Eine Influenza kommt fünf Tage, bleibt fünf Tage und geht fünf Tage. Das war jahrelang die Standardaussage erfahrener Tierhalter. Doch diese klare Symptomatik zeigt sich in den letzten Jahren in den seltensten Fällen. Denn die sogenannte Influenza verbrüdert sich oft mit anderen Erregern. Sie können das Geschehen enorm verstärken oder verschleppen. Auslöser der Erkrankung sind häufig wechselnde Außentemperaturen in der Herbst- und Winterzeit. Verbunden mit Windeinflüssen sind diese ein großes Potenzial für Klimastörungen im Stall. Gepaart mit einem hohen Erregerdruck hält die Immunität der Ferkel und Mastschweine dem oft nicht stand. In der Folge kommt es zu Husten, erschwerter Atmung und hohem Fieber. Teilweise ist eine Störung des Allgemeinbefindens mit verringerter oder fehlender Futter- und Wasseraufnahme erkennbar. Je nach Genetik sind diese Symptome für den Tierhalter aber schwer auszumachen. Oftmals lässt erst eine genaue Tierbeobachtung und die Ermittlung der Körpertemperatur den Grad der Erkrankung erkennen. Das klassische Influenzabild zeigt eine hohe Erkrankungsrate speziell der Mastschweine und Sauen in kurzem Zeitraum. Die Saug- und Aufzuchtferkel sind oft noch durch maternale Antikörper geschützt. Die Mastgruppen erkranken in der Regel je nach Grad der Trennung der Abteile zeitversetzt. Auch im Sauenbestand durchläuft die klassische Influenza die Herde schrittweise. Je besser die Gruppen getrennt sind, umso länger braucht das Virus zur Verbreitung. Todesfälle sind bei reinen Influenza-Infektionen sehr selten. Wenn Ausfälle zu beklagen sind, handelt es sich meist um hochtragende Sauen. Aktuell weicht das Bild der Influenza-Infektion aber besonders in größeren Betrieben häufig vom bekannten Schema ab. Im Sauenbestand dominieren Reproduktionsstörungen. Hierzu gehören vermehrtes Umrauschen, Aborte in allen Stadien, mehr lebensschwache und tot geborene Ferkel sowie Gebärmutterentzündungen nach dem Abferkeln. Betroffene Sauen zeigen teils dezenten Husten, oft nur wenig Fieber und Fressunlust. In ungeschützten Beständen tritt Husten bei Saug- und Absatzferkeln auf. Hier kommt es auch zum Anstieg der Körpertemperatur, allerdings auch innerhalb der Tiergruppe zeitversetzt. In der Mast zeigen sich Husten und Fieber oft deutlicher. Betroffen sind häufig insbesondere Tiere oberhalb 60 kg Gewicht. Die milde Symptomatik der Infektion kann sich im Bestand über Monate hinziehen. Todesfälle ergeben sich in der Regel erst durch eine Co-Infektion mit anderen Erregern. Typisch ist, dass sich immer wieder empfängliche Tiergruppen infizieren. Dies zeigt sich darin, dass antibiotische Bestandsbehandlungen keine nachhaltige Besserung bringen. Ein Grund für die schwierige Bekämpfung der Influenza-Viren ist ihre hohe Variabilität. Diese hat in den letzten Jahren einen Influenza-Subtyp hervorgebracht, der sich hinsichtlich seiner klinischen Symptome (Reproduktionsstörungen) und milden Atemwegsklinik schwer von anderen Erregern unterscheiden lässt. Es ist das sogenannte pandemische H1N1-Influenza A-Virus. Der neue Subtyp ist seit 2009 in verschiedenen schweinedichten Regionen Deutschlands nachweisbar. Regelmäßig kommt es in instabilen Mast- und Sauenbetrieben zu Influenza-ähnlichen Symptomen. Das Geschehen ist keinewegs auf die Herbst- oder Winterzeit begrenzt. Vielmehr ist auch in wechselhaften Sommermonaten ein Ausbruch möglich. Das Auftreten des neuen Subtyps hat die richtige Erkennung und Behand-lung des Influenza-Geschehens weiter erschwert. Eine intensive Diagnostik ist daher unverzichtbar. Insbesondere wenn Reproduktionsstörungen im Sauenbestand im Vordergrund stehen, muss unbedingt eine zielgerichtete, ausgefeilte Abklärung der Ursachen erfolgen. Hierbei gilt es zunächst, Mykotoxinbelastungen, haltungsbedingten Stress, mangelnde Wasserhygiene oder Managementfehler als Ursache auszuschließen. Dann gehören serologische und virologische Blutuntersuchungen in ausreichender Anzahl zur Basisdiagnostik. Dabei sind spezielle PCR- und Serologie-Tests notwendig. Aktuell ist außerdem ein Ausschluss der anzeigepflichtigen Erkrankungen unerlässlich. Auch die Abgrenzung der Influenza-Infektion besonders zu PRRS, PCV2, Leptospiren, Parvo und Rotlauf ist Teil des Labor-Standardpakets. Hier spielt die Entnahme von speziellen Nasentupfern von akut erkrankten Tieren eine wichtige Rolle. Bei längerer Problematik sollte in jedem Fall auch die gepaarte Serumprobe von erkrankten Tieren im Abstand von drei bis vier Wochen in Erwägung gezogen werden. Im Abortmaterial lässt sich das Influenzavirus nicht nachweisen, aber einige andere wichtige Erreger. Zusätzlich ist die Sektion frisch er-krankter Tiere mit anschließender Labordiagnostik zu empfehlen. Dabei ist die Auswahl mehrerer Tiere sinnvoll, um Zufallsbefunde zu vermeiden. In Mastbeständen mit starker Atemwegsproblematik ist ein ähnliches Vorgehen wie bei den Sauen zu empfehlen. Differenzialdiagnostisch sind hier einige bakterielle Erreger zu berücksichtigen. Diese können optimal durch die Sektion unbehandelter Tiere bestimmt werden. Organbefunde und Schlachthofchecks sind in der speziellen Diagnostik von untergeordneter Bedeutung. Die Anwendung von Kaustricken und Lungenspülproben zur Aufklärung einer speziellen Erkrankung im Bestand ist nicht sinnvoll. Diese Methoden eignen sich eher für Monitoringprogramme. Die Notwendigkeit einer umfangreichen Diagnostik macht deutlich, wie komplex das Influenzageschehen heute ist. Entsprechend muss die Behandlung speziell auf den Betrieb zugeschnitten sein. Wie dies aussehen kann, zeigen zwei Fälle aus der Praxis. Im ersten Fall geht es um einen Sauenbetrieb. Hier traten im Sommer vergangenen Jahres Reproduktionsstörungen, gehäufte perakute Todesfälle und Sauen mit Fressunlust auf. Gleichzeitig waren in der Ferkelaufzucht fiebrige Atemwegsinfektionen feststellbar. Beides deutete auf eine mögliche Infektion mit dem pandemischen Influenza-Virus hin. Dieser Anfangsverdacht wurde jedoch durch eine angepasste und aufwendige Diagnostik im Sauenbestand widerlegt. So konnte trotz intensiver Probennahme kein Pandemie-Virus nachgewiesen werden. Stattdessen wurde eine Influenza-Infektion der Ferkel mit den „alten“ Influenza-Subtypen ermittelt. Die Infektion hatte im Bestand Fuß gefasst, obwohl eine regelmäßige Vakzination der Sauen erfolgte. So hat der Betrieb die Jungsauen während der Eingliederung und die Altsauen vor dem Abferkeln gegen Influenza geimpft. Als Gegenmaßnahme wurde das Impfschema umgestellt. Und zwar wird die Sauenherde jetzt im Rahmen einer Bestandsimpfung geschützt. Bereits drei Wochen nach der Optimierung der Impftermine hatte sich die Infektion im Aufzuchtstall „totgelaufen“. Gleichzeitig hatte sich die Problematik in der Sauenherde weitgehend beruhigt. Der nächste Praxisfall spiegelt die Situation in der Mast wider. Der Betrieb lebt kontinuierlich mit einer scheinbar beherrschbaren PRRS-Infektion. Doch seit dem Sommer 2013 traten massive Atemwegs-Infektionen bei Tieren mit mehr als 70 kg Lebendgewicht auf. Bei wiederkehrendem Fieber waren teilweise auch Todesfälle zu beklagen. Obwohl der Ferkelerzeuger eine intensive Vakzination der Sauenherde gegen PRRS durchführt, breitete sich das Krankheitsbild im Mastbestand aus. So waren auch die nachgestallten Gruppen zunehmend betroffen. Selbst scheinbar genesene Mittel- und Endmastgruppen zeigten akute Rückfälle. Die Verlust- und Kümmerer-Raten stiegen rasant an. Die Diagnostik bestätigte die bekannte PRRS-Infektion. Zudem brachte sie das Influenza-A-Virus hervor. Im Sauenbetrieb konnte mittels Sektion auch in den Lungen der Aufzuchtferkel das Influenza-Virus nachgewiesen werden. Die lange Persistenz der Erkrankung im Bestand und eine vorausgegangene, sogenannte starke Sommergrippe des Betriebsleiters deuteten auf einen Eintrag des Pandemie-Virus in den Mastbestand in Alleinlage hin. Eine wiederholte, zielgerichtete Beprobung mittels Nasentupfer sowie zugehöriger Serologie bestätigten den Verdacht aber nicht. Als Maßnahme wurde daher beim Ferkelerzeuger die PRRS-Impfung auf die Ferkel erweitert. Dies hat die Symptomatik in der Mast sofort gestoppt. Auch in der Ferkelaufzucht beim Sauenhalter verbesserte sich der Gesundheitszustand schlagartig. Offensichtlich hatte die PRRS-Infektion die Immunität der Ferkel extrem geschwächt. So konnten auch die maternalen Antikörper gegen Influenza keinen Schutz mehr bieten. Die Beispiele zeigen, dass beim Nachweis des Influenzavirus – altbekannt oder pandemisch – unbedingt eine Abklärung aller anderen Faktoren sowie möglicher Co-Erreger erforderlich ist. Als Prohylaxe gegen das Influenza-A- Virus ist eine Impfung der Sauenherde mit entsprechend zugelassenen Vakzinen (H1N1, H1N2, H3N2) geeignet. Zur Unterbrechung von Infektionsketten ist im Einzelfall auch eine temporäre Impfung der Ferkel in Erwägung zu ziehen. In klar diagnostizierten Pandemie-Virus-Fällen ist der innovative pandemische Influenza-Impfstoff ein wichtiges Instrument zur Gesunderhaltung. Mit einer behördlichen Ausnahmegenehmigung kann in betroffenen Beständen in der Regel zusätzlich zum konventionellen Impfstoff gegen das Pandemie-Virus geimpft werden. Wegen möglicher Übertragungen des Pandemie-Virus durch Menschen auf die Schweine ist eine frühzeitige, alljährliche Schutzimpfung von Kontaktpersonen empfehlenswert. Influenza-Erkrankungen sind heute oft komplex und langwierig. Denn das Virus verbrüdert sich gern mit Co-Erregern und hat durch seine Variabilität neue Sub-Typen hervorgebracht. Neben einer ausgefeilten Diagnostik ist daher ein strikter Bekämpfungsplan gefragt: Fieber und Fressunlust Das „neue“ Krankheitsbild Neue Influenza-Subtypen Diagnostik ist das A&O Co-Erreger abgrenzen Zwei Fälle aus der Praxis Mast: PRRS als Co-Erreger Influenza-Impfung prüfen Fazit Landwirte müssen Atemwegs- und Reproduktionsprobleme früh erkennen. In schweinedichten Gebieten ist die konventionelle Influenza-Impfung der Sauenherde zu empfehlen. In klar diagnostizierten Fällen ist der neue Impfstoff gegen pandemische Influenza ein wichtiges Instrument. Ratsam ist zudem der humane Influenza-Impfschutz. Der Landwirt darf nie grippekrank in den Stall gehen! -Ruth Wilmsen, Tierarztpraxis Egen, Kevelaer- Mast- und Sauenbetriebe klagen vermehrt über hartnäckige Influenza-Fälle, die Monate andauern. Nur eine ausgefeilte Diagnostik bringt die genauen Ursachen ans Licht.