Mit neuen Züchtungswerkzeugen lassen sich einzelne Gene gezielt an- bzw. ausschalten oder korrigieren. Welche Chancen und Risiken ergeben sich beim Schwein?
Dr. Inga Schiefler, Förderverein Bioökonomieforschung, Bonn
Das Erbgut von Pflanzen und Tieren verändert sich fortlaufend. Ursache hierfür sind sogenannte Mutationen, die spontan ablaufen können. Mithilfe neuer Methoden können diese Veränderungen jetzt zielgerichtet vorgenommen werden. Diese molekularbiologischen Verfahren werden unter dem Sammelbegriff Gene Editing zusammengefasst (s. Kasten Seite 28).
Neue Methode Gene Editing
Mit Gene Editing können gezielt einzelne DNA-Bausteine im Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen umgeschrieben werden. So ist es möglich, Gene auszuschalten, die z.B. für das Auftreten von Erbkrankheiten verantwortlich sind. Dies gelingt, ohne die anderen Eigenschaften zu verändern. Ein anderer interessanter Bereich sind Krankheitsresistenzen, welche einen Beitrag zur Tiergesundheit und einem reduzierten Medikamenteneinsatz leisten könnten. Auch hier gibt es vielversprechende Ansätze.
Zwar befinden sich die Anwendungen beim Schwein noch in der experimentellen Testphase. Doch die Wissenschaft rechnet damit, dass Gene Editing sehr schnell zur Routine wird und der Zucht einen Schub geben könnte, wenn die Rahmenbedingungen dies erlauben. Dabei erfolgt das An- und Ausschalten der Gene an frühen Embryonenstadien.
Eingriff am Embryo
Dazu werden zunächst Eizellen gewonnen und in vivo befruchtet. Dann werden mit einer Mikroinjektion die molekularen Scheren und ggf. eine Reparaturvorlage für ein bestimmtes Merkmal wie Krankheitsresistenz in die Zelle eingeschleust. Anschließend werden die Embryonen auf Trägertiere übertragen (siehe Übersicht).
Trotz großer Fortschritte in der Wissenschaft bringt nicht jeder übertragene editierte Embryo auch ein Ferkel mit der gewünschten Eigenschaft hervor. Sehr häufig kommt es zum embryonalen Frühtod und zu kleinen Würfen. Zudem trägt von den geborenen Ferkeln – je nach Methode – nur jedes zweite bis fünfte Tier die gewünschte Eigenschaft.
Soll mit dem Ferkel aus der editierten Eizelle gezüchtet werden, muss es gleichzeitig auch in den anderen Merkmalen konkurrenzfähig sein. Ferner ist sicherzustellen, dass durch die Einwirkungen auf das Genom keine unerwünschten Veränderungen entstanden sind. Dies kann z.B. durch eine Genomsequenzierung erfolgen.
Alle im Labor herbeigeführten Veränderungen am Genom könnten auch zufällig in der Natur auftreten. Das Einfügen artfremder oder neuer Gene ist zwar mit Gene Editing technisch möglich, aber nicht erforderlich. Somit lassen sich Nachkommen von Tieren, deren Erbgut mithilfe von Gene Editing verändert wurde, nicht von Schweinen unterscheiden, die auf Basis von Mutationen und konventioneller Zucht entstanden sind.
Genforschung als Basis
Die neuen Erkenntnisse im Bereich des Gene Editings bieten große Chancen in der Tierzucht. Gleichzeitig ist die Technik für die Forschung hochinteressant, um biologische Zusammenhänge aufzudecken und zu einem Erkenntnisgewinn in der Ausprägung und Wechselwirkung von Genen beizutragen.
So eröffnet sich erstmals die Möglichkeit, gekoppelte Gene gezielt zu bearbeiten und unerwünschte Nebeneffekte bei der Selektion auf seltene Varianten wie z.B. Krankheitsresistenzen zu verhindern. Züchterische Verbesserungen können schneller erreicht werden. Denn selten vorkommende, erwünschte Merkmale können ohne Veränderung der übrigen Eigenschaften innerhalb nur eines Generationsintervalls bearbeitet werden.
Die Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz des Gene Editings ist allerdings die genaue Kenntnis des Zielgens und seiner Funktion. Komplexere Merkmale wie Krankheitsresistenzen werden aber häufig von mehreren Genen beeinflusst. Um solche Merkmale mit Gene Editing bearbeiten zu können, sind weitere umfangreiche Forschungsarbeiten notwendig. Daher sind nach heutigem Wissensstand die aktuell möglichen Einsatzgebiete begrenzt. Es ist aber davon auszugehen, dass die Forschung rasante Fortschritte erzielen wird.
Zahlreiche Projekte
Neben anderen Nutztierarten werden beim Schwein international verschiedene Forschungsprojekte zum Gene Editing durchgeführt. Einer amerikanischen Arbeitsgruppe gelang es bereits, mit Gene Editing Schweine zu erzeugen, die gegen das Porcine Reproductive and Respiratory Syndrome (PRRS) Virus resistent sind. Forschergruppen aus den USA und aus Deutschland arbeiten derzeit an der Resistenz gegenüber Afrikanischer Schweinepest (ASP). Ziel ist es, die natürliche Resistenz des Warzenschweins gegenüber der ASP in unsere Hausrassen zu übertragen.
Sollte es tatsächlich gelingen, PRRS- oder ASP-resistente Schweine zu gewinnen, wäre dies ein sehr großer Fortschritt für die Tiergesundheit, das Tierwohl und die Wirtschaftlichkeit der Schweineerzeugung.
Ein weiteres hoch interessantes Forschungsgebiet für Gene Editing beim Schwein ist der Ebergeruch. Ein Ansatzpunkt ist die genetische Steuerung des zeitlichen Eintritts in die Geschlechtsreife, die einen Kastrationsverzicht erlauben könnte. Ein anderer Ansatz ist, mithilfe von Gene Editing ausschließlich weibliche Tiere zu produzieren.
Auch beim Milchrind gibt es konkrete Anwendungen: So konnten mithilfe des Gene Editings erste genetisch hornlose Kälber aus einer horntragenden Anpaarung erzeugt werden. Dieses Experiment glückte US-amerikanischen Genforschern.
Rechtslage und Patente
Bisher handelt es sich beim Gene Editing um eine rechtliche Grauzone und man wartet auf eine Stellungnahme seitens der Europäischen Kommission und ggf. eine anschließende Regelung der einzelnen Mitgliedstaaten. Die Frage ist, ob Pflanzen und Tiere, die mit Gene Editing erzeugt wurden, als gentechnisch verändert gelten, oder nicht. Sicher ist, dass es sich um einen gentechnisch veränderten Organismus handelt, sobald artfremde DNA eingefügt wird. Wie Produkte eingeordnet werden, bei denen Gene Editing nur zur Veränderung weniger Basenpaare angewendet wird – ähnlich einer natürlichen Mutation – ist bisher unklar. Verschiedene Staaten haben aber bereits pflanzliche Lebensmittel zugelassen, die mit Gene Editing-Methoden hergestellt wurden, z.B. Schweden.
Bei der Entwicklung einer so interessanten und effizienten Technologie ist die Frage der Patente natürlich hoch brisant. Während sich zwei Arbeitsgruppen weiterhin um die Erfindung und Patentierung der sogenannten CRISPR/Cas-Technologie streiten, versuchen andere Gruppen bereits ganz pauschal die Veränderung bestimmter Merkmale zu patentieren. Eine Abhängigkeit von multinationalen Konzernen könnte die Folge sein. Umso wichtiger ist es, den Forschungsstandort Deutschland zu stärken und eigene Kompetenzen aufzubauen.
Risiken und Unsicherheiten
Von deutschen Zuchtorganisationen werden derzeit noch keine Tiere oder Genetik angeboten, die mit Gene Editing erzeugt wurden. Doch auch bei uns werden verschiedene Forschungsprojekte durchgeführt, die den Einsatz des Gene Editings sowie mögliche Zielmerkmale und Risiken näher untersuchen. Dabei ist den deutschen Zuchtorganisationen bewusst, dass neue Methoden in der Zucht und Biotechnologie höchste Sorgfalt und eine genaue Analyse von Chancen und Risiken erfordern.
Auf dem deutschen Markt ist eine Akzeptanz von gentechnisch veränderten Lebensmitteln nicht zu erwarten. Daher haben die Tierzuchtorganisationen in einer freiwilligen Selbstverpflichtungserklärung zum Gene Editing festgehalten, dass sie das Einfügen artfremder Gene oder völlig neuer Gene, die in der Population und bei Kreuzungspartnern noch nicht vorhanden sind, ablehnen.
Zudem sind konventionelle Züchtungsmethoden vorzuziehen, wenn damit das gleiche Ergebnis erreicht werden kann. Im Einzelfall könnte Gene Editing jedoch eine Chance bieten, einen erheblichen Beitrag zum Tierwohl, zur Tiergesundheit oder zu den Anforderungen des Verbrauchers an die Produktqualität und Ressourceneffizienz zu leisten.
Die Selbstverpflichtungserklärung der Züchter kann beim BRS per E-Mail unter info@rind-schwein.de angefordert werden.
Fazit
- Mit Gene Editing lassen sich einzelne Gene gezielt an- bzw. ausschalten oder korrigieren. Das ermöglicht z.B. eine Erbfehlerkorrektur oder könnte einen schnellen Weg zur Verbesserung funktionaler Merkmale eröffnen.
- Verschiedene Forschungsprojekte untersuchen derzeit mögliche Zielmerkmale und die mit dieser Methode verbundenen Risiken.
- Die deutschen Tierzuchtorganisationen sehen in der neuen Methode Chancen für mehr Tierwohl und -gesundheit, lehnen jedoch das Einfügen von artfremden Genen ab.