Norwegische Züchter haben auf Futtereffizienz, Tierwohl und Robustheit gesetzt. Potenzielle KB-Eber werden zentral aufgezogen und im Computer-Tomographen vermessen.
Heinrich Niggemeyer, SUS
Futtereffizienz spielt in Norwegen eine große Rolle. Denn der Futterpreis ist aufgrund der Marktabschottung extrem hoch. Für die Zucht ist dies ein starkes Argument, den Selektionsdruck auf bessere Futterverwertung zu richten.
Doch es kommen weitere Besonderheiten hinzu, die Einfluss auf die Zucht-arbeit im hohen Norden hatten. So gelten in Norwegen die wohl strengsten Tierschutz-Auflagen. Beispielsweise sind bereits seit 2003 Freilaufbuchten für säugende Sauen vorgeschrieben. Zudem behalten alle Ferkel ihre Ringelschwänze.
Gesunde Bestände
Die norwegische Schweinepopulation ist klein. Rund 2 500 Schweinehalter betreuen zusammen 60 000 Sauen und produzieren 1,6 Mio. Schweine pro Jahr. Der Selbstversorgungsgrad liegt bei 100 %. Ein großer Pluspunkt ist der hohe Gesundheitsstatus. Die norwegischen Schweineherden sind frei von PRRSV, Mykoplasmen sowie den Influenza-Subtypen N1H1 und N3H1. Nur Fälle von APP kommen regelmäßig, Glässersche Krankheit und PCV2-assoziierte Erkrankungen sporadisch vor. Derzeit arbeitet man daran, die Bestände MRSA-frei zu bekommen.
Um diesen hohen Gesundheitsstatus nicht zu gefährden, gelten strenge Einfuhrbedingungen für Zuchttiere und Sperma. Diese haben vermutlich international tätige Zuchtunternehmen abgehalten, in Norwegen Fuß zu fassen. So gibt es nur das nationale Programm Norsvin, das im Wesentlichen auf die Norwegische Landrasse auf der Mutterseite sowie Duroc als Endstufeneber aufbaut.
Wegen der Bestandsobergrenzen sind die Betriebe in Norwegen eher klein und die Betreuung nicht zuletzt wegen der hohen Tierschutzstandards intensiv. Zwar können die Sauen in Bewegungsbuchten ein innigeres Verhältnis zu ihren Ferkeln aufbauen. Gleichzeitig dürfen sie beim Betreten der Buchten weder ängstlich noch aggressiv werden.
Auch die langen Schwänze bereiten gelegentlich Probleme und veranlassen die Schweinehalter, die Tiere möglichst in kleinen Gruppen sowie im Wurfverbund bis zum Mastende zu belassen.
Zuchtziele wandeln sich
Die Marktabschirmung sowie die hohen Tierschutz-Anforderungen ha-ben die Zucht in Norwegen geprägt. So hat Norsvin bis Anfang der 90er-Jahre den Selektionsdruck insbesondere auf die Mast- und Schlachtleistungen gerichtet. Futterverwertung war schon immer ein wichtiger Eckpunkt.
Vor mehr als 20 Jahren wurden dann die Wurfgröße und wenig später auch das Ferkelgewicht am 21. Tag hinzugenommen. Heute spielen zusätzlich Merkmale wie Ausfallrate, Schulterläsionen oder Konditionsnote beim Absetzen eine Rolle. Insgesamt bearbeitet Norsvin 25 Einzelmerkmale bei der Landrasse.
Mit der Hereinnahme neuer Fruchtbarkeits- und Fitnessmerkmale wurde die Gewichtung für Zunahme und Schlachtkörperqualität im Zuchtziel herabgesetzt. Bei den Zuchtzielen 2014 treten Robustheit (30 %) und Aufzuchtleistung (20 %) in den Vordergrund. Zusammen mit der Wurfgröße (28 %) und dem Absetz-Beleg-Intervall (2 %) machen diese Merkmale 80 % der Zuchtziele bei Landrasse aus (siehe Übersicht 1).
Dennoch hat die Bedeutung der Futtereffizienz nicht eingebüßt. Sie soll nun über die Vitalität nachhaltig verbessert werden. Denn je weniger Totalverluste bei den Sauen, Ferkeln und Masttieren auftreten, desto höher ist die Futtereffizienz auf Betriebsebene.
Darüber hinaus wird diskutiert, auch den Ebergeruch züchterisch zu bearbeiten. In Norwegen ist die Ferkelkastration ohne Narkose verboten und somit das Interesse an der Ebermast groß. Doch zuvor muss das Geruchsrisiko minimiert werden. Neue Erkenntnisse zum Sozial- und Fressverhalten der Tiere sollen ebenfalls Einzug in die künftige Zuchtarbeit finden.
CT: Das Schwein in Scheiben
Um hohe Zuchtfortschritte zu erreichen, müssen die Leistungen möglichst exakt erfasst werden. So werden verschiedene Messverfahren am lebenden Tier angewendet, um sich beispielsweise ein Bild vom Fleischansatz zu machen. Norsvin nutzt seit 2008 das wohl exakteste Verfahren, das technisch möglich ist, die Computertomographie (CT). Diese Technik wird auch in der Humanmedizin eingesetzt. Mittlerweile hat das Zuchtunternehmen 22 000 Jungeber mit ca. 120 kg Lebendgewicht CT-geprüft, die somit in der Datenbank verfügbar sind.
Mit dieser millimetergenauen Ganzkörper-Gewebebestimmung soll die Genauigkeit der Zuchtwerte weiter verbessert und die Entwicklung beim Fleischwachstum beschleunigt werden.
Aus den Daten werden nicht nur der Fleischanteil geschätzt, der in die Zuchtwertschätzung einfließen. Mit dieser Technik werden auch Strukturen wie die Wirbelsäule, das Becken, das Schulterblatt oder die Oberschenkelknochen sichtbar gemacht. Diese Detailbilder werden im norwegischen Zuchtprogramm genutzt, um die Konstitution und Robustheit der Tiere zu bewerten.
Ein Beispiel ist die Anfälligkeit für Osteochondrose (Beinschwäche), die Norsvin anhand der CT-Aufnahmen auswertet. Ausgelöst wird sie durch degenerative Veränderungen im Oberschenkelknochen und dem zugehörigen Knorpel. Ob auch Schulterläsionen, die insbesondere bei mageren Sauen während der Säugephase auftreten können, über diesen Ansatz züchterisch bearbeitet werden können, wird derzeit noch untersucht. Auch über diesen Punkt sehen die Norweger Möglichkeiten, die Robustheit der Sauen voranzubringen.
Zentraler Ebertest
Die Untersuchung im Tomographen ist nur ein Teil der umfangreichen Eigenleistungsprüfung für die Landrasse-Eber. Sie umfasst eine gemeinsame Aufzucht sowie umfangreiche Exterieur-Checks in der zentralen Delta-Station, die von der Zuchtzentrale in Hamar aus betreut wird.
Dorthin liefern die Züchter alle vierzehn Tage 25 kg-Eberferkel, die in 12er-Gruppen aufgestallt werden. Jede Bucht ist mit einer Abruffütterung ausgestattet, um tierindividuell Futterverzehr und Gewicht aufzuzeichnen. Die Teststation schleust jährlich 1 800 Landrasse- und 1 200 Duroceber durch.
Die Kandidaten werden nach Zuchtwert rangiert, in den nicht nur Daten der Stationsprüfung einschließlich der CT-Untersuchung einfließen, sondern auch die Leistungsdaten aus den Basiszuchtbetriebe (siehe Übersicht 2). Je Rasse werde die besten 50 Eber eines Jahrganges für den KB-Einsatz in der Zuchtstufe vorgesehen. Darüber hinaus werden überdurchschnittliche Absolventen an Kundenbetriebe und KB-Stationen im Ausland verkauft.
Die Leistungszahlen der LR-Eber lassen sich sehen. So erreichten die Kandidaten des Jahrgangs 2014 im Gewichtsabschnitt von 40 bis 120 kg Lebendgewicht eine Futterverwertung von 1 : 2,15 sowie über 1 000 g Tageszunahme (siehe Übersicht 3).
Trotz dieser hohen Zunahmen müssen die Kandidaten ein stabiles Fundament aufweisen. Die entsprechende Prüfung findet am Ende der Aufzuchtperiode statt. Bei dieser Gelegenheit werden auch die langen Schwänze auf Verletzungen kontrolliert. Schließlich will man friedliche Tiere selektieren.
Zudem soll die Landrasse genügend Zitzen aufweisen, weshalb bei den potenziellen Vätern der nächsten Generation die Zitzenanlagen kontrolliert werden. Neben der absoluten Anzahl Zitzen werden Fehlformen sowie die Position des ersten Zitzenpaares erfasst. Es sollen vier Zitzenpaare vor dem Nabel platziert sein. Im Schnitt kommen die Jungeber auf knapp 16 Striche.
Eine spannende Frage ist, welchen Stellenwert künftig die genomische Selektion im Zuchtprogramm einnimmt. Nach dem Zusammengehen von Norsvin und Topigs werden gerade auf dem Gebiet der Gentypisierung Synergien erwartet. Doch auch wenn es zu einer Verschiebung kommt, wird die Stationsprüfung mit der CT-Untersuchung weiter maßgebliche Grundlage für die Zuchtarbeit bleiben.
Bleibt festzuhalten
Die Züchter der norwegischen Landrasse haben neben der Bearbeitung der Wurfgröße sehr viel Wert auf Futtereffizienz sowie Robustheit gelegt. Dabei nehmen der zentrale Ebertest (Delta-Station) sowie die CT-Untersuchung eine besondere Stellung ein.
Die leistungsstärksten Absolventen sind mit hoher Sicherheit auch die genetisch besten Eber. Etwa 50 von 1 800 Jungebern eines Jahrgangs werden für den Einsatz in der Basiszucht ausgesucht. Weitere gut bewertete Eber werden von Großkunden in den USA und Osteuropa im Rahmen eigener Remontierungskonzepte eingesetzt.