Nach der Aufstockung zeigte ein 600er-Sauenbestand vermehrt Probleme im Flatdeck. Umfangreiche Diagnostik und Bestands-Vakzine sorgten für Abhilfe.
Fred Schnippe, SUS
Mit 600 Sauen und 32 abgesetzten Ferkeln gehört Franz Meyer (Name geändert) zu den Spitzenbetrieben. Bei den drei Mästern, die Meyer seit Jahren beliefert, erzielen seine Tiere ebenfalls hohe Leistungen.
Allerdings hatte die Produktionskette eine kritische Phase zu überstehen. Diese begann vor rund einem Jahr und wurde mit der Aufstockung der Sauenherde eingeläutet. Dieses Phänomen tritt häufiger auf. Denn durch den hohen Anteil Jungsauen können Immunitätslücken auftreten und alte Krankheiten wieder aufflackern.
Erst Glässer, dann Ferkelruß
So auch in unserem Praxisfall. Ferkel- erzeuger Meyer wurde zuerst von einem seiner Mäster kontaktiert. Dieser beobachtete, dass die Gruppen ab 50 kg Gewicht stark auseinanderwuchsen. Zudem klagte der Mäster über mehr als 5 % Kümmerer bzw. Verluste. Wenig später meldeten die anderen Ferkelkunden ähnliche Probleme.
Aufgrund der Tragweite setzten sich Meyer, seine Mäster sowie die Hoftierärzte sofort zusammen. Als Akutmaßnahme wurden die erkrankten Tiere in der Mast einzeln oder bei Bedarf als Gruppe antibiotisch behandelt. Die Antibiose zeigte eine gute Wirkung. Allerdings traten die Probleme beim nächsten Durchgang erneut auf.
Parallel wurde daher eine umfangreiche Diagnostik eingeleitet. Hierzu sandte einer der Mäster ein erkranktes, unbehandeltes Tier mit einem Gewicht von gut 50 kg zur Sektion. Dort zeigten sich Verklebungen an Brustfell und Herzbeutel sowie Gelenkentzündungen, pathologisch ein klassischer Befund der Glässerschen Krankheit.
Jedoch war der Erreger Haemophilus parasuis nicht nachweisbar. Dies ist in der Praxis häufig so. Denn meist werden im Labor mehrere Erreger gefunden, die sich u.U. überlagern.
So fiel der Entschluss, ein weiteres Tier zur Sektion zu geben. Dieses Mal wurde ein schweres Ferkel aus Meyers Flatdeck ausgewählt, das frisch erkrankt und noch nicht behandelt war. Hier ließ sich der Erreger dingfest machen.
Jedoch traten inzwischen in der Ferkelaufzucht weitere Probleme auf. In einem Abteil zeigten etliche Tiere Ferkelruß. Diese Krankheit hatte Meyer seit Jahren nicht mehr im Stall. Zum Glück ließ sich die Ursache schnell festmachen. Denn der borkige Ausschlag sowie die nässenden Oberhautentzündungen sind typische, gut erkennbare Merkmale.
Um den Erreger zu bestimmen, wurden Tupferproben von der erkrankten Haut ins Labor gesandt. Hier war der bakterielle Erreger Staphylococcus hyicus nachweisbar. Ergänzend wurden die Pathogenitätsfaktoren bestimmt. Diese Erhebung stellt sicher, dass es sich tatsächlich um den Verursacher der Erkrankung handelt.
Gegen den Ferkelruß setzte Meyer auf Anraten seines Tierarztes ein Langzeitantibiotikum ein. Zudem desinfizierte er die Haut der Ferkel beim Absetzen mit einem Hygienemittel.
Leider brachten diese Maßnahmen, wie in vielen anderen Betrieben, keinen durchschlagenden Behandlungserfolg.Die Lage spitzte sich zu, als in den folgenden Wochen in Meyers Flatdeck weitere Probleme auftraten. So erkrankten bis zu 5 % der Ferkel an Hirnhautentzündungen. Betroffen waren Tiere ab der zweiten Aufzuchtwoche bis zum Verkauf.
Zusätzlich Streptokokken
Der Hoftierarzt sandte daraufhin erkrankte, unbehandelte Aufzuchtferkel zur Sektion. Mittels Hirnstammtupfer ließ sich der Erreger Streptococcus suis festmachen. Wobei die weit verbreiteten Serotypen 2 und 9 gemeinsam auftraten.
Um die hohen Tierverluste rasch einzudämmen, erfolgte bei den ersten Krankheitsanzeichen in der Aufzucht eine Antibiose über das Futter. Diese zeigte eine gute Wirkung. Aufgrund des hartnäckigen Erregers musste Meyer jedoch über 14 bis 21 Tage behandeln. Parallel wurden die Haltungsbedingungen wie das Stallklima und das Wasser überprüft. Hier waren keine wesentlichen Fehler zu finden.
Inzwischen hatte es Ferkelerzeuger Meyer also mit drei gravierenden Erkrankungen zu tun. Zwar konnte er die Glässersche Krankheit und die Streptokokken mit Antibiotika recht gut eindämmen. Doch die Antibiose verhindert nicht, dass die Probleme bei der nächsten Ferkelgruppe erneut auftreten. Und gerade die Antibiose zu Beginn der Ferkelaufzucht trieb Meyers Therapie-Index hoch.
Meyer und sein Hoftierarzt beschlossen daher, ein Impfkonzept gegen die Erkrankung zu entwickeln. Allerdings sind gegen die Streptokokken-Meningitis sowie für den Ferkelruß keine kommerziellen Impfstoffe verfügbar. Gegen die Glässersche Krankheit bietet die Industrie zwar eine Vakzine an. Diese deckt die im Betrieb Meyer hauptursächlichen Serotypen des bakteriellen Erregers allerdings nicht ab.
Start mit Bestands-Vakzine
So fiel der Entschluss, eine bestandsspezifische Vakzine herzustellen. Diese soll alle drei Krankheiten im Bestand abdecken. Neben Arbeitsvorteilen und weniger Stress für das Tier bringt die Kombi-Vakzine auch Kostenvorteile.
Wichtig war dem Hoftierarzt zudem, bereits die Saugferkel vor frühen Infektionen zu schützen. Neben den Ferkeln sollte das Impfkonzept daher die Sauen einbinden. Die maternalen Antikörper in der Biestmilch können so eine frühe Besiedlung der Saugferkel verhindern. Zudem bietet die Sauenimpfung die Möglichkeit, das Impfregime schrittweise anzupassen, indem später auf die Ferkelimpfung verzichtet wird.
Insbesondere bei Streptokokken fällt es jedoch oft schwer, eine wirksame Bestands-Vakzine zu entwickeln. Denn die besonders pathogenen Serotypen lassen sich mitunter schwer festmachen. Unter Umständen sind bei Streptokokken mehrere Anläufe nötig, um eine wirksame Vakzine herzustellen. An einer umfangreichen Diagnostik führt daher kein Weg vorbei.
Der Betrieb Meyer war bereit, die Kosten hierfür zu tragen und eine größere Zahl an Tieren zu opfern. So gingen von Beginn der Erkrankungen bis zur Beauftragung der Vakzine zwölf Ferkel zur Sektion. Erst nach der genauen Typisierung der ursächlichen Keime wurde die Bestands-Vakzine konzipiert. Um eine hohe Wirksamkeit zu erzielen, basiert die Vakzine nicht nur auf einzelnen Isolaten, sondern schließt ein breites Spektrum an Serotypen ein.
Strukturierter Impfplan
Eine Besonderheit besteht darin, dass Meyers Sauen-Impfstoff nur die Glässersche Krankheit und den Ferkelruß abdeckt. Die Sauen werden nicht gegen Streptokokken geimpft. Denn bei diesem Erreger erzielt die Ferkelimpfung aufgrund maternaler Antikörper oft nicht den gewünschten Schutz. Der Verzicht auf die Sauenimpfung war möglich, weil in der Saugferkelperiode keine Streptokokken-typischen Krankheitserscheinungen auftraten.
Der Impfplan ist klar strukturiert. Alle 120 Tage werden die Sauen bestandsweise geimpft. Wobei je Sau 2 ml der Öl-Vakzine ausreichen. Dies ist arbeitswirtschaftlich gut umsetzbar und wird von den Sauen, unabhängig vom Trächtigkeitsstadium, gut vertragen. Zu den anderen Sauenimpfungen hält der Betrieb mindestens 14 Tage Abstand. Bei den Jungsauen erfolgt im Abstand von drei bis vier Wochen die Grundimmunisierung.
Die Ferkel erhalten den Dreifach- Impfstoff gegen alle beschriebenen Erreger. Dieser wird als 2 ml-Dosis am 14. Lebenstag sowie beim Absetzen verabreicht. Um sicher zu gehen, dass die Ferkel die Vakzine gut vertragen, hat der Betrieb diese vorab an einer kleinen Gruppe getestet.
Meyer setzt die Bestands-Vakzine inzwischen seit gut einem Jahr ein. In den ersten zwei Monaten musste er noch oral Antibiotika an die Ferkel verabreichen. Erst nachdem alle Sauen grundimmunisiert und die ersten Ferkel zweimal geimpft waren, haben Meyer und sein Hoftierarzt die orale Behandlung eingestellt.
Die Wirksamkeit der Bestands-Vakzine ist bislang gut:
- In der Mast tritt die Glässersche Krankheit nicht mehr auf. Die Verluste liegen wieder deutlich unter 2 %.
- Probleme mit Hirnhautentzündungen sind deutlich geringer. Derzeit sind nur einzelne Tiere zu behandeln.
- In der Aufzucht ist der Ferkelruß vollständig ausgemerzt.
Trotz der breiten Wirkung der Kombi- Vakzine bleiben die Kosten im Rahmen. Für die Sauen- und Ferkel-Vakzine kalkuliert Sauenhalter Meyer insgesamt 2,70 bis 3 € je Ferkel. Hier kann der Betrieb aufgrund seiner Bestandsgröße spürbare Mengen- bzw. Preisvorteile generieren.
Ferkel ziehen jetzt durch
Hinzu kommen die Kosten für die umfangreiche Diagnostik zur Herstellung der Vakzine. Meyer hat insgesamt acht Tiere zur Sektion gegeben.
Wichtiger ist dem Sauenhalter aber, dass die Ferkel bei ihm und bei den Mästern wieder ohne Probleme durchziehen. Zumal die geringeren Tierverluste sowie Einsparungen bei den Tierarzt- bzw. Medikamentenkosten die zusätzlichen Impfkosten wettmachen.
Der Ferkelerzeuger will die bestandsspezifische Impfung mindestens ein Jahr so beibehalten. Sollte die Wirkung in dieser Zeit nachlassen, sind Anpassungen auf Basis neuer Diagnostik nötig. Bis dahin gilt: Never change a winning team.
Nach mindestens einem Jahr erfolgreicher Umsetzung ist in Rücksprache mit dem Tierarzt der Ausstieg aus der Ferkel-Impfung denkbar. Voraussetzung ist, die Tiere bleiben gesund.
Wir halten fest
Ein 600er-Sauenbetrieb hatte Probleme mit der Glässerschen Krankheit, Ferkelruß und Hirnhautentzündungen. Um die Ferkel früh zu schützen und Medikamente zu sparen, wurde eine Bestands-Vakzine entwickelt.
Die Glässersche Krankheit und der Ferkelruß sind seither ausgemerzt. Und die Hirnhautentzündungen treten bis auf Einzelfälle nicht mehr auf. Bei knapp 3 € Impfkosten je Ferkel kommt der Betrieb ohne Metaphylaxe im Flatdeck aus. Mittelfristig ist der Ausstieg aus der Ferkel-Impfung denkbar.