Wer Impfungen kombiniert oder auf Kombi-Impfstoffe setzt, erspart den Tieren Stress und hat weniger Arbeit. Was ist dabei zu beachten?
Dr. Hendrik Nienhoff, SGD Hannover
Die Idee ist verlockend: Das Ferkel wird nur einmal gepiekst und alle Impfungen sind abgedeckt. Der Einsatz von Kombi-Impfstoffen hat nicht nur Vorteile für das Tier und ist somit praktizierter Tierschutz. Auch die durchführende Person profitiert davon. Denn die Arbeitsbelastungen sind bei einer großen Anzahl zu impfender Würfe enorm. Sehnenscheidenentzündungen sind bei Mitarbeitern in größeren Anlagen mittlerweile ein häufiger Grund für Krankschreibungen.
Jede eingesparte Injektion ist wünschenswert. Aber ist diese Strategie, die auf den ersten Blick gut für Tier und Mensch erscheint, auch immer die beste Lösung, um Infektionskrankheiten im Bestand in Schach zu halten?
Immunsystem reagiert unterschiedlich
Gerade weil die Idee so verlockend und mit handfesten Vorteilen verbunden ist, haben sich die Pharmafirmen schon in den 90er-Jahren auf den Weg gemacht, Impfungen zu kombinieren. Aber erst in den letzten fünf Jahren ist es ihnen gelungen, neue Kombi-Impfstoffe auf den Markt zu bringen.
Das Immunsystem des Schweines ist mit einer solchen Situation nicht überfordert. Es ist in der Lage, auf zig unterschiedliche Antigene gleichzeitig mit einer Immunantwort zu reagieren und einen Impfschutz aufzubauen. Daher sollte es doch einfach sein, Kombi-Impfstoffe zu entwickeln bzw. Impfstoffe im Baukastensystem anzubieten. Bei letzterer Variante werden verschiedene Impfstoffe erst kurz vor der Verimpfung gemischt.
Doch so einfach ist es am Ende doch nicht. Denn der Körper reagiert auf die verschiedenen Viren und Bakterien mit unterschiedlichen Mechanismen.
So wird z.B. zwischen humoraler und zellulärer Immunität unterschieden. Bei der humoralen Immunität werden Antikörper im Blut gebildet, die das Virus markieren, welches dann von Fresszellen beseitigt werden kann. Das funktioniert bei Viren gut, die in großer Anzahl im Blut sind. Ein Beispiel hierfür ist das Circo-Virus.
Die zelluläre Immunität hat große Bedeutung, wenn es z.B. um die Mykoplasmen geht. Hier ist es wichtig, einen Schutz direkt in den Lungenalveolen über sogenannte Lungenmakrophagen (andere Fresszellen) aufzubauen.
Ein Kombi-Impfstoff gegen diese beiden Erreger muss das Immunsystem somit auf verschiedene Art und Weise ansprechen können. Dies gilt auch für die Sauenimpfungen gegen Parvo/Rotlauf oder Coli/Clostridien.
So mussten die pharmazeutischen Unternehmen im Vorfeld unzählige Kombinationen testen und vor allen Dingen die richtigen Hilfsstoffe, sogenannte Adjuvantien, finden. Nur so sind die Kombinationen am Ende auch wirksam.
Optimale Impfzeitpunkte beachten
Ein weiteres Problem bei der Kombination von Impfungen stellen die Impfzeitpunkte dar. Jeder Erreger, Virus oder Bakterium erfordert eigentlich auch einen optimalen Impfzeitpunkt. Dieser Zeitpunkt wird über die maternale Immunität und den Infektionszeitpunkt im Betrieb mit dem Erreger bestimmt.
Die passive, über die Antikörper in der Muttermilch erworbene Immunität ist nicht von Dauer. Der Zeitpunkt, wann diese schwächer wird, variiert von Erreger zu Erreger (siehe Übersicht 1). Die maternale Immunität für Streptococcus suis schwindet bereits am Ende der ersten Lebenswoche, während sie bei PRRS drei bis sechs Wochen hoch bleibt.
Hinzu kommt, dass der Einfluss maternaler Antikörper auf eine Impfung für jeden Erreger unterschiedlich ausfallen kann. Zudem muss der Einfluss des Trägerstoffes berücksichtigt werden. Denn einige Adjuvantien werden von sehr jungen Ferkeln nicht vertragen. All diese Faktoren haben Einfluss auf den empfohlenen frühesten Impfzeitpunkt.
Auch bei dem spätesten Zeitpunkt einer Impfung gibt es unterschiedliche Aussagen. Das Ziel muss sein, dass beim Auftreten erster Infektionen mit den Erregern die Tiere einen stabilen Immunschutz aufweisen. Somit werden auch hier je nach Erreger, Impfstoff und Erregerdruck im Bestand unterschiedliche Zeitpunkte genannt.
Neue Kombi-Präparate zugelassen
Das alles gilt es bei der Impf-Kombinationen zu berücksichtigen und fließt in die Entwicklung von Baukastensystemen und Kombi-Impfstoffen ein. Dies macht deutlich, dass die Entwicklung solcher Impfkonzepte ein schwieriges, kompliziertes Unterfangen ist.
Dementsprechend sind bei insgesamt 72 zugelassenen Impfstoffen für das Schwein bislang auch nur wenige Kombinationen, sei es im Baukastensystem oder als Kombi-Impfstoff, verfügbar. Die auf dem Markt befindlichen Kombinationen für Ferkel und Sauen sind in Übersicht 2 aufgelistet.
Die Zahl der zugelassenen Kombi-Impfstoffe ist zwar noch überschaubar. Dennoch ergeben sich gerade im Bereich der M.hyo- und PCV2-Impfung neue Möglichkeiten, seitdem ein Kombi-Impfstoff der Fa. MSD-Intervet und die Kombination des Myco/Circo-Flex- Systems von Boehringer-Ingelheim mit deren PRRS-US-Lebendimpfstoff zugelassen sind. Daher soll im Folgenden der Bereich der Ferkelimpfungen genauer betrachtet werden.
Sechs Tipps zur Ferkel-Impfung
Als erstes ist festzuhalten, dass nur die Impfstoffe, die dafür auch zugelassen sind, in einer Mischspritze verimpft werden sollten. Das in der Praxis ab und an praktizierte Mischen unterschiedlicher Impfstoffe, zum Teil noch mit reduzierter Dosis, birgt die große Gefahr des Impf-Versagens und ist strikt abzulehnen.
Wenn es nach dem Verkauf so geimpfter Ferkel zu Regressansprüchen kommt, wird ein Gutachter ein so gestaltetes Impfkonzept immer als fachlich untauglich bezeichnen und somit den Regress-Fordernden recht geben.
Zweitens sollte die Mischung der dafür zugelassenen Impfstoffe immer frisch angesetzt werden, damit die Wirksamkeit der Impfstoffe voll erhalten bleibt. Das gleiche gilt für die Lagerung von angebrochenen Flaschen z.B. von Kombi-Impfstoffen. Sie sind im vom Hersteller angegebenen Zeitraum zu verbrauchen. Lebendimpfstoffe müssen immer frisch aufgelöst und zügig verbraucht werden.
Auch muss drittens klar sein, gegen welche Erreger im Betrieb überhaupt geimpft werden soll. Oft schaltet sich bei dieser Frage die Vermarktung ein. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass sowohl in der Ferkelerzeugung als auch in der Mast über Diagnostik geklärt wird, welche Erreger überhaupt im System vorhanden sind. Danach wird der Tierarzt prüfen, ob ein Kombinationsimpfstoff bzw. Impfstoff im Baukastensystem zur Verfügung steht und welcher eingesetzt werden kann.
Als viertes sollte bei einer festen Anbindung die Impfstrategie mit dem Mäster bzw. dessen Tierarzt festgelegt werden. Einige Mäster wünschen sich aufgrund des hohen Erregerdrucks in ihren Betrieben zweifach Mykoplasmen-geimpfte Ferkel. Hier stehen dann aber keine Kombinationsimpfstoffe mit PCV2 zur Verfügung.
Strategien mit dem Mäster abstimmen
Ein anderes Beispiel wäre der Wunsch, M.hyo und Glässer zu kombinieren. Das geht nur mit einem dafür zugelassenen Two-shot-Impfstoff. Auch ist es nicht möglich, eine PRRS-Vakzine (EU-Stamm) im Baukastensystem oder als Kombi-Impfstoff mit M.hyo und PCV2 zu kombinieren.
Fünftens müssen die Impfzeitpunkte beachtet werden. Der Kombi-Impfstoff und das Baukastensystem für M.hyo und PCV2 sind beide für den Einsatz ab einem Alter von drei Wochen zugelassen. Will man aus betrieblichen Gründen z. B. PCV2 deutlich später impfen, kann es sein, dass man mit der Myko-Komponente zu spät kommt.
Oder andersherum: Will der Sauenhalter aus betrieblichen Gründen eine frühe Mykoplasmen-Impfung installieren, wäre diese mit der Circo-Komponente zu früh. Für diese Fälle müsste er auf Einzelimpfstoffe zurückgreifen.
Impferfolg regelmäßig kontrollieren
Als letztes, sechstes Element steht die Erfolgskontrolle. Der Erfolg einer Impfung ist über Blutuntersuchungen Erreger-abhängig nur schwer bis gar nicht kontrollierbar. Daher ist die Auswertung der Leistungsparameter und der Gesundheitsstatus bzw. der Behandlungshäufigkeit der Gradmesser für den Erfolg. Ein regelmäßiger Austausch von Daten und Erkenntnissen zwischen den Betriebsleitern und Tierärzten ist hierbei von Nöten.
Stellt sich der gewünschte Erfolg mit der gewählten Impfstrategie nicht ein, ist die Ursache zu klären. So kann es an der Impfstrategie sowie Fehlern bei der Durchführung liegen. Aber auch andere Erkrankungen und Umweltfaktoren wie Stallklima oder Fütterung müssen geprüft werden. Oder es liegt am Management.
Deshalb sind neben den durch den Tierarzt einzuleitenden diagnostischen Untersuchungen auch betriebliche Faktoren auf den Prüfstand zu stellen.
Fazit
Neue Kombi-Impfstoffe und Impf-Kombinationen im Baukastensystem weisen Vorteile hinsichtlich Tierschutz und Arbeitswirtschaft auf. Schweinehalter, Mäster und Tierarzt können bei der Festlegung ihrer Impfkonzepte auf neue Möglichkeiten zurückgreifen.
Nicht nur für Kombi-Impfungen und Kombinationen nach Baukastensystem gilt: Jeder Betrieb muss sein maßgeschneidertes Impfkonzept entwickeln. Die Zeiten pauschaler Impf-Empfehlungen sind vorbei.
Bei der Erstellung und Begleitung maßgeschneiderter Impfkonzepte ist der bestandsbetreuende Tierarzt gefragt. Bei etwaigen Anpassungen im Konzept sind Erfolgskontrollen unerlässlich.