Die niederländische Van-Asten-Gruppe testet neue Arbeitsformen und Konzepte zur Sauenfütterung. Die ersten Ergebnisse sind vielversprechend.
Wenn das Ziel ausgegeben wird, Qualitätsferkel anzubieten, denkt man an Tiergesundheit, Eberauswahl oder Ähnliches. Dass auch ein Management-Tool aus der Auto-Industrie damit zu tun haben könnte, kommt einem zunächst nicht in den Sinn.
„Wir haben uns intensiv mit neuen Ideen zur Arbeitsorganisation beschäftigt. Dabei stand das einst von Toyota entwickelte Konzept Lean oder schlanke Produktion Pate“, verrät Hans Heijligers (40). „Lean soll unabhängig von der Anzahl Mitarbeiter die Arbeitseffizienz verbessern.“
Versuche am Stammbetrieb
Heijligers ist Betriebsleiter bei der Van-Asten-Gruppe und verantwortlich für die vor drei Jahren neu gebaute 4 200er-Sauenanlage in Sterksel. Die Van-Asten-Geschwister bewirtschaften mehrere Betriebe in den Niederlanden und Ostdeutschland.
In Sterksel erledigen elf Mitarbeiter die Stallarbeit. Die Ferkel werden mit vier Wochen abgesetzt und verlassen die Anlage. Im letzten Jahr erreichte der Betrieb 30,3 abgesetzte Ferkel je Sau und Jahr. Für 2015 ist das Ziel von 31 abgesetzten Ferkeln ausgegeben.
Dabei soll das Lean-Konzept helfen. Dahinter steckt eine Arbeitsorganisation, die sich durch flache Hierachien, klare Kommunikationswege sowie definierte Arbeitsschritte für synchrone Abläufe auszeichnet. Ein externer Berater hat die Produktionsabläufe studiert und Vorschläge erarbeitet, wie die Ideen umzusetzen sind.
„Oft sind es nur kleinere Dinge, die aber zur Arbeitseffizienz beitragen oder die Arbeitsmoral verbessern“, erklärt der Betriebsleiter. Zum Beispiel haben sich einige Mitarbeiter über zu viel Unordnung im Wäscheraum geärgert. Auch die Kantine war ein wunder Punkt. „Aufgeräumt haben immer dieselben Kollegen”, verrät Hans Heijligers.
Heute sind die Putz- und Aufräumdienste klar geregelt. In der Kantine hängt eine Liste mit Namen der Kollegen aus, die in der jeweiligen Woche für Sauberkeit und Ordnung sorgen müssen. Bei Krankheit oder kurzfristigem Urlaub müssen die Betroffenen eigenständig den Dienst mit Kollegen tauschen.
Verantwortung für eine Abferkelgruppe
Was sich banal anhört, hat spätestens dann große Effekte, wenn es um die Verantwortlichkeiten in der Produktion geht. Der Betrieb stallt wöchentlich 6 mal 32 hochtragende Sauen ein, die in der darauffolgenden Woche abferkeln. Diese 192 Sauen einer Abferkelgruppe liegen in der Verantwortung eines Mitarbeiters aus dem Team Abferkelung.
Dieser ist für die komplette Geburtsüberwachung und Neugeborenen-Betreuung zuständig. Die darauffolgende Abferkelgruppe betreut dann ein Kollege. „Wir haben also nicht nur einen Chef im Abferkelbereich, sondern gleich mehrere“, erklärt Heijligers.
Trotz dieser Zuordnung wird weiterhin in Arbeitsketten gearbeitet, z. B. bei den Ferkelbehandlungen. Wobei immer derjenige den Hut aufhat, der verantwortlich für die Abferkelgruppe ist. Dabei gibt ein fester Wochenplan vor, welche Arbeiten an welchen Tagen zu erledigen sind (siehe Übersicht).
Lean bedeutet auch, dass die Betriebsmittel stets in ausreichender Menge vorhanden sind und Gerätschaften ihren festen Platz haben. Im Zentralgang vor den Abferkelabteilen sind für jeden Mitarbeiter Arbeitsplatte und Regale angebracht, in denen die Vorräte und Betriebsmittel einsortiert werden. Wie groß der Vorrat z. B. von Eisen oder Oxytocin sein soll, wird vorgegeben.
Einmal wöchentlich bestellt jeder Mitarbeiter fehlende Materialien per standardisierter Liste nach. Im Büro werden die Bestellungen zusammengefasst und die Ware nach der Lieferung in Körbe für die jeweiligen Mitarbeiter einsortiert. Diesen nimmt der Mitarbeiter mit in den Stall und sortiert die bestellten Sachen in sein Regal ein.
„Es gibt nicht nur eine Liste, wie viele Spritzen, Nadeln, Flaschen, Eisen etc. bereitgestellt werden müssen, sondern auch, wo diese im Regal zu finden sind”, sagt der Betriebsleiter. Wie das Einsortieren zu erfolgen hat, ist per Foto dokumentiert, welches am Regal hängt.
Ziel: 7,5 kg Absetzgewicht
Neben dem Ziel, im laufenden Jahr 31 Ferkel zu schaffen, spielt auch das Absetzgewicht der Ferkel eine große Rolle. Auch hier gibt es neue Lean-Regeln:
- Die Arbeitsschritte von der Geburt bis zum Absetzen sind klar definiert und müssen auf einem Protokoll gegengezeichnet werden.
- Im gewissen Umfang findet eine Ferkelaufzucht an künstlichen Ammen statt, natürlich streng nach Protokoll. Ab zehntem Tag nach der Abferkelung werden hierfür gut entwickelte Würfe ausgesucht. An die frei werdenden Sauen werden dann bedürftige Ferkel aus anderen Würfen gesetzt.
- Ammenwürfe bzw. Würfe mit mehr als zwei zugesetzten Ferkeln werden mit farbigen Wäscheklammern auf den Sauenkarten gekennzeichnet, damit auf diese besonders geachtet wird.
- Zusätzlich werden die Saugferkel mit Milch aus Schalen versorgt, und zwar bereits ab dem zweiten Tag nach der Geburt. Nach einer Woche wird auf flüssigen Prestarter und in der letzten Säugewoche auf festes Futter umgeschwenkt. Die Mengen sind nach Futterkurve vorgegeben, können aber nach unten oder oben korrigiert werden.
- Die Kommunikation läuft über grüne, gelbe und rote Karten, die der verantwortliche Mitarbeiter auslegt. Grün bedeutet, dass die Futtermenge weiter gesteigert werden kann. Bei rot bleibt zu viel Futter in den Schalen zurück, d. h. die Menge wird reduziert.
- Die komplette Absetzgruppe, also zusammen jeweils über 2 400 Ferkel, werden wurfweise mit Noten von 1 bis 10 bewertet. Das machen die Mitarbeiter selbst. Vor Kurzem wurde für die komplette Absetzgruppe ein Mittel von 8 erreicht. Dies wurde bei der nächsten Teambesprechung mit Kuchen gefeiert.
- Das Ziel ist, die Würfe zusammenzuhalten und in der Ferkelaufzucht und Mast weiterzuverfolgen, um wiederum eine Rückkopplung an die Leute im Abferkelstall zu geben.
40 Jungsauenwürfe pro Woche
Die Stallmannschaft ist in zwei Teams für die Abferkelung sowie Deck-Wartebereich inklusive Jungsauenaufzucht eingeteilt. Die personelle Trennung soll die innerbetriebliche Hygiene verbessern. Wer die Stallbereiche wechseln möchte, muss in einen andersfarbigen Overall und neue Stiefel schlüpfen.
Im Deck- und Wartestall sind jede Menge Kontrollarbeiten zu erledigen. Die drei bzw. vier für diesen Bereich zuständigen Mitarbeiter haben immer Farbstift und -spray dabei. Diese werden in einem mit den Namen beschrifteten Korb abgelegt. Jeder ist für diese wichtigen Utensilien der täglichen Arbeit selbst verantwortlich.
Die Brunstkontrolle und Besamung wird nach vorgegebenem Ablauf durchgeführt. Auch hier gibt es ein Protokoll. Gleiches gilt für die Konditionsbeurteilung und Zuteilung der Futterkurven. Alles ist im Detail beschrieben. „Wir wollen, dass immer nach dem gleichen Schema verfahren wird“, erklärt Hans Heijligers.
Die Jungsauen sind separat aufgestallt. In der Regel wird die erste Rausche nach Umstallung nicht für die KB genutzt. Vielmehr wird der voraussichtliche Rausche- und Besamungstermin auf den Sauenrücken notiert. Die Jungsauen werden sortiert nach Rauschetermin aufgestallt. Pro Woche sollen 40 Jungsauen belegt werden.
Um Zeit bei der Dokumentation zu sparen, arbeitet der Betrieb mit Kürzeln auf der Sauenkarte. Die leeren Spermatuben bleiben zunächst an der Leine über den Besamungskastenständen hängen. So ist klar, welches Sperma eingesetzt bzw. wie oft die Sau bereits besamt wurde.
Die Belegdaten werden nach den Hauptbesamungstagen geschlossen er-fasst. Ob hier demnächst ein Barcode-Reader eingesetzt wird, soll ebenfalls im Betrieb Sterksel getestet werden. „Wir arbeiten derzeit noch mit den altbewährten Sauenkarten. Wenn der Reader funktioniert, stellen wir auf digitale Datenerfassung um“, beschreibt Heijligers den Plan.
Gesunde Futtersuppe
Neben den Verbesserungen in puncto interne Arbeitsorganisation verspricht sich die Van-Asten-Gruppe viel von dem Verfüttern von Fermentgetreide. Erste Erfahrungen mit fermentierten Nebenprodukten liegen bereits sechs Jahre zurück. Doch die vielen Gehversuche waren nicht immer erfolgreich. „Die Fermentation hat Potenzial, die Darmgesundheit insgesamt zu verbessern sowie den Antibiotika-Einsatz weiter zu verringern. Doch sie muss 100 % zuverlässig sein“, betont der Betriebs-leiter.
Hier sind einige Details zu beachten. Zum Beispiel sollte die Aufbereitung des Schrotes mit 60 bis 70 ˚C heißem Wasser erfolgen. „Das tötet die Bakterien ab“, so Heijligers. Wichtig auch, dass das gemahlene Getreide in das heiße Wasser eindosiert wird und nicht umgekehrt. Für diesen Prozess wird eine robuste Mischertechnik gebraucht.
Das angewärmte Getreideschrot muss 20 bis 30 Minuten stehen, bevor es dann mit kaltem Wasser auf etwa 37 ˚C gebracht wird. Erst dann werden flüssige Milchsäurebakterien hinzugefügt und der Prozess der Fermentation initiiert. Der pH-Wert geht dann auf unter 4,5 herunter.
Um den Prozess weiter zu optimieren, arbeitet die Van-Asten-Gruppe mit Spezialisten der Firma Weda Holland und der Futterfirma ForFarmers zusammen. Beispielsweise muss der Fermentmix vorsichtig verrührt werden, damit die mikrobiellen Prozesse nicht gestört werden. So musste zunächst ein spezielles Rührwerk entwickelt werden. Ferner wurde eine Software für die Temperaturerfassung beim vollautomatischen Fermentieren bereitgestellt, um die Überwachung zu erleichtern.
Ferment-Mix wird geliefert
Auch wenn noch getüftelt und probiert wird, will die Van-Asten-Gruppe als erster Großbetrieb komplett auf die Fermentation umstellen. Um im Sauenbereich voranzukommen, werden in Sterksel derzeit vier Sauenrationen mit Fermentgetreide eingesetzt. Jede Woche werden 100 t Fermentgetreide bereitgestellt und zwischengelagert.
„Auch bei den Sauen sehen wir positive Effekte“, erklärt der Betriebsleiter. Heijligers beobachtet, dass die Sauen derzeit noch etwas weniger Futter aufnehmen, während der Laktation jedoch nicht mehr an Gewicht verlieren. „Vor allem rund um die Geburt sind die Sauen fit und haben keine MMA-Probleme“, freut sich der Betriebsleiter.
Um diesen Eindruck mit Zahlen belegen zu können, werden derzeit die Verzehrsmengen sowie die Gewichtsentwicklung und der Rückenspeckabbau während der Säugezeit erfasst.
„Das Fermentfutter ist derzeit nicht billiger“, gibt der Betriebsleiter zu. Dennoch sieht Heijligers auch hier Potenzial. Denn künftig sollen Nebenprodukte sowie höhere Roggenanteile in der Ration getestet werden. Dann könnte der Betrieb die Futterkosten weiter senken.
Fazit
Die zur Van-Asten-Gruppe gehörige Sauenanlage in Sterksel ist interner Testbetrieb für das ganze Unternehmen. Dort wird derzeit ein neues Konzept zur Arbeitsorganisation erprobt. Dies beinhaltet, dass die Arbeitsschritte genau beschrieben und protokolliert werden. Auch die Verantwortungsbereiche wurden neu definiert, was sich positiv auf die Arbeitsproduktivität und Motivation der Mitarbeiter auswirkte.
Um die Darmgesundheit und damit die Abwehrkraft der Sauen zu verbessern, wird zudem fermentiertes Flüssigfutter eingesetzt. Auch hier sind die ersten Erfahrungen positiv, sodass die Getreidefermentation nun auch auf den anderen Standorten des Unternehmens umgesetzt werden soll.