechenbar. Tierkrankheiten, schwankende Preise für Futter und Fleisch sowie wechselnde politische Rahmenbedingungen führen zu erheblichen Verschiebungen.
Hiesige Exporteure müssen daher immer auf unvorhersehbare Importverbote vorbereitet sein. Deutschland hat insbesondere aufgrund der zentralen Lage in Europa und der damit verbundenen hohen Risiken für Seuchenausbrüche eine besondere Anfälligkeit.
Auf der anderen Seite zeigt die chinesische Mittelschicht zunehmend Interesse an westlichen Waren- und Dienstleistungen. Vor allem wegen der Lebensmittelsicherheit ist ausländisches Fleisch gefragt.
So verfolgt die chinesische Regierung intensiv das Ziel, Absatzkanäle über inländische Supermärkte zu stärken. Hiermit will Peking sogenannte informelle Wochen- und Straßenmärkte ohne Qualitätsstandards und Kühlung zurückzudrängen.
Export weiter fördern
Um den Anschluss am chinesischen Markt zu halten, sollte Berlin die Schweinefleischexporte weiter fördern. Denn dies ist kein Selbstläufer. Die flankierenden Maßnahmen sind nur mit erheblichem personellen Aufwand zu leisten. Allein im Jahr 2015 wurden im Fleischbereich 38 Veterinärbescheinigungen aktualisiert oder neu abgeschlossen.
Für 2016 hat man das Ziel bundeseinheitliche Zertifizierungen für mehrere Absatzmärkte abzuschließen. Beispielsweise spielen dabei auch in Deutschland längst abgeschlossene Schweine- erkrankungen wie die Teschener Erkrankung eine Rolle, obwohl die Krankheit in Deutschland zuletzt 1957 diagnostiziert wurde. Dies zeigt, wie komplex die Veterinärabkommen mit China mitunter sind.
Die jüngste Verstärkung der Export-Abteilung im BMEL ist daher zu begrüßen. Hier wurde mit dem erfahrenen Veterinär Dr. Rassow ein anerkannter Fachmann gewonnen.
Fazit
China investiert viel in den Ausbau der heimischen Schweinehaltung. Dennoch dürfte der Markt längerfristig lukrativ für Fleischexporte bleiben. Denn Fleisch „Made in Germany“ ist im Reich der Mitte gefragt. Deutsche Exporteure rechnen mit zusätzlichen Geschäften für das laufende Jahr.
Allerdings ist Wertschöpfung im China-Geschäft geringer als z.B. am russischen Markt. Zudem ist der Export nach China mit großen Risiken verbunden. Denn politische Eingriffe in den Markt sind oft nicht kalkulierbar.